Geschäfte nutzen Grauzone. Superintendent Jäger lehnt Ausweitung ab. Wirtschaftsvertreter befürchtet Erbsenzählerei.

Buchholz. Hingucken oder wegsehen? Diese Frage stellt sich zwangsläufig angesichts der ungewöhnlichen Öffnungszeiten von zwei Lebensmittelläden im Buchholzer Süden. Wie das Abendblatt berichtete, haben Heinz-Ulrich Schreiber in Sprötze und Ralf Lorenz in Holm-Seppensen auch sonntags von 8 bis 11 Uhr beziehungsweise bis 12 Uhr geöffnet. Obwohl ihre Geschäfte laut eigener Aussage kleiner als 800 Quadratmeter sind und damit die Vorgabe des Niedersächsischen Gesetzes über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten erfüllen, fällt ihr Vorgehen vor allem mit Blick auf die parallelen Gottesdienstzeiten in eine gewisse Grauzone.

Für Wolfgang Schnitter, Erster Vorsitzender des Wirtschafts- und Gewerbeverbands im Landkreis Harburg, ist genau diese Grauzone der Grund, warum er nur schwer die Anfrage der SPD an die Stadt nachvollziehen kann. Sie hatte das Thema überhaupt erst losgetreten - in Schnitters Augen vollkommen ohne Not. "Ich weiß nicht, wem man damit etwas Gutes tun will." Dass die beiden Läden sonntags öffnen, sei seit Jahrzehnten gängige Praxis, die keinen störe. Jetzt befürchtet Schnitter, dass die "Erbsenzählerei" beginnt.

"Die kleineren Geschäfte haben einen Vorteil, wenn sie am Sonntag für ein paar Stunden öffnen", sagt er. Warum wolle man ihnen diesen Vorteil gegenüber den großen Einkaufszentren nehmen? Weiteren Liberalisierungsbemühungen erteilt Schnitter jedoch eine klare Absage. Die Regelungen der begrenzten Öffnungszeiten hält er für einen guten Schutz der kleineren Betriebe, die ihre Angestellten nicht einfach so flexibel im Schichtsystem arbeiten lassen können wie die großen.

Zumindest in dieser Hinsicht dürfte Schnitter dem Superintendenten des Kirchenkreises Hittfeld, Dirk Jäger, aus dem Herzen sprechen. "Die wichtigste Frage ist, was wir verlieren, wenn wir mit dem arbeitsfreien Sonntag nicht einen gemeinschaftlichen Freiraum behalten", sagt Jäger. Die völlige Freigabe der Ladenöffnungszeiten werde oft als besondere Errungenschaft angesehen. Er ist jedoch vom Gegenteil überzeugt. Eine Freigabe wäre ein Rückschritt, der Mensch würde auf seine Rolle als Verbraucher reduziert werden.

Soziale, sportliche oder auch kirchliche Veranstaltungen würden so zunehmend erschwert werden. "Familienfreundlich kann man es nicht nennen, wenn Eltern sonntags im Geschäft stehen und ihre Kinder allein auf den Fußballplatz müssen." Vor dem Hintergrund der Regelungen in Sprötze und Holm-Seppensen betont Jäger, dass es ihm nicht um diese oder jene Einzelfallregelung gehe. Auch stünde nicht die Sicherung der kirchlichen Interessen im Vordergrund. Vielmehr will sich der Superintendent für ein wachsendes Bewusstsein dafür einsetzen, dass der arbeitsfreie Sonntag ein wichtiges Kulturgut ist und bleiben sollte.

Forderungen an die Stadt Buchholz, dass sie die zwei Läden nun überprüfen solle, werde es vonseiten der Kirche jedenfalls nicht geben. "Das ist Sache der zuständigen Behörden, die sich dabei an gültiges Recht zu halten haben." Es sei nicht akzeptabel, wenn möglicherweise zu Unrecht bestehende Ausnahmen als Anlass zur Ausweitung der Öffnungszeiten dienen würden.

Wilfried Geiger, Bürgermeister der Stadt Buchholz, betrachtet die ganze Sache eher von der lockeren Seite. "Wir sehen keinen Handlungsbedarf", sagt er. Die Situation in Sprötze und Holm-Seppensen sei vielen Bürgern seit Jahrzehnten bekannt, und nun habe jemand mal wieder nachgefragt. Er wolle den Ärger vor Ort nicht erleben, wenn die beiden Läden tatsächlich schließen müssten. Buchholz habe andere Sorgen - zumal die Stadt an den generellen Regelungen der Öffnungszeiten gar nicht beteiligt sei, weil diese in die Zuständigkeit des Landes fallen.

Ob die Verwaltung tatsächlich so leicht aus dem Schneider ist, dürfte fraglich sein. SPD-Ratsherr und Antragsteller Frank Piwecki denkt gar nicht daran, die Sache einfach so ruhen zu lassen. "Es ist eine Verletzung der gültigen Regelung." Allein schon, dass das Geschäft in Holm-Seppensen vier Stunden statt der erlaubten drei geöffnet habe, könne nicht angehen. Auch sei eine Öffnung während der Gottesdienstzeiten nicht erlaubt. "Buchholz nennt sich ja Einkaufsstadt", sagt er. "Was ist denn, wenn nun jeder sagt, er öffnet jetzt auch am Sonntag?"

Als Vorsitzender des Wirtschafts- und Sozialausschusses sei es seine Pflicht, auch mit Blick auf den Arbeitsschutz auf Verstöße hinzuweisen, meint Piwecki. Er werde beim Bürgermeister erneut nachfragen, was die Stadt gegen den permanenten Rechtsbruch unternehme. "Wenn nichts passiert, kann man das ganze Gesetz in die Tonne kloppen." Aus seiner Sicht gibt es eine Alternative: Wenn Buchholz Sonderregelugen wolle, könne man ja versuchen, sich als Ausflugsort in der Nordheide anerkennen zu lassen.