Der Jurist muss als Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Bundestagsfraktion die Mehrheiten für Angela Merkel organisieren.

Brackel. Michael Grosse-Brömer, seit Mai 2012 Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hat keine Angst vor Selbstironie und nach eigener Aussage einen "ganz guten Geschmack". Bei einer Tasse Tee spricht er über die Lust am Streiten und seine Leidenschaft am Spielfeldrand.

Abendblatt: Wie oft sind Sie zu Hause anzutreffen?

Michael Grosse-Brömer: Ich bin längst nicht mehr jedes Wochenende hier. An Wochenenden bin ich jetzt noch öfter auf Parteitagen, Konferenzen oder Klausurtagungen. Anfangs war ich als Bundestagsabgeordneter etwa die Hälfte des Jahres in Berlin, jetzt bin ich auch in den sitzungsfreien Wochen sehr häufig dort. Da gibt es Gesprächsbedarf der Fraktionsspitze und auch der Kanzlerin.

Zu welchen Anlässen kommen Sie in Ihren Wahlkreis?

Grosse-Brömer: Zu allen wichtigen Terminen außerhalb einer Sitzungswoche, zum Beispiel wenn ein Ortsverband einen Bericht aus Berlin hören möchte, informiert werden, kritisieren, vielleicht auch Anregungen geben will. Der Kontakt zur Basis und den Bürgerinnen und Bürgern in meinen Wahlkreis ist mir sehr wichtig.

Welche Themen sprechen Sie bei solchen Veranstaltungen an?

Grosse-Brömer: Ich versuche immer, kurz zu aktuellen Themen einzuleiten und dann zu diskutieren. Besser, die Leute können mich fragen, was sie interessiert, bevor ich denen erzähle, was sie nicht interessiert. Wer sich vorher die Tagesschau angeguckt hat oder ein Online-Informationsportal, der ist immer schon gut informiert. Aber mit mir kann man eben sprechen und diskutieren. Politik lebt auch vom Meinungsstreit. Ich will nicht sagen, ich streite mich gern. Aber ich diskutiere gern über Konzepte, über politische Ziele.

Sie haben Spaß am Streiten und Diskutieren. Steht das nicht in Widerspruch zu Ihrer Aufgabe, als Parlamentarischer Geschäftsführer vermittelnd zu wirken?

Grosse-Brömer: Ja, ich bin eigentlich ein sehr harmoniebedürftiger Mensch. Aber wer heute Politik macht, muss für seine Überzeugungen geradestehen. Das Wesen der Demokratie ist der Streit um die richtige Meinung. In Deutschland wird immer gedacht: Oh je, die streiten sich. Denn letztlich sind wir doch eine Konsensgesellschaft. Das finde ich im Prinzip auch nicht schlecht. Man darf sich nicht persönlich streiten. Aber in der Sache muss das möglich sein. Wenn einer eine andere Meinung hat, muss ich versuchen, ihm die Lage zu erklären.

Um am Ende ihre Meinung durchzusetzen?

Grosse-Brömer: Es ist in der Tat so: Als Geschäftsführer der Fraktion sollte ich diejenigen, die streiten möchten, überzeugen, damit sie sich doch zu einer gemeinschaftlichen Auffassung entschließen. Insofern möchte ich natürlich überzeugen oder zumindest zum Nachdenken anregen. Aber es ist nicht meine Auffassung von Meinungsaustausch, dass der andere mit seiner Meinung zu mir kommt und mit meiner Meinung wieder weggeht.

Es liegt Ihnen doch auch, Harmonie herzustellen . . .

Grosse-Brömer: Ich habe jedenfalls Spaß, mit Menschen umzugehen. Ich bin natürlich auch mal unleidlich. Aber im Grunde glaube ich, dass ich ganz umgänglich bin. Sonst hätten die Kollegen im Bundestag mich ja nicht mit 98 Prozent in diesen Job gewählt. Ob ich den Erwartungen gerecht werde, wird sich zeigen.

Meinen Sie selbst, dass Sie das bisher gut hinbekommen haben?

Grosse-Brömer: Jedenfalls höre ich dann und wann zustimmende Kommentare. Aber manches muss man auch neu lernen, zum Beispiel die stetige mediale Abfrage, auch durch Radio und Fernsehen Ein Jurist wie ich neigt ja dazu, die Sachen ein bisschen ausführlicher zu erklären. Was ich noch ein Stück weit lernen muss, ist, in der berühmten kurzen Frequenz pointierter zu formulieren, worum es mir geht.

Bekommen Sie manchmal Kritik von Ihrer Familie zu hören?

Grosse-Brömer: Das sind die Ehrlichsten überhaupt. Meine Frau ist immer geradeheraus und notfalls auch schmerzhaft ehrlich. Deswegen lege ich auf ihr Urteil sehr großen Wert. Meine Kinder sagen eher mal: Da im Fernsehen hast du aber einen komischen Anzug angehabt oder ein bisschen bieder gewirkt. Dann mache ich mir schon Gedanken, wie ich beim nächsten Mal rüberkomme.

Die ersten Reaktionen nach Ihrer Wahl waren: Das ist ein Unscheinbarer, der Mittelscheitel wurde oft erwähnt. Haben Sie versucht, etwas an ihrem Image zu ändern?

Grosse-Brömer: Nein, dazu bin ich auch zu alt. Ich kann und will mich nicht mehr neu gestalten. Man darf nicht glauben, man könnte sich durch neue Kleidung, eine neue Frisur, eine neue Brille - na, ja, die wird es irgendwann geben - vollständig neu erfinden. Die Leute würden das merken. Und authentisch zu sein, ist mir sehr wichtig. Deshalb bleibt alles wie es ist.

Was machen Sie, wenn Sie mal zu Hause sind?

Grosse-Brömer: Zurzeit freue ich mich einfach, wenn ich bei der Familie bin und mit meiner Frau einen Spaziergang machen, gemeinsam frühstücken kann. Meine Kinder sind in einem Alter, in dem sie froh sind, wenn der Vater nicht jeden Tag da ist, sondern nur ab und zu vorbeiguckt. Wir telefonieren jeden Tag. Aber wenn ich samstags mit dem Junior zum Fußball gehen kann, ist das schon was anderes. Wobei ich fürchterlich bin an der Seitenlinie, ich bin einer dieser besser wissenden Väter am Spielfeldrand.

Korrigieren Sie Ihren Sohn oder die Gegenspieler?

Grosse-Brömer: Beides, obwohl die ja alle viel besser spielen als ich selbst in dem Alter. Aber das vergisst man, weil man mit Herzblut dabei ist. Diese Leidenschaft muss man sich nicht nur in der Politik bewahren. Das Schöne am Sport ist ja, dass man mal richtig aus sich rausgehen kann. In der Politik geht das nicht immer so. Da bin ich immer eher dafür, einen sachlichen Ton zu wählen und nicht persönlich zu werden.

Zum Abschluss bitte Ihre Meinung zu drei Themen, die die Menschen in der Region bewegen. Viele empfinden die Schullandschaft als ein ziemliches Durcheinander. Ist die föderalistische Struktur noch zeitgemäß?

Grosse-Brömer: Ich würde mir mehr Ruhe in der Schulpolitik wünschen, da ist mir zu viel Ideologie im Spiel. Der Föderalismus hat sich vielfach bewährt. Ich finde es aber richtig, diese Struktur gerade im Bildungsbereich durchlässiger zu machen, wie zum Beispiel beim bundesweiten Abitur. Auch die Oberschule halte ich für einen echten Fortschritt.

Stichwort demografischer Wandel. Welche Ratschläge haben Sie an die Kommunen, wie diese sich darauf vorbereiten können?

Grosse-Brömer: Die schöne Tatsache, dass wir immer älter und fitter werden, ist eine der wichtigsten Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft. Deshalb führen wir in der Fraktion und führt die Bundesregierung einen engen Dialog mit Experten in diesem Bereich. Die Bundesregierung und auch die Fraktion haben eine Demografiestrategie entwickelt. Da geht es zum Beispiel um die ärztliche Versorgung und die Mobilität im ländlichen Raum, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das Ehrenamt. Dabei müssen wir nicht nur Ratschläge geben, sondern Strategien entwickeln und konkrete Unterstützung leisten. Wobei mein Wahlkreis angesichts seiner Nähe zu Hamburg diese Probleme erst verzögert und nicht so intensiv haben wird.

Die Krankenhäuser in der Region klagen, dass sie im Wettbewerb mit Hamburg eher Nachteile haben.

Grosse-Brömer: Wir haben im Vergleich zu anderen Landkreisen eine gute ärztliche Versorgung, die auch durch die Krankenhäuser im Landkreis gewährleistet wird. Dass es für das ein oder andere Krankenhaus nicht einfacher wird, ist bekannt. Ich bin aber überzeugt, dass die Krankenhäuser auch den Wettbewerb mit Hamburg bestehen werden. Die Bundesregierung arbeitet daran, dass die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum gewährleistet bleibt. Hier im Landkreis Harburg haben wir als Teil der Metropolregion Hamburg natürlich weniger Probleme als anderswo. Wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich jedenfalls niemals in die Großstadt ziehen.