Mathias Lintl will in Wilhelmsburg entlang beider Ufer des Veringkanals das größte Kulturzentrum Hamburgs entstehen lassen. Gelsenkirchen als Vorbild. Soulkitchenhalle war kürzlich geschlossen worden.

Wilhelmsburg. Mit einer kulturpolitischen Techno-Parade, einem Rave mit Botschaft, haben am Freitag in Wilhelmsburg Betreiber und Sympathisanten der Soulkitchenhalle für die Rettung des von der Sprinkenhof AG geschlossenen Kult-Kulturtreffs demonstriert. Mit dem tanzenden Umzug auf einer insgesamt sechs Kilometer langen Strecke durch das Reiherstiegviertel hat Mathias Lintl, Erfinder und Mieter der Soulkitchenhalle, der Bevölkerung die Idee des "Kulturkanals" vorgestellt. Entlang beider Ufer des Veringkanals in Wilhelmsburg könnte Hamburgs größtes Kulturzentrum entstehen.

Mitte der Woche hatte Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD) überraschend aus seinem Urlaub den Hamburger Medien die Idee des Kulturkanals präsentiert. Von Musikclubs über Kinos, Werkstätten, Ateliers, Studios, Bandprobenräume und kleine Bühnen sei entlang des Veringkanals alles denkbar, sagt Grote dem NDR. Der Bezirk Hamburg Mitte habe bereits mit den Planungen begonnen. Damit spricht immer mehr dafür, dass der geplante Neubau für einen Opernfundus voraussichtlich in Rothenburgsort und nicht in Wilhelmsburg entstehen wird.

Ein Kanal als Kulisse für Kunst und Kultur ist bereits in Gelsenkirchen ein erfolgreiches Projekt. Der Rhein-Herne-Kanal, wo früher Kohle von einem Ort zum anderen geschippert wurde, ist heute ein attraktives Freizeitgebiet. Ähnliches schwebt Mathias Lintl am Veringkanal in Wilhelmsburg vor: Als Alternative zu immer mehr Logistikhallen könnte am Kanal ein Hamburgweit einzigartiges Quartier für Kunst, Kultur, Handwerk und Freizeit entwickelt werden. "Uns ist wichtig, dass das Wasser auch erlebt und genutzt werden kann", sagt Lintl. Der Kulturkanal könnte bis zum Dockville-Gelände reichen. Bis zu den Rethe-Speichern, den "Kathedralen der Hafenarchitektur", wie Lintl die Industriekulisse am Reiherstieg poetisch nennt.

Kulturschaffende haben am Veringkanal längst die Basis für einen Kulturkanal gelegt. Das Veranstaltungszentrum Honigfabrik, die Schule für Gestaltung, das IBA-Projekt Künstler-Community, das im Oktober eröffnen und Ateliers auf insgesamt 2000 Quadratmetern bieten wird, der Musikclub Tonne, der Interkulturelle Garten und 24 Kreative in den früheren Zinnwerken bilden bereits heute ein unübersehbare Kulturachse.

Diese Achse strahlt offenbar so viel Attraktivität aus, dass kleines Handwerk und Kulturschaffende aus ganz Hamburg nach freien Flächen am Veringkanal fragen. Der leer stehende frühere Lidl-Markt in der Straße Am Veringhof könnte zu mehreren Kinosälen umgebaut werden, sagt Lintl. Ein Kinobetreiber habe bereits Interesse gezeigt. Eine Brauerei, so Lintl, könne sich vorstellen, in die alten Zinnwerke mit einzuziehen. Ein Kulturkanal in Wilhelmsburg biete genug Wachstumspotenzial: "Was sich um den alten Wasserturm entwickeln lässt", so Mathias Lintl, "da müssen wir gespannt sein."

Bleibt die Frage nach der Zukunft der Soulkitchenhalle, dem wohl prominentesten Ort am Kulturkanal. Aufgrund eines Gutachtens der Sprinkenhof AG, Eigentümerin der Halle, hat der Bezirk Mitte den Kulturtreff wegen Einsturzgefahr dichtgemacht. Mathias Lintl favorisiert die Idee, die Soulkitchenhalle an gleicher Stelle neu aufzubauen. "Ich denke an eine Upcycling-Lösung", sagt er. "Wir könnten aus gebrauchtem Material von zwei bis drei verschiedenen Hallen etwas Neues erschaffen."

Die Stadt Hamburg könne sich mit der Rettung der Soulkitchenhalle, der lebendig gewordenen Filmkulisse aus Kinoerfolg "Soulkitchen", schmücken. Baufachleute, Designer und Künstler könnten sich bei dem Gedanken des Upcyclings austoben und für Aufmerksamkeit sorgen, sagt Mathias Lintl.

Das Künstlerkollektiv Soulkitchenhalle fordert den sofortigen Stopp der Abrissvorbereitungen und die Möglichkeit für Betreiber, Architekten und Gutachter, das Gebäude zu betreten, um gesicherte Erkenntnisse über den Erhalt oder die Weiterverwendung erarbeiten zu können.

Indes geht die Soulkitchenhalle ins Insel-Exil an Nord- und Ostsee. In diesem Sommer kommen Menschen auf Norderney, Spiekeroog und den dänischen Ochseninseln bei Flensburg in den Genuss der Soulkitchen-Künstler. "Hamburg", sagt Mathias Lintl, "macht es uns gerade etwas schwer."