Schuhe bis Größe 108. Der Hittfelder repariert noch mit 80 Jahren Schuhe aus dem gesamten Landkreis und hat ein Schuhmuseum.

Sein längstes Schuhwerk hatte die Größe 108. Vor 48 Jahren nahm die Elefantendame Moni bei Schuhmachermeister Fritz Dehrmann Maß. Sie war gerade in Hittfeld bei einem Bekannten untergestellt, und Fritz Dehrmann maß ihre Füße aus. Denn Moni sollte in der Fernsehsendung "Vergissmeinnicht" mit dem Showmaster Peter Frankenfeld auftreten. Also fertigte Fritz Dehrmann vier Elefantenschuhe aus rotem Boxkalb-Leder. "Das waren die größten Schuhe, die ich jemals produziert habe", sagt der Schuster.

Unter die Elefantenschuhe kamen vier Buchstaben: K-Ö-L-N. In der Sendung lief Moni dann über ein Stempelkissen und trat auf ein weißes Laken. Die Zuschauer von "Vergissmeinnicht" mussten den Namen der Rheinmetropole erraten. So einfach war Fernsehen im Jahre 1965.

Auch für die Hunde von Hittfeld und Umgebung hat Schuhmachermeister Fritz Dehrmann Schuhe genäht, wenn sie sich beim Gassigehen verletzt hatten. Die Schuhe waren aus Leder und hatten eine weiche Gummisohle - und sie haben ewig gehalten. Heute gehen Hundeschuhe aus Kunstleder, wie sie Kleintiersupermärkte anbieten, oft schon nach wenigen Tagen kaputt.

Die meisten Schuhe hat Fritz Dehrmann natürlich für Menschen gefertigt und vor allem repariert. 50 Jahre stand er als selbstständiger Schuster im Dienste gepflegten Schuhwerks. 1960 hat er angefangen, in der Bahnhofstraße 4. Die Werkstatt übernahm er von Friedrich Bohlmann. Dann ging es in den Asternweg 7 in einen Keller. Und 1973 dann schließlich in den Neubau in der Bahnhofstraße 14. Hier ging der Schuster von morgens bis abends in der Werkstatt seiner Leidenschaft nach: kaputte Schuhe wieder auf Vordermann zu bringen. Seine Frau Ingrid, 67, verkaufte im Nebenraum neue Schuhe - das Haus, in Eigenarbeit entworfen und errichtet, dient noch immer als Wohnhaus.

Auch nach 50 Jahren Selbstständigkeit mochte Fritz Dehrmann, 80, nicht ganz aufhören. Noch jeden Freitag ist seine Werkstatt von 15 bis 18 Uhr geöffnet. Dann repariert der Meister Lederschuhe von Frauen und Männern aus dem ganzen Landkreis Harburg. Dann schleift er mit seiner Schleifmaschine Sohlen und bürstet sie mit der Ausputzmaschine über.

Auch für den Verkaufsraum haben die Dehrmanns eine neue Nutzung gefunden. Es wurde zum Schuhmuseum. Sie stellen eine alte Werkstatt und historische Werkzeuge wie Zwiezange, Nagelort, Lederschere, Messer, Hammer und Lochzange aus.

Das Schmuckstück des Museums aber sind Schuhe aus mehr als 30 Ländern: Fußballschuhe, Tanzschuhe, Soldatenstiefel aus dem Zweiten Weltkrieg, Pumps, alte Herrenstiefel mit Gamaschen, Fischerstiefel, Hausschuhe, Holzschuhe, Schlittschuhe. Sie kommen aus Ländern wie Deutschland, Marokko, Afghanistan, Pakistan, China, Indien, Japan, Algerien, Usbekistan und Lettland.

Wer das Museum - nach telefonischer Absprache: 04105/527 98 - besucht, der sollte Zeit mitbringen, mindestens zwei Stunden. Denn zu allen Schuhen können die Dehrmanns eine kleine Geschichte erzählen.

Da sind etwa die gelben Schuhe des Mannes, der den Rattenfänger von Hameln darstellt. Den trafen die Dehrmanns beim Hansetag in Lüneburg und schwatzten ihm seine alten Schuhe ab. Überreicht hat der Rattenfänger die alten Schuhe dann auf einer Reisemesse in Hamburg.

Da sind die Cowboystiefel, blau, weiß, rot und schwarz, von Cisco Berndt, dem Bandleader der Countryband Truck Stop. Cisco und seine Kollegen brachten ihre Stiefel jahrelang zum Färben, Polieren und Reparieren zu Fritz Dehrmann nach Hittfeld. Der nennt heute sechs Truck-Stop-Stiefelpaare sein eigen. Die Band hat sich bei vielen Auftritten dafür bedankt, dass ihr "lieber Schuster Fritz aus Hittfeld" ihre Stiefel wieder auf Vordermann gebracht hat.

Da sind Schnabelschuhe aus Afghanistan. Da sind Pferdeschuhe für Arbeiten im Moor. Da sind Schuhe, in deren Sohlen Fritz Dehrmann Pfennig- und DM-Münzen eingeprägt und dann farbgetreu angemalt hat. Da sind Kinderschuhe aus der Zeit um 1900, erstanden auf einem Flohmarkt. Sie haben Ledersohlen und konnten nur mit einem speziellen Haken auf- und zugemacht werden. "Mein Vater Friedrich hatte ähnliche Kinderschuhe", sagt Fritz Dehrmann und zeigt ein Schwarz-Weiß-Foto seines Vaters von 1910.

Fritz Dehrmanns Vater war Beamter in Harburg und Lüneburg und hat in der Nazi-Zeit die Kinderlandverschickung mitorganisiert. Gelernt hat der gebürtige Handorfer bei Ernst Detjen in Scharmbeck und dann bei Rudi Garbers, auch in Scharmbeck. "Ich mochte gerne in der Stube sitzen und arbeiten", sagt Fritz Dehrmann. "Der Meister musste immer sagen 'nun ist aber Schluss - jetzt ist Feierabend!', denn ich wollte immer weiterarbeiten. Vor allem im Winter, wenn das Licht angemacht wurde, war es in der Werkstatt besonders gemütlich."

Als Fritz Dehrmann 1948 seine Lehre begann, musste er Sohlen und Absätze noch mit Holznägeln - für Arbeitsschuhe - oder Pechdraht - für Sonntagsschuhe - befestigen. Selbstverständlich trägt der Schuhmachermeister noch immer Lederschuhe in Budapester Form, die er vor 30 Jahren gekauft und immer wieder repariert hat. "Heute werden die meisten Schuhe ja weggeschmissen, wenn sie ausgetreten sind", analysiert der Schuster.

Wer Fritz und Ingrid Dehrmann und ihr Schuhmuseum einmal kennenlernen möchte, sollte unbedingt einmal nach Hittfeld kommen. Die Dehrmanns lieben Schuhe. Sie leben Schuhe. Sie sind Zeugen einer fast verschwundenen handwerklichen Epoche.