Bundestags-Spitzenkandidaten stellten sich den Fragen von 70 Studierenden an der TUHH. Die favorisierten Rot/Grün.

Harburg. Die Studenten der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) gelten als sehr umtriebig. Sie brauen ihr eigenes Bier, paddeln in Betonkanus über den Außenmühlenteich und helfen der Schützengilde, eine zünftige Festwoche auf die Beine zu stellen. Am Dienstagabend ist es ihnen auch noch gelungen, die Direktkandidaten des Wahlkreises 23 Harburg-Wilhelmsburg-Bergedorf erstmals zum direkten "Schlagabtausch" auf einer Bühne zu versammeln. Fast jedenfalls. Nur Grünen-Frontmann Manuel Sarrazin war verhindert.

Das tat dem munteren Rededuell des politischen Spitzenpersonals aber keinen Abbruch. Zumal Sarrazin einen Vertreter entsendet hatte, der durchaus ankam. Vielleicht lag es ja daran, dass Maximilian Bierbaum selbst erst 21 Jahre alt und Student ist. Jedenfalls präsentierte er sich in der Runde so locker und unverkrampft, als hätte er schon immer dazu gehört. "Wie er sich da im Duell mit den gestandenen Schwergewichten Gundelach, Hakverdi und Duwe geschlagen hat, da konnte man nur ganz tief den Hut ziehen", befand Dominik Pöltl, bis zum Vorjahr AStA-Vize an der TUHH.

So überrascht es nicht, dass es Bierbaum, der an der Uni Hamburg Soziologie und Amerikanistik studiert, schon bis auf Platz vier der Grünen-Landesliste geschafft hat. Bei der Podiumsdiskussion punktete er gleich in der Vorstellungsrunde mit dem Statement, viel zu viele alte Menschen würden hierzulande politische Entscheidungen von großer Tragweite treffen, die die Jungen später ausbaden müssten. "Da mische ich mich doch lieber rechtzeitig ein", so der blonde Grüne.

Bei solch jugendlichem Charme und frischer Tatkraft, sahen CDU-Spitzenfrau Dr. Herlind Gundelach und Dr. Kurt Duwe von der FDP zuweilen recht alt aus. Dabei wird ihnen eine fundierte Grundkompetenz in Fragen der Energiewende und der Hochschulpolitik, den beiden Hauptthemen der Podiumsdiskussion in der TUHH, niemand absprechen können. Doch überzeugend rüber bringen, konnten sie ihre Positionen offenbar nicht.

"Von Frau Gundelach hätte ich da deutlich mehr erwartet, schließlich war sie doch mal Wissenschaftssenatorin", sagte Ingo Labbus. Das sah auch Maschinenbaustudentin Anne Kathrin Lange so: "Die Hochschulpolitik des nun wieder SPD-geführten Senats wurde von Herlind Gundelach sehr einseitig beurteilt. Das war mir zu viel Wahlkampfrhetorik bei zu wenig sachorientierten Inhalten."

Diese Kritik äußerten mehrere unter den mehr als 70 anwesenden Studenten. Besonders Duwe wurde für seine pauschalen Einlassungen gescholten. Dass Fracking verboten gehört, hielt er für völlig abwegig und fortschrittsfeindlich. Mittlerweile würden in diesem Land ja viele moderne Verfahren sofort angefeindet werden. So redete er einmal mehr dem freien Spiel des Marktes das Wort, damit Deutschland international nicht bald ins Hintertreffen gerate. "Wenn die letzte Milchkuh geschlachtet und das letzte Saatgut gefressen ist, ist alles vorbei", mahnte die lokale Galionsfigur der FDP.

"Das war mir über weite Strecken viel zu polemisch, inhaltlich schwach und an vielen Stellen schlicht falsch", fällte Abiturientin Lise Känner ein harsches Urteil. "Duwe ist mir von seinen Ansichten her echt unsympathisch", erklärte Markus Rudolf. Im Übrigen würde ihm die Wahlentscheidung für eine Partei nach dieser Podiumsdiskussion nicht unbedingt leichter fallen. Diese Erwartungshaltung teilte Anne Kathrin Lange ohnehin nicht: "Ich studiere im Vorfeld der Wahl lieber noch mal die Programme der einzelnen Parteien. An so einer Veranstaltung würde ich mein Votum nie festmachen."

Julia Markward, die im siebten Semester Bioverfahrenstechnik studiert, war unterdessen von Sabine Boeddinghaus von der Fraktion Die Linke sehr angetan: "Sie wirkte auf mich sehr engagiert und sympathisch. Sie wusste genau, worüber sie spricht, gerade auf dem Gebiet der Bildungspolitik." Dass Kinder, egal wo sie geboren seien und leben würden, die gleichen Chancen haben müssten, könne sie sofort unterschreiben. Ebenso wie Boeddinghaus' Forderung nach besseren Rahmenbedingungen für das Bildungssystem.

Heimlicher Star und großer Gewinner des Abends aber war neben dem Grünen-Newcomer Bierbaum fraglos SPD-Spitzenmann Metin Hakverdi. Ihm bescheinigten so gut wie alle befragten Studenten eine positive Ausstrahlung, großes rhetorisches Geschick und stichhaltige Argumentationen. "Frau Gundelach und Herr Duwe haben es ihm aber auch leicht gemacht, sie auszukontern", so Lise Känner. Hakverdis Ansicht, der Atomausstieg habe zu viel Zeit und Geld gekostet und sei allzu lange in großem Stil subventioniert worden, kam bei der größtenteils rot-grün orientierten Studentenschaft natürlich sehr gut an. Und auch die Idee eines eigenständigen Energieministeriums fand viele Befürworter.

Derweil gab es für alle Politiker am Ende der Gesprächsrunde die beliebten TUHH-Taschen. Gefüllt waren sie mit netten Kleinigkeiten, eingepackt in alte Senatsvorlagen. Die TU-Studenten sind eben immer für eine Überraschung gut. Vielleicht auch bei der Wahl.