Wilhelmsburger Berufsschüler machen Aids zum Projektthema. Mit einem Erkrankten sprachen sie über Vorurteile und mangelnde Aufklärung.

Wilhelmsburg. Stefan F. war Geschäftsmann. Früher ist der Enddreißiger gern und viel gereist, doch dann erkrankte er an Aids. Seinen Beruf musste er aufgeben. Im Rahmen eines Zeitungsprojekts der Wilhelmsburger Staatlichen Schule Gesundheitspflege W4 in Kooperation mit dem Hamburger Abendblatt gab er zwei Schülerinnen ein Interview.

Wann und wie haben Sie sich mit HIV infiziert?

Stefan F.: Für mich ist es nicht ganz klar, wann und wie ich mich angesteckt habe. 2001 war ich in einer festen Beziehung, in der wir zu dem Entschluss kamen, auf Kondome zu verzichten. Da ich meinem damaligen Partner vertraute, ließ ich mich darauf ein. Einige Zeit später erhielt ich die Nachricht, dass mein damaliger Partner an Aids erkrankt war. Mein darauf folgender HIV-Test war zunächst negativ, jedoch erkrankte ich fünf Jahre später schwer an einer Krebsform, die eine Folgeerscheinung von Aids ist. Dadurch erfuhr ich auch von meiner Aids-Erkrankung.

Wie hat Ihr Umfeld auf die Erkrankung reagiert?

Stefan F.: Ich spreche inzwischen nur noch mit Menschen über meine Krankheit, von denen ich glaube, dass sie damit gut umgehen können. Mein direktes Umfeld hat bisher gefasst und angemessen reagiert. Meine Mutter war die Erste, der ich davon erzählte, da sie sich in der Anfangszeit sehr um mich kümmern musste. Bis heute habe ich noch nicht jedem aus meinem Umfeld von meiner Erkrankung erzählt.

Wie gehen Sie selbst mit der Erkrankung um?

Stefan F.: Ich war schon immer ein Mensch mit überstarkem Gerechtigkeitssinn für mich und andere. Als ich von der Erkrankung erfahren habe, habe ich eine Art Anfangsoffensive gestartet und mit vielen Menschen gesprochen. Ich habe auch viel Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Daraus resultierte jedoch eine enorme Abneigungshaltung gegen mich. Diese äußerte sich in Lästern und Tuscheln auf der Straße, aber auch in extremeren Beschimpfungen wie "Ey, du bist doch der Aidskranke!" Seitdem gehe ich viel bewusster und zurückhaltender mit meiner Krankheit um.

Aidskranke Menschen sehen sich mit vielen Vorurteilen konfrontiert.

Stefan F.: Ja, Vorurteile gibt es, und das nicht zu selten. Man wird leider immer noch stigmatisiert und in eine Schublade gesteckt. Da HIV ein sexuell übertragbarer Erreger ist, sind die ersten Gedanke meist: "Der hat doch selbst Schuld" und "So was passiert mir sowieso nicht." Auch Ärzte, insbesondere Zahnärzte, zeigen häufig sehr negative Reaktionen, die stark von Unwissenheit und Vorurteilen geprägt sind.

Was ließe sich aus Ihrer Sicht im Umgang mit HIV-positiven Menschen verbessern?

Stefan F.: Leider leben zu viele Menschen nach der Devise "Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß". Aids ist jedoch keine Schichtenerkrankung, es betrifft jeden. Ein normaler, respektvoller Umgang und weniger Stigmatisierung wären wünschenswert. Lieber helfen statt verurteilen.

Wie gut ist aus Ihrer Sicht die heutige Aufklärung über HIV und Aids?

Stefan F.: Solange homophobe Vorurteile bestehen, können auch die Vorurteile in Sachen HIV und Aids nicht aus der Welt geschaffen werden. Durch vermeintliche Möglichkeiten in Form von neuen Therapien werden viele Menschen sogar nachlässiger, obwohl es sich nach wie vor um eine unheilbare und somit tödlich verlaufende Krankheit handelt. Wünschenswert wäre eine bessere Aufklärung, insbesondere über die Übertragungswege und die extremen Auswirkungen auf das weitere soziale Leben Betroffener, das von Einschränkungen geprägt ist. Man sollte das Thema endlich enttabuisieren. Schön wäre eine zeitgemäßere Öffentlichkeitsarbeit, zum Beispiel in Form von Soaps, kurzen Werbetrailern oder einem kompletten Film über HIV und Aids.

Wie sieht Ihre berufliche Perspektive seit Ihrer Erkrankung aus?

Stefan F.: Leider bin ich durch die Nebenwirkungen der Medikamente sehr eingeschränkt. Hinzu kommt, dass ich nun bereits fünf Jahre aus dem Arbeitsleben raus bin. Probleme beispielsweise mit Ämtern oder dem Vermietern machen es nicht leichter. Momentan absolviere ich ein Praktikum und hoffe, dass sich daraus bald mehr ergibt.

Bewerten Sie die Aufmerksamkeit, die der Krankheit durch den Welt-Aids-Tag geschenkt wird, als positiv oder negativ?

Stefan F.: Ich sehe das etwas zwiegespalten. Einerseits finde ich es sehr gut, dass dadurch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das Thema gelenkt wird und somit auch der Versuch gestartet wird, Vorurteile abzubauen. Andererseits wäre es wünschenswert, die Menschen nicht nur einmal im Jahr durch diesen Tag zu einem schlechten Gewissen und somit zum Spenden zu bewegen, sondern durch mehrere ähnliche Events über das gesamte Jahr verteilt die Situation präsenter zu gestalten.