Klaus Brahm versucht, sein Elternhaus zum Schnäppchenpreis zu verkaufen. Wir haben uns die Immobilie mal angesehen.

Amt Neuhaus. Wer in Hamburg ein gebrauchtes Eigenheim mit rund 100 Quadratmetern Wohnfläche kaufen möchte, zahlt dafür laut LBS-Immobilienmarktatlas 2012 derzeit durchschnittlich 269 200 Euro. Im Umland liegt der mittlere Verkaufspreis bei 157 100 Euro. Doch es geht auch günstiger. In Niedersachsen gibt es viele Häuser mit Vergangenheit schon für weniger als 50 000 Euro.

"Mit ein bisschen Geschick lässt sich aus diesem Haus ein richtiges Schmuckstück machen", sagt Klaus Brahm und zeigt auf ein Fachwerkständergebäude aus dem Jahr 1910. Seit drei Monaten versucht er, das einstige Zuhause seiner Eltern zu verkaufen. 45 000 Euro möchte er von den künftigen Eigentümern dafür haben. Ein richtiges Schnäppchen also?

"Ein so niedriger Preis hat meistens Gründe. Und damit ist nicht nur die Lage gemeint, sondern auch der Zustand oder andere Besonderheiten", sagt Peter-Georg Wagner, Pressesprecher des Immobilienverbandes Nord (IVD). "Solche Objekte sind beispielsweise oft mit Erbpacht- oder Altenteilerverträgen belegt und werden von Maklern gern auch als handwerkerfreundliche Häuser deklariert. Ein bezugsfertiges, vernünftiges Haus gibt es selbst in den Randlagen nicht unter 100 000 Euro."

Und auch Klaus Brahm räumt ein: "Wer glaubt, dass er für diese fünfstellige Summe ein Haus bekommt, in das er schon morgen einziehen kann, den müssen wir leider enttäuschen." Denn die Immobilie mit den dreieinhalb Zimmern und einer Wohnfläche von geschätzten 100 Quadratmetern entspricht nicht den modernen Standards.

Zwar gibt es eine relativ neue Gasheizungsanlage, und im Erdgeschoss des barrierefreien Wohnhauses stehen zwei alte Kachelöfen, von denen einer sofort in Betrieb genommen werden könnte. Das Dach wurde außerdem vor sieben Jahren neu mit Tonpfannen eingedeckt, und der Dachboden mit einer Fläche von geschätzten 100 Quadratmetern ist vollkommen unverbaut.

Die Räume an sich sind allerdings alle renovierungs- und zum Teil sogar sanierungsbedürftig. Die Strom- und Wasserleitungen liegen über Putz. Die Tapeten und Bodenbeläge sind unansehnlich und selbst für Freunde des Retro-Looks nicht mehr zu gebrauchen. Das Badezimmer besitzt lediglich eine Dusche, dafür aber eine Tür zum Garten. Die Zimmertüren müssten ebenfalls ausgetauscht werden, und die Aufteilung der Räume ist ebenfalls alles andere als optimal. Immerhin: Die Fenster haben bereits eine Zweifach-Verglasung und unter Teppich und PVC-Belag liegen gut erhaltene Holzdielen. Auch die angrenzende Scheune könnte mit wenig Aufwand als zusätzlicher Wohn- und Arbeitsraum genutzt werden.

Wer Wert auf ein großes Grundstück legt, dem stünden als Käufer des Fachwerkhauses in Pinnau etwa 1300 Quadratmeter mit Vorgarten und einem ruhig gelegenen Hinterhof mit altem Baumbestand und Heckeneinfassung zur Verfügung. Eine angrenzende, 2000 Quadratmeter große Grünfläche könnte der neue Eigentümer gegebenenfalls von der Gemeinde pachten oder kaufen. Zum aktuellen Bestand gehören eine alte Waschküche, eine Garage, ein kleiner Kuhstall und eine Kornspeicherkammer. Das Grundstück selbst grenzt an einen Wald, der zum Naturpark Elbtalaue gehört. Der Ort Pinnau im Amt Neuhaus gehört zum Kreis Lüneburg und hat 80 Einwohner. Schule, Kindergarten und Krippe befinden sich im Nachbarort, etwa drei Kilometer entfernt. Die nächsten größeren Städte sind Dömitz und Dannenberg. Hamburg liegt etwa 120 Kilometer entfernt und kann mit der Bahn in einer Stunde, per Auto in eineinhalb Stunden erreicht werden.

"Bisher waren 30 Interessenten bei uns. Dazu gehörten Rentner, aber auch junge Familien, die ein Ferienhaus oder ein neues Zuhause auf dem Land suchen. Die meisten kamen übrigens aus Hamburg. Und fast alle waren total begeistert." Gefühlt hat Klaus Brahm das Haus bereits 30-mal verkauft. "Jedes Mal haben wir gedacht: Die sind's." Doch nach einer kurzen Bedenkzeit sagten alle ab. Einigen war die Elbe mit einer Entfernung von vier Kilometern Luftlinie zu dicht am Haus, anderen war sie zu weit weg. Ein Paar, das sich die Mühe gemacht hatte, alle Räume Zentimeter für Zentimeter genau auszumessen, weil von dem Haus kein Bauplan existiert, erhielt keinen Kredit von der Bank. "Es ist selbst bei so einem niedrigen Preis wirklich schwer, ein Haus zu verkaufen", sagt der 62-Jährige.

Dabei finden Immobilienkäufer derzeit dank des historisch niedrigen Zinsniveaus fast überall günstige Kaufbedingungen vor. Auch Durchschnittsverdiener sind in fast allen Landkreisen und sogar in vielen kreisfreien Städten finanziell in der Lage, ihren Traum von den eigenen vier Wänden zu verwirklichen. "Natürlich können nicht alle in der Schanze wohnen oder vom Süllberg blicken. Und der Run auf das Betongeld lässt sich nicht kleinreden. Aber auch in Randlagen gibt es durchaus noch attraktiven, bezahlbaren Wohnraum", sagt Peter-Georg Wagner vom IVD Nord. "Beim Kauf einer Bestandsimmobilie raten wir unseren Kunden allerdings immer, einen Bausachverständigen ins Boot zu holen, um keine bösen Überraschungen zu erleben."

Renovierungsarbeiten bei einem Schnäppchenhaus könnten zwar mit neuen Fenstern, einem neuen Dach und neuer Elektrik bereits getan sein. "Und selbst eine energetische Modernisierung kann sich bei einem Hauskauf im fünfstelligen Bereich sogar noch lohnen. Aber der Käufer sollte immer auch überlegen, was Abriss und Neubau kosten würde. Denn oft entspricht der Kaufpreis für Haus und Grund dem des ortsüblichen Grundstückspreises. Das Haus gibt es quasi geschenkt mit dazu."