Gemeinsam Spuren lesen und am Lagerfeuer sitzen: Der Pfadfinderstamm Orion besteht seit 50 Jahren, Nachwuchsmangel gibt es nicht.

Harburg. Seit einem halben Jahrhundert steht der Harburger Pfadfinderstamm Orion für selbstbestimmtes Leben, einen nachhaltigen Umgang mit der Natur und Traditionsbewusstsein. Fernseher, Handy und Internet gehören nicht ins Pfadfindergepäck. Muttis Küche wird eingetauscht gegen Brutzeln auf offenem Feuer und der Waldboden wird zum Bett.

"Das sind Erlebnisse, die man woanders nicht hat, echtes Abenteuer eben", sagt der Wölfling - so die Bezeichnung für einen Jungpfadfinder - Jo Dalhoff. Mit einem Rucksack unterwegs sein, in der Wildnis schlafen, für das Lager und das Feuer Verantwortung tragen, das präge junge Menschen in besonderer Form, sagt sein Gruppenleiter, Sippenführer Felix Ogan. "Dabei lernen die Kinder, dass sie sich auf einander verlassen müssen und können. Die Freundschaften, die daraus entstehen, halten häufig lange über die aktive Pfadfinderzeit hinaus", sagt er weiter.

Los ging es für die Pfadfinder in Harburg 1961 mit einer Klassenfahrt des Lehrers Erich Meier vom späteren Friedrich-Ebert-Gymnasium. Der besonders naturverbundene Pädagoge fuhr mit einer reinen Jungenklasse in die Nähe von Hanstedt und veranstaltete dort ein Sommerlager. Er begeisterte seine Schüler so sehr vom Leben in der Natur, dass sie nur ein Jahr später offiziell den Pfadfinderstamm gründeten. So steht es in der alten Chronik des Stammes Orion, der in diesem Jahr 50 Jahre alt wird. Als Meier 1967 sein Amt als Stammesführer niederlegte, wechselte die Verantwortung an seine Schüler und somit in die Hand von jungen Erwachsenen. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Mit 23 Jahren ist Janos Katein der älteste aktive Pfadfinder und gleichzeitig der aktuelle Stammesführer. Er sagt: "Selbstbestimmtes Handeln ist unser wichtigstes Anliegen. Wir haben viele Ehemalige im Hintergrund, die beratend zur Seite stehen. Entscheidungen werden aber im Sippenführerkreis getroffen. Die Verantwortung tragen deshalb alleine die aktiven Mitglieder." Ihr Konzept sähe vor, Kinder in ihrer Entwicklung zu selbstständigen jungen Erwachsene zu begleiten, so das Stammesoberhaupt. Der Pfadfinder-Nachwuchs bei Orion ist in fünf Gruppen - die Sippen - zu je sechs bis sieben Sipplingen nach Alter eingeteilt. Die Sippe Lupus von Felix Ogan besteht in ihrem dritten Jahr. Die so genannten Jung-Wölfe sind zwischen zehn und zwölf Jahre alt. Zwei von ihnen tragen schon das orangefarbene Halstuch - ein Zeichen für besonderes Verantwortungsbewusstsein. Die Halstuchträger dürfen sich dann auch Wölflinge nennen.

Auf ihren Heimabenden, so nennen sie ihr wöchentliches Treffen, wird gewerkelt, getobt und musiziert. Auch die Fahrtenvorbereitung kommt nicht zu kurz. Utensilien wie Trinkgefäße aus Kokosnüssen werden gebaut oder gelernt, wie man Feuer mit nur einem Streichholz entzündet. Einmal im Monat fahren sie dann für mindestens ein Wochenende zum Wandern und Zelten in das Harburger Umland nach Rosengarten, in die Göhrde oder die Lüneburger Heide. Der Höhepunkt des Jahres ist die Großfahrt in den Sommerferien. Dann geht es zwei bis drei Wochen ins Ausland. In die Vogesen im Elsass, in die Highlands nach Schottland oder zu den Seen Skandinaviens. Sippe Lupus war gerade in Schweden. Das war ein einmaliges Erlebnis, da sind sich alle einig. "Wir haben sogar Elche gesehen", sagt Wölfling Jo Dalhoff.

Traditionelle Fahrtenweise ist den Orionern wichtig. Darin unterschieden sie sich auch von vielen anderen Pfadfinderstämmen, sagt Janos Katein. "Wir wollen unterwegs bewusst minimalistisch leben, ohne Gaskocher, ohne Taschenlampe und ohne festen Lagerplatz. Das Wandern steht bei uns im Vordergrund - frei und ungebunden sein mit unseren Habseligkeiten auf dem Rücken." Der bewusste Umgang mit der Natur sei dabei selbstverständlich. Sie wollten von unterwegs nur Erinnerungen mitnehmen und nichts als Fußspuren im Sand hinterlassen.

Organisiert ist Stamm Orion im Pfadfinderbund Nord (PBN). Der richtet auch die Lehrgänge aus, auf denen angehende Sippenführer ihr Handwerk und Verantwortung lernen. In insgesamt drei Wochen werden hier Orientierung in der Wildnis, Sozialverhalten bei Jugendlichen und ausführliche Erste Hilfe behandelt. Nach der bestandenen Prüfung wird die Ausbildung mit der Jugendgruppenleiterkarte ausgezeichnet. Stammesführer Janos Katein sagt: "Wenn junge Sipplinge bei uns mit neun oder zehn Jahren anfangen und sieben oder acht Jahre später selber eine Gruppe aufmachen, dann haben wir eine ihrer wichtigsten Entwicklungsphasen mitgeprägt. Dabei entstehen Erinnerungen, die auch die kommenden 50 Jahren überdauern werden."