Der Bürgermeister Dirk Bostelmann soll in Tostedt versucht haben, das Auslegen von Unterschriftenlisten gegen Kita-Bau zu verhindern.

Tostedt. Der Streit um den Kita-Neubau an der Dieckhofstraße nimmt inzwischen bizarre Züge an. Der Samtgemeindebürgermeister Dirk Bostelmann hat Geschäftsleute und Mediziner angeschrieben, die unter Umständen Unterschriftenlisten gegen den Kita-Neubau auslegen könnten. Der überparteiliche, gemeinnützige Verein Mehr Demokratie, der unter anderem Initiatoren von Bürgerbegehren berät, kritisiert die Vorgehensweise des Tostedter Samtgemeindebürgermeisters. Dies wirke wie der Versuch, das Auslegen von Unterschriftenlisten zu verhindern, so der Verein. Gestern hat Bostelmann bereits eingeräumt, "mit seiner Briefaktion möglicherweise über das Ziel hinausgeschossen zu sein".

Mit den erwähnten Unterschriftenlisten wehren sich die Initiatoren des Bürgerbegehrens gegen den Ratsbeschluss, eine neue Kita mit 30 Krippenplätzen und 60 Plätzen für Drei- bis Sechsjährige an der Dieckhofstraße zu errichten, weil sie das historische Ortsbild an dieser Stelle und die grüne Lunge von Tostedt in Gefahr sehen. Zudem befürchten sie, dass es dort zu einem Verkehrschaos kommt. Sie favorisieren einen Anbau an vorhandenen Einrichtungen in Neubaugebieten, etwa in Todtglüsingen.

Es entstand nun der Eindruck, der Samtgemeindebürgermeister Bostelmann wollte es gar nicht erst dazu kommen zu lassen, dass die Unterschriften ausliegen. Er hat Geschäftsleute und Ärzte darum gebeten, ihm Gelegenheit zu geben, die Sachverhalte darzustellen, bevor sie ihre Praxen und Geschäfte für Unterschriftenlisten zur Verfügung stellen. Wer die Listen für das Begehren bereits ausgelegt hatte, den schrieb Bostelmann mit folgenden Worten an: "Leider musste ich feststellen, dass Sie den Antragstellern (...) Ihr Geschäft bereits für die Auslage der Unterschriftenlisten zur Verfügung gestellt haben."

Rein juristisch sieht der Verein Mehr Demokratie keine Probleme. Politisch sei das Verfassen dieser Briefe mehr als fragwürdig. "Ein solcher Fall ist uns in unserer bisherigen Arbeit noch nicht begegnet", sagt Tim Weber, Landesgeschäftsführer von Mehr Demokratie in Bremen und Niedersachsen. "Wir sehen darin den Versuch, das Bürgerbegehren zu behindern. Ein Bürgerbegehren ist aber das demokratische Recht der Bürger. Wenn sie dieses Recht in Anspruch nehmen, sollte das von der Verwaltung unterstützt werden." Vorbildlich sei es, wenn die Verwaltung Unterschriftenlisten im Rathaus auslegen würde, so Weber.

Auch Tamara Boos-Wagner, die neben Nadja Weippert und Renate Weiß das Begehren initiiert hat, sagt: "Die Briefe zielen darauf ab, Geschäftsleute umzustimmen und dafür zu sorgen, dass sie die Unterschriftenlisten nicht auslegen."

Samtgemeindebürgermeister Dirk Bostelmann erklärt dazu gegenüber dem Abendblatt, dass er die Briefe zu einem Zeitpunkt nach der Veröffentlichung des Bürgerbegehrens versandt hatte, als lediglich die Argumente gegen den Kita-Bau bekannt gemacht worden seien. Diejenigen, die erwägen könnten, Unterschriftenlisten gegen den Kita-Bau auszulegen, habe er mit seinen Briefen bitten wollen, sich doch vorher über die Argumente für und gegen die Kita zu informieren. Er gibt aber zu: "Das hätte ich vielleicht nicht tun sollen, denn dadurch konnte der Eindruck entstehen, ich wollte dieses demokratische Instrument des Bürgerbegehrens behindern."

Doch ihm gehe es vielmehr um die jungen Familien, die ein Grundstück in Tostedt gekauft und ein Haus gebaut und noch lange finanzielle Lasten zu tragen hätten. "Um das zu schaffen, sind häufig zwei Elterneinkommen vonnöten. Wer sich für Kinder, also für die Zukunft unserer Gesellschaft, entschieden hat, ist auf gute, qualifizierte und verlässliche Kinderbetreuung angewiesen - und das möglichst bald." Aus dem ehrlichen Wunsch, möglichst viele Eltern bei ihrem schwierigen Spagat zwischen Familie und Beruf zu unterstützen, so Bostelmann, habe er einen Fehler gemacht.

Bostelmann weist auf den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz, der 2013 in Kraft tritt, hin. Mit den zwei Krippengruppen in der neuen Kita und zwei weiteren im Stocken sowie an der Triftstraße schafft die Samtgemeinde eine Betreuungsquote von rund 50 Prozent. Das entspreche, schätzt die Verwaltung, in etwa dem Bedarf. Bostelmann sagt, die Samtgemeinde schaffe deutlich mehr Plätze als die vorgeschriebene Quote, um Härtefälle und Schadensersatzklagen zu verhindern.

Inzwischen fühlt er sich im Streit um den Kita-Neubau persönlich angegriffen: "Da ich mehr und mehr in die Schusslinie gerate, möchte ich alle bitten, zwischen persönlichen Antipathien und den Wünschen und Nöten der jungen Eltern, die Kita-Plätze benötigen, eine Trennungslinie zu ziehen."