Ab Januar werden rund 40 Geschäfte in der Harburger Innenstadt leer stehen. Phoenix-Center und hohe Mieten werden als Ursache genannt.

Harburg. Am Phoenix-Center scheiden sich die Geister, schon immer. Die Konsumenten sind vom Shopping-Paradies mit mehr als 100 Geschäften unter einem Dach in der Regel von jeher begeistert. Die Einzelhändler im Umfeld indes blieben skeptisch, von Beginn an. Diese Vorbehalte sind heute präsenter denn je. Kaum verwunderlich: Nach Abendblatt-Recherchen stehen in den wichtigsten Straßen rund ums Rathaus aktuell 30 Läden leer, bis zum Jahresende sind weitere neun Schließungen avisiert.

Vor diesem Hintergrund empfinden die Geschäftsleute in der City die nun von der Politik de facto durchgewunkene Erweiterung des Phoenix-Centers als zusätzliche Bedrohung. "Es ist kontraproduktiv, wenn Betreiber ECE das Phoenix-Center mit weiteren Läden stärken will und unsere Anstrengungen damit gefährdet", formulierte Peter Kowalsky, Manager des im Frühjahr ausgelaufenen Geschäftsentwicklungsprojekts Lüneburger Straße, kurz BID, in einem offenen Brief an Bezirkspolitiker, Bezirksamt und Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau unmissverständlich. Allein die Diskussion um die Erweiterung führe zu einer Wartehaltung bei Einzelhandelsunternehmen und schwäche mögliche Entwicklungspotenziale der Innenstadt.

Gedacht war das mal ganz anders. Im Bebauungsplan für das Phoenix-Center war vor zehn Jahren die Größe der Verkaufsfläche festgeschrieben worden - zum Schutz der Händler in Harburgs Innenstadt. Mit den Stimmen von SPD, CDU und Grünen hat der Stadtplanungsausschuss Harburg Ende November diese Beschränkung aber ausgehebelt, weil der geltende B-Plan nun geändert werden darf.

Wie bereits berichtet, will Center-Betreiber ECE durch Aufgabe von 270 Parkplätzen im Untergeschoss Großmietern wie Media Markt und Sinn Leffers mehr Platz anbieten sowie bis zu 15 zusätzliche Geschäfte ansiedeln. Aus momentan 26.500 Quadratmeter Verkaufsfläche sollen nach dem Umbau mehr als 29.000 werden. "Das erschwert unsere Bemühungen zusätzlich, weil Einzelhändler nun nicht mehr auf die Revitalisierung der Innenstadt bauen, sondern sich eher für den Einzug ins Phoenix-Center entscheiden", so Kowalsky.

Dass in diesem Jahr so viele Geschäfte aufgegeben haben, hat indes noch andere Ursachen. "Dass angesichts der bekannten Probleme für Einzelhändler in der Innenstadt die Ladenmieten trotzdem immer weiter steigen, ist nicht nachvollziehbar. Was da teilweise gefordert wird, ist in Harburg einfach nicht zu erwirtschaften", sagte Gisela Sellis dem Abendblatt. Nach 40 Jahren hat die 67-Jährige am vergangenen Wochenende das Traditionsgeschäft Kia-Moden in der Neuen Straße für immer geschlossen.

Auch City-Manager Matthias Heckmann sieht die Mietforderungen einiger Immobilienbesitzer kritisch: "Da gibt es Forderungen weit jenseits von 30 Euro pro Quadratmeter, die ich für überzogen und unrealistisch halte." Das könnte unter anderem daran liegen, dass eine steigende Zahl von City-Immobilien gar nicht mehr im Besitz von Harburgern ist, sondern inzwischen von Fondgesellschaften in Dänemark und Luxemburg gemanagt werden. Verstärkt wird der Negativtrend noch dadurch, dass namhafte Filialisten wie Douglas die Innenstadt nicht nur verlassen, sondern, wie in diesem Fall, gleich das ganze Gebäude in der Lüneburger Straße zum Verkauf steht.

Von Ladenschließungen ist auch das Einkaufszentrum Harburg Arcaden betroffen. Nach Abendblatt-Recherchen stehen zwei Areale im stark frequentierten Erdgeschoss bereits seit Monaten leer. Jetzt haben zwei weitere Geschäfte - das Eye House und Final Cut - ihre Aufgabe angekündigt. Hinzu kommen noch ProBaby im Ober- und Schuh-Geiz im Untergeschoss.

Und auch die beliebte Depot-Filiale wird Ende Januar dichtmachen. Das Aus war ursprünglich schon für Ende September avisiert, weil ein Umzug ins Phoenix-Center angestrebt wurde. Er scheiterte aber, da die gewünschten Flächen bis dato nicht zur Verfügung stehen. Mit Blick aufs Weihnachtsgeschäft verschob die Unternehmensleitung daraufhin die Schließung ins neue Jahr. Center-Managerin Angelika Assenmacher wollte sich zur aktuellen Situation trotz mehrfacher Nachfrage nicht äußern.

Eine weitere schwere Hypothek ist, dass noch immer eine attraktive Verbindung zwischen Phoenix-Center und der Innenstadt fehlt. Die Bauarbeiten an der als "Schmuddeltunnel" verschrienen Seevepassage sind zwar jetzt aufgenommen worden. Doch oben schreckt auch das noch immer dahinrottende Harburg-Center potenzielle "Shopping-Pendler" weiter ab.

Derweil rumort es auch im großen Karstadt-Haus am Schlossmühlendamm. So bietet die Gardinenabteilung nur noch Restbestände, sie wird demnächst ganz verschwinden. "Wir planen fürs erste Halbjahr 2013 eine neue Sortimentsstruktur für unser Haus. Dazu gehört, dass einige Abteilungen völlig aufgelöst werden, wir uns auf bestimmte Segmente und Branchen konzentrieren werden", sagte Manager Thomas Diebold. Dafür werde im Unternehmen "viel Geld in die Hand" genommen.

Das Aufbegehren gegen die Erweiterung des Phoenix-Centers hält er indes für nicht zielführend: "Alles, was den Standort stärkt, ist erst einmal gut für Harburg." Diese Aussage überrascht nicht: Als Geschäftsführer leitet Diebold auch den Ableger Karstadt Sport - und der residiert im Phoenix-Center.