Wie wir wurden, was wir sind: Die große Serie von Abendblatt und Kiekeberg-Museum. Heute Teil 7 - “Vom schnellen Essen“: Warum Menschen das Kochen anderen überlassen

Ehestorf. Kochen ist eine Sache für sich: Oft fehlt dafür die Zeit, manchmal auch der nötige Mut oder das Wissen, wie mit geringen Aufwand und wenigen Zutaten eine leckere Mahlzeit zubereitet werden kann. Wer die Mühe scheut, Gemüse und andere Zutaten am Küchentisch zu zerkleinern und geschmackvoll zuzubereiten, greift gern und häufig zum Fertiggericht. Das sogenannte "Convenience Food", also Lebensmittel, die von Nahrungsmittelherstellern so vorbereitet werden, dass die weitere Zubereitung auch für Laien problemlos möglich ist, kommt in deutsche Küchen schon seit langem zum Einsatz. Fast jeder hat Nudelsoße und Gemüsebrühe in seinem Küchenschrank. Welche Gerichte zum "Schnellen Essen" gehören, welche Inhaltsstoffe sie haben, wie viel sie kosten und wie sie hergestellt werden, zeigt eine Dauerausstellung im Agrarium des Freilichtmuseums am Kiekeberg. Am 5. Mai feiert das Haus mit einem Aktionstag rund um den "Spargel" das einjährige Bestehen der Ausstellungsräume.

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts hat die Industrie die Herstellung und den Verzehr der Lebensmittel gründlich revolutioniert. Kochen beschränkte sich immer mehr auf das Erhitzen von Fertiggerichten oder vorbereiteten Nahrungsmitteln. "Das spart Zeit, die wir nicht haben oder die wir uns nicht nehmen", erklärt Heike Duisberg, Leiterin des Agrariums am Kiekeberg. Der Einsatz von Fertiggerichten und der Verkauf von "schnellem Essen" habe dabei eine lange Tradition. Bereits in den 1840er-Jahren gab es das erste Fleischextrakt. 1867 folgte die erste Erbswurst (getrocknete Erbsensuppe) des Berliner Kochs Johann Heinrich Grüneberg, die der preußischen Armee als Notration diente. 1886 folgten die ersten Fertigsuppen des Schweizer Müllers Julius Maggi auf Basis von Leguminosenmehl und die "Maggi-Würze" als Konkurrenz für den von Justus von Liebig erfundenen Fleischextrakt. 1908 brachte Maggi den Brühwürfel auf den Markt.

Aber auch in den Restaurants musste es im Laufe der Zeit immer schneller gehen. Mit dem "Wienerwald" kam die erste deutsche Schnellrestaurant-Kette Mitte der 50er-Jahre auf den Markt. Zehn Jahre nach Eröffnung zählten bereits 174 Betriebe zur Wienerwald-Familie. Anfang der 1980er-Jahre konnten die Menschen in 18 Ländern und auf vier Kontinenten ein frisch gegrilltes Hähnchen bei Wienerwald genießen. Bis auf einige Ausnahmen wird "Fast Food" heute selten in der herkömmlichen Gastronomie, häufiger an Theken oder im Straßenverkauf, in Schnellrestaurants oder im Lieferservice angeboten. Zu den typischen Gerichten gehören Burger, Würste, Hotdogs, Fish and Chips, Pizza, Döner und Pommes.

Schnelles Essen ist und bleibt umstritten. Es schmeckt immer gleich, weil es genormt ist und immer auf die selbe Art und Weise in Friteusen, Mikrowellen und Grills hergestellt wird. Wer bestellt, bekommt sein Gericht meist in Einwegverpackungen geliefert. Das Einweggeschirr an der Imbissbude spart den Abwasch - und somit Kosten für den Verkäufer. Auf traditionelle Essensriten und Tischmanieren wird in Schnellrestaurants größtenteils verzichtet. "Auf die Dauer erkauft sich der Konsument die Bequemlichkeit mit dem Verlust seiner kulinarischen Kompetenzen. Er verliert die Kenntnis über die Herkunft und Eigenschaften der Nahrungsmittel und überlässt der Industrie die Kontrolle darüber, welche Zutaten in die Mahlzeit gelangen", sagt Heike Duisberg.

Ernährungswissenschaftler bemängeln, dass insbesondere Fast-Food-Gerichte zu viel Fett, tierisches Eiweiß und Salz, dagegen zu wenig Ballaststoffe, Vitamine und Mineralien enthalten. Das würde bei zu häufigem Konsum zu Fettleibigkeit und anderen Fehlernährungssymptomen führen. Einige Anbieter haben darauf bereits reagiert und bieten inzwischen fleischlose und fettarme Gerichte an. Vollwertkost und Waren aus ökologischer Landwirtschaft sind ebenso wie Produkte für Vegetarier und Diabetiker aber immer noch selten. "Das Hauptproblem beim Fast Food ist, dass viele es nebenbei zusätzlich zu den Hauptmahlzeiten konsumieren. Es ist als Genussmahlzeit zwischendurch okay. Aber eben nicht als Nahrungsmittel, dass täglich und zwischendurch gegessen werden sollte", sagt Heike Duisberg.

Auch "Convenience Food" sei nicht per se schlecht. Aber: "Viele Fertigprodukte sind meist teurer als selbst hergestellte. Und in den meisten Gerichten stecken auch zahlreiche Zusatzstoffe, die wir nicht brauchen, um gesund zu bleiben." Als Beispiel führt die Expertin Kartoffelpüree ins Feld. "Dafür benötigt man eigentlich nur Kartoffeln, Milch und Butter. In einer Fertigmischung stecken aber zusätzlich auch Gewürzextrakte, Mono- und Diglyceride von Speisefettsäuren, der Stabilisator Dinatriumdiphosphat sowie Ascorbinsäure und Natriummetabisulfit als Antioxidationsmittel. Jeder muss sich deshalb die Frage stellen, welchen Stellenwert die Ernährung in seinem Leben haben soll."