50 Teilnehmer trafen sich bei einer Open-Space-Veranstaltung. Sie wollen Rechtsextremen etwas Positives entgegensetzen.

Tostedt. "Wir dürfen den Neonazis nicht das Feld überlassen und treten ein für ein lebenswertes, buntes und junges Tostedt!" Das ist eine der Kernbotschaften, die 50 Teilnehmer einer sogenannten Open-Space-Veranstaltung in der Hauptschule Tostedt am Sonnabend formuliert haben. Eingeladen hatte das Tostedter Forum für Zivilcourage. Es stand unter dem Motto: "Tostedt: bunt oder braun? Was wollt ihr? Und wie?"

Open Space heißt auf Deutsch offener Raum. Das besondere an der Veranstaltung: Sie ist nicht strukturiert. Die Teilnehmer entwickeln ihre Themen selbst und diskutieren sie dann in Gruppen. Jeder kann das Thema einbringen, das ihm am Herzen liegt.

Im Mittelpunkt stand das Thema Rechtsextremismus. Denn ein Auslöser des siebenstündigen Treffens war ein Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom Januar dieses Jahres. Das Gericht hatte in letzter Instanz ein Urteil des Landgerichts Stade gegen den Tostedter Rechtsextremisten Stefan Silar und ein Strafverfahren wegen des Vorwurfs des Landfriedensbruchs aufgehoben. Damit darf der Neonazi seinen rechten Szeneladen "Streetwear" im Tostedter Ortsteil Todtglüsingen weiterbetreiben. Dagegen hatten Anfang Februar mehr als 1000 Frauen und Männer aus Tostedt und Umgebung unter dem Motto "Tostedt steht auf" demonstriert.

"Die rechtsextreme Szene in der Samtgemeinde Tostedt umfasst rund 30 Personen im Alter von 16 bis 40 Jahren", sagte der Gymnasiallehrer Ulrich Graß, 56, vom Forum für Zivilcourage am Sonnabend. "Dazu kommen noch mindestens 20 Sympathisanten."

Der Neonazi Stefan Silar sei "ein Aushängeschild für die norddeutsche rechtsextreme Szene". Deshalb gebe es Handlungsbedarf in Tostedt. "Silars Laden ist leider ein Anziehungspunkt für Jugendliche", sagte Ulrich Graß. Im Laden soll ein Fußballkicker stehen; auch kostenlose Hausaufgabenhilfe soll angeboten werden. Die rechtsextreme Szene wende sich mittlerweile schon an Schüler ab der sechsten Klasse.

"Zurzeit treten rechtsextreme Haltungen am stärksten an den beiden Tostedter Realschulen auf", so Graß. "Die rechte Szene in der Samtgemeinde ist momentan aber relativ ruhig und abgetaucht. Dennoch ist sie sehr gut organisiert. Wir dürfen den Neonazis nicht das Feld überlassen und müssen ihnen etwas Positives entgegensetzen."

Die Demonstration im Februar habe "sehr viel Mut gemacht", sagte Bürgermeister Gerhard Netzel (SPD). "Wir wollen diesen Schwung weiterführen und darüber nachdenken, wie man dem rechten Image etwas Buntes und Demokratisches entgegenstellen kann", so der 62-Jährige. "Ich bin froh darüber, dass es in Tostedt schon jetzt so viel demokratisches Engagement gibt. Die meisten Besucher des Szeneladens kommen von außerhalb."

Mehrere Arbeitsgruppen der Open-Space-Veranstaltung thematisierten die Jugendarbeit. Einhelliger Tenor: "Tostedt braucht wieder eine funktionierende Jugendarbeit. Es ist höchste Zeit für einen Neuanfang." Deshalb müsse die Samtgemeinde einen Jugendpfleger einstellen, der die Jugendarbeit vorantreibt und vernetzt. Der Jugendpfleger soll "das Gesicht" der künftigen Jugendarbeit werden. Ein Kreis Jugendlicher, der allen Interessierten offen steht, soll zudem Vorstellungen zur künftigen Jugendarbeit entwickeln und an die Politik herantragen.

Eine weitere Arbeitsgruppe will eine Internetseite als Informations- und Diskussionsplattform von Jugendlichen für Jugendliche neugestalten.

Ein wichtiges Thema war die Planung eines "Hauses der Begegnung" in Tostedt. Es solle Treffpunkt für alle sein, von der Krabbelgruppe bis zum Seniorentreff, forderten Teilnehmer. So ein Haus könne das Gespräch zwischen den Generationen und die kulturelle Vielfalt in Tostedt voranbringen.

Eine Gruppe plädierte dafür, eine Kontaktstelle für bürgerschaftliche Hilfe zu schaffen. Diese Kontaktbörse soll Ehrenamtliche unterstützen und Hilfesuchenden als Anlaufstelle dienen. Um die Demokratie in Tostedt zu fördern, schlugen die Mitglieder einer Gruppe vor, ein Bürgercafé zu schaffen. Hier sollen sich Bürger und Politiker "auf Augenhöhe begegnen" und über aktuelle politische Fragen diskutieren - in lockerer Form und angenehmer Atmosphäre. Tostedt brauche "mehr direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung", lautete eine Forderung.

In zwei Gruppen wurde auch über Vorurteile und Mobbing diskutiert. Teilnehmer regten an, an den vier Tostedter Schulen schulübergreifende Arbeitsgemeinschaften einzurichten, um gegenseitige Vorurteile bei Schülern und Lehrern abzubauen.