Tostedter Verwaltung will Kindertagesstätte an der Dieckhofstraße durchsetzen, Bürger widersetzen sich. Eine Bestandsaufnahme

Tostedt. Im Streit um den Neubau der Kindertagesstätte an der Dieckhofstraße verhärten sich die Fronten immer mehr. Die Tostedter Verwaltung hat eine Informationsoffensive auf großflächigen Plakaten und im Internet gestartet, um den Bau einer neuen Kindertagesstätte mit 30 Krippenplätzen und 60 Plätzen für Drei- bis Sechsjährige durchzusetzen. Damit wolle sie Aufklärung betreiben, so die Verwaltung, und wirft der Bürgerinitiative vor, Ängste zu schüren.

Es sei unverantwortlich, die Bürger zur unreflektierten Unterschriftenabgabe aufzufordern, ihnen aber wesentliche Fakten vorzuenthalten, erklären CDU, Wählergemeinschaft, FDP und SPD, die die Informationskampagne unterstützen.

Die Bürgerinitiative ist empört und entgegnet, nicht sie, sondern die Samtgemeinde schüre Ängste, da sie den Eltern vermittele, dass sie am Ende ohne Krippenplatz da stünden, sollten sie sich gegen den Bau an der Dieckhofstraße aussprechen.

Die Initiative wehrt sich mit einem Begehren gegen den Bau an der Dieckhofstraße und schlägt Standortalternativen vor. Für ihr Begehren haben die Gegner des Kita-Neubaus an der Dieckhofstraße bereits mehr als 1500 Unterschriften gesammelt.

Diese Episode ist nur eine aus dem Kapitel zum Streit des Kita-Neubaus in Tostedt. In einer derart emotional geführten Debatte kann man schnell den Überblick verlieren. Deshalb fasst das Hamburger Abendblatt den Inhalt der Diskussion und den Stand der Dinge zusammen.

Warum will der Samtgemeinderat eine neue Kita an der Dieckhofstraße?

Die Fraktionen und die Samtgemeinde führen unter anderem die Kosten für ihre Standortwahl an. Es ließe sich mit einem Bau an der Dieckhofstraße viel Geld einsparen, da das Grundstück der Gemeinde gehöre, so CDU, SPD, FDP und Wählergemeinschaft.

Ein Bau an anderer Stelle übersteige die Kosten von 2,5 Millionen Euro. Vom Landkreis gibt es einen Zuschuss von 135 000 Euro, beim Land hat die Verwaltung eine Förderung von 210 000 Euro beantragt. Die Nähe zur Grundschule vereinfache den Übergang von der Kita zu Schule lautet ein weiteres Argument der Kita-Befürworter. Die Kinder könnten vom Krippen- bis zum Grundschulaltern an einem Ort und in ihrer gewohnten Umgebung aufwachsen, gemäß dem Modell "Kita und Grundschule unter einem Dach" des niedersächsischen Kultusministeriums, heißt es aus Kreisen der Verwaltung.

Viele, unter anderem die Grünen, bezweifeln aber, dass es die Grundschule an der Dieckhofstraße noch lange geben wird.

Was wird also aus der alten Grundschule?

In der Tat sah ein Zukunftsszenario die Schließung des Standortes Dieckhofstraße für den Fall vor, dass die Schülerzahlen dramatisch sinken würden, wie die Samtgemeinde mitteilte. Nachdem aber Verwaltung und Politik verstärkt den Zuzug junger Familien förderten, indem unter anderem neue Wohngebiete ausgewiesen wurden, um so den rückläufigen Schülerzahlen etwas entgegen zu setzen, gehen die Ratsmehrheit und die Verwaltung gemeinsam davon aus, dass der Standort der Grundschule Dieckhofstraße langfristig gesichert werden kann.

Warum lehnt die Bürgerinitiative eine Kita an der Dieckhofstraße ab?

Die Gegner des Standorts sorgen sich um die letzte attraktive Stelle Tostedts. Sie sehen das historische Ortsbild an dieser Stelle und die grüne Lunge von Tostedt in Gefahr. Zudem befürchten sie, dass es dort zu einem Verkehrschaos kommt. Sie favorisieren einen Anbau an vorhandenen Einrichtungen, etwa in Todtglüsingen, in Wistedt/Dohren oder Handeloh/Welle oder auch einen Neubau in Düvelshopen. Auch die ehemalige Rektorin der Grundschule an der Dieckhofstraße Christa Biermann spricht sich für Dohren oder Heidenau als Standort aus. Sie befürchtet, dass den Grundschülern mit dem Bau einer neuen Kita an der Dieckhofstraße der Freiraum genommen wird. "Hier kann man noch im Matsch wuseln, sich in den Hecken verstecken, rennen und toben nach Herzenslust", sagt sie.

Mit einem Kita-Neubau, so die ehemalige Rektorin, verschwinde diese Idylle. Diese Befürchtung teilen auch einige Eltern, deren Kinder die Dieckhofschule besuchen. Das haben sie in einem Offenen Brief an den Samtgemeindebürgermeister Dirk Bostelmann zum Ausdruck gebracht.

Was sagen die Kita-Gegner zu den Kosten?

Sie glauben, Anbauten seien günstiger als ein Neubau, so dass Geld für eine Freibadsanierung übrig sei. Das sehen die Grünen genauso und sagen zudem, dass genügend Krippenplätze in Tostedt vorhanden sein müssten, in den umliegenden Gemeinden aber zu wenige. Sie berufen sich dabei auf den Kindergartenbedarfsplan des Landkreises.

Wie viele Kinder stehen auf den Krippenwartelisten?

Zurzeit stehen 82 Kinder auf den Wartelisten für Krippenplätze in der Samtgemeinde, 44 davon stammen aus Tostedt. In der Kita Kinderland stehen 48 Kinder auf der Warteliste, in der Kita "Minitos" 21 Kinder und in der Kita Otter 13 Kinder. Nach Auskunft des Familienservicebüros werden bis Herbst 2013 nur sieben Plätze frei, so dass nach derzeitigem Stand 75 Plätze für eine Krippenbetreuung fehlen.

Wie viele neue Krippenplätze sollen wo geschaffen werden?

Insgesamt 75 Plätze. Im Kindergarten im Stocken in Tostedt sollen 30 neue Krippenplätze entstehen, 15 weitere in der Krippe "Minitos" in Tostedt und 30 Plätze in der Kita an der Dieckhofstraße. Mit diesen neuen Plätzen erreicht die Samtgemeinde einen Versorgungsgrad von fast 50 Prozent.

Warum lehnt die Verwaltung die Alternativvorschläge der Initiative ab?

Die Samtgemeindeverwaltung sagt, der Kindergartenbedarfsplan des Landkreises sei zum einen überholt. Zum anderen basiere der auf der gesetzlich vorgeschriebenen Betreuungsquote von 35 Prozent für Krippenkinder, die aber in Tostedt nicht ausreiche. Die Nachfrage nach Krippenplätzen sei viel höher.

Die Fläche in Düvelshöpen kommt aus Sicht der Samtgemeinde nicht in Frage, da sie einer Schulerweiterung vorbehalten werden soll. Schon heute gebe es eine prekäre Verkehrssituation vor dem Gymnasium, die sich massiv verschärfen würde. Zudem könne das Konzept Grundschule und Kita unter einem Dach nicht umgesetzt werden.

Was spricht gegen einen Krippenanbau in Todtglüsingen?

Nach Aussage der Samtgemeindeveraltung ist ein Krippenplatzausbau in der Kita in Todtglüsingen bereits 2006 geprüft worden, aber die Einrichtung sei mit 138 Plätzen bereits auf das gesetzlich mögliche Maximum ausgeweitet worden. Zusätzliche Flächen zur Erweiterung fehlten, da Grundstücksverhandlungen mit Nachbareigentümern scheiterten.

Warum verneint die Verwaltung einen Krippenplatzausbau in Heidenau ?

Die Gemeinde führt die niedrigere Geburten- und Nachfragequote in Heidenau und Wistedt an. Während in Wistedt (inklusive Einzugsgebiet Dohren und Königsmoor) durchschnittlich pro Jahr 36 Kinder und in Heidenau 21 Kinder geboren werden, sind es in Tostedt durchschnittlich 90 Geburten plus 39 Geburten in Todtglüsingen. Nach den Erkenntnissen des Familienservicebüros, so die Samtgemeindeverwaltung, seien die Wistedter und Dohrener Eltern bereit, ihr Kind zu einer Einrichtung in Tostedt zu bringen, wohingegen sich die Tostedter Eltern nicht vorstellen könnten, ihr Kind in einer Kita in den Mitgliedsgemeinden betreuen zu lassen.

Das sei das Ergebnis einer Umfrage aus dem Jahr 2007. Zudem könne nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Erweiterung vorhandener Kindertagesstätten kostengünstiger sei als ein Neubau, sagt die Samtgemeindeverwaltung. Die Kosten hingen immer ab von den Anforderungen und den Standorten.

Wie viele Krippenplätze gibt es in der Samtgemeinde Tostedt?

Bis zu 140 Krippenplätze bietet die Samtgemeinde an. Die Zahl variiert, da sie von der Altersstruktur der Kinder in der Gruppe abhängt. Sind mehr als sieben Kinder unter zwei Jahren in einer Gruppe, dürfen nicht mehr als zwölf Kinder in so einer Gruppe aufgenommen werden. Noch komplizierter wird es bei altersübergreifenden Kindergartengruppen, den Familiengruppen, die sich aus Kindern im Alter von zwei bis sechs Jahren zusammensetzen. Wegen des hohen Betreuungsaufwandes belegen die Kleinen gleich zwei Plätze bis sie drei Jahre alt sind.