Eine neue EU-Verordnung untersagt es dem Segelflugclub Fischbek, weiterhin zahlende Gäste an Bord zu nehmen. Das bringt den Club in arge Bedrängnis.

Fischbek. Eine neue EU-Verordnung bringt deutsche Luftsportvereine wie den Segelflugclub Fischbek in arge Bedrängnis. Seit April ist es ihnen als Privatpiloten nicht mehr gestattet, Gäste zum Selbstkostenpreis in ihrem Flugzeug mitzunehmen. Wer auf die Internetseite des Vereins geht, stolpert über den Hinweis: "Aufgrund unklarer Vorgaben der Europäischen Union können wir derzeit keine Gastflüge anbieten." Auch Gutscheine können bis auf weiteres nicht eingelöst werden. Die neue EU-Verordnung besagt, dass der "gewerbliche Luftverkehr", zu dem aus EU-Sicht auch Gastflüge gegen Entgelt zählen, Berufspiloten mit Berufspilotenlizenz vorbehalten sein soll.

Für Heike Capell, zweite Vorsitzende des Fischbeker Clubs, ist diese Verordnung ein Paradebeispiel von "gut gemeint und schlecht gemacht". Denn eigentliches Ziel der Änderung ist es, den Luftverkehr mit Hilfe von EU-Lizenzen zu vereinfachen und zu vereinheitlichen. "In diesem Sinne ist es schon gut", sagt sie. Nur lasse die Verordnung die besonderen Regelungen des deutschen Vereinslebens außer Acht. "Die Gastflüge sind für uns eine wichtige Einnahmequelle." Sie helfen, Unkosten wie hohe Versicherungsbeiträge für die Maschinen zu decken oder die Kosten für Aufnahme, Ausbildung oder Fluggebühren für die jugendlichen Vereinsmitglieder möglichst niedrig zu halten. 25 Euro für bis zu zehn Minuten haben Gäste bisher gezahlt, jede weitere Minute kostete 1,50 Euro. Pro Jahr sind so ungefähr 3000 Euro an Einnahmen zusammengekommen.

Hat der Verein bisher mit Hilfe von Veranstaltungen wie einem Tag der offenen Tür versucht, den Segelflug bekannter zu machen, neue Vereinsmitglieder anzuwerben und die Akzeptanz für den Sport in der Bevölkerung zu erhöhen, wird ihm dies nicht mehr möglich sein. Auch eine Kooperation mit der Hochschule für Angewandte Wissenschaften, bei der Studenten für ein "Fluglabor" zum Segelflugclub kamen, muss beendet werden.

Aus Sicht von Jens-Arne Reumschüssel, Rechtsanwalt und erster Vorsitzender des Segelflugclubs Fischbek, ist der Knackpunkt des Ganzen, was unter "gewerblichem Luftverkehr" zu verstehen ist. Dazu zähle nämlich unter anderem die Gewinnerzielung - aber die liege bei seinem Verein gar nicht vor. "Wir bieten Gastflüge nicht primär an, sondern nur, um unsere Kosten zu reduzieren", sagt er. Außerdem mache der Club für die Gastflüge nur sehr verhalten Werbung.

Seiner Meinung nach müsse sich die Bundesregierung dafür einsetzen, Gastflüge für Nicht-Vereinsmitglieder wieder möglich zu machen. Stattdessen lasse sie die Vereine im Regen stehen und "meint, es sei damit getan, die Sache mit einer inhaltlich katastrophal formulierten Anfrage an die EU-Kommission zu delegieren".

Mit diesen drastischen Worten bezieht sich Reumschüssel auf ein Schreiben des Bundesverkehrsministeriums an die EU-Kommission, in dem unter anderem ausführlich die bisherigen deutschen Regelungen dargelegt werden. So steht dort geschrieben, dass man hierzulande zwischen "gewerblicher Beförderung" und "Beförderung gegen Entgelt" unterscheide. Bei Ersterer handele es sich um eine auf Dauer angelegte Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht. Letztere wiederum sei eine gelegentliche Tätigkeit, bei der nicht gewollt ist, auf Dauer Gewinn zu erwirtschaften. Die Ausnahmeregelung für Flüge gegen Entgelt sei in Deutschland geschaffen worden, um den Luftsport zu fördern und zu unterstützen.

Das Bundesverkehrsministerium weist zwar im weiteren auf die "große Verunsicherung der Luftsportverbände" sowie auf die teilweise zu erwartenden "dramatischen Folgen für das Vereinsleben in Deutschland" hin, die durch die Änderung zu befürchten wären. Eine konkrete Forderung wird aber nicht formuliert, es werden lediglich Fragen gestellt. Wie versteht die Kommission die Neureglungen? Welche Möglichkeiten einer "sachgerechten Anwendung" gibt es? Und ist es richtig, dass es Vereinen mit Privatpilotenlizenz nicht mehr gestattet ist, Gastflüge zum Selbstkostenpreis anzubieten?

Jens-Arne Reumschüssel stuft diese Formulierungen als fatal ein, weil sie dazu führen, dass die Versicherer derzeit Versicherungsschutz für Gastflüge verwehren. In einem Schreiben an das Ministerium bittet er deshalb "höflich, aber dringend", den Segelfliegern "per sofort wieder Gastflüge für die Öffentlichkeit gegen Unkostenbeteiligung zu ermöglichen". Eine Antwort auf sein Ende Mai verschicktes Schreiben hat Reumschüssel nicht erhalten. Dem Abendblatt gegenüber erklärt die Pressestelle des Ministeriums, die Regierung habe sich aktiv in den Ausschüssen der Europäischen Agentur für Flugsicherheit für die Belange der Betroffenen eingesetzt. Bis die Angelegenheit geklärt sei, wolle man unter anderem Mitflüge gegen Selbstkosten innerhalb von Vereinen und unter "Bekannten und engen Verwandten" gestatten. Von anderen Gastflügen ist keine Rede.

Für die Fischbeker Segelflieger heißt das, dass sie weiterhin im Unklaren bleiben müssen. Dennoch gibt Heike Capell die Hoffnung nicht auf, dass es bis zum kommenden Jahr eine neue Regelung für Gäste gibt.