Kulturwerkstatt sammelt Vorschläge von Bürgern für die Nutzung des Harburger Kanalplatz und will bei Bezirksamt Petition einreichen.

Harburg. Freier Blick aufs Wasser oder Sicherheit geht vor? Diese Frage entzweit in Harburg derzeit die Verantwortlichen des Bezirksamts und Vertreter der Kulturwerkstatt sowie viele Bürger. Seit bekannt wurde, dass am Kanalplatz ein etwa ein Meter hohes Geländer - und nicht ein Zaun, wie es in der Diskussion zuvor hieß - entstehen soll, ist die Aufregung groß.

Die Gegner halten das Vorhaben für Unsinn und verweisen beispielsweise auf die Hamburger Landungsbrücken, wo es ebenfalls keine Absperrungen gibt. Das Bezirksamt hingegen erklärt, dass ein Schutzgeländer aus Sicherheitsgründen schlichtweg notwendig ist. Um die Argumente für und wider einmal geordnet abzuwägen, hat die Kulturwerkstatt gestern zu einem Hafenfrühstück eingeladen.

+++ Der historische Kanalplatz bekommt einen Zaun +++

Dabei machte Gorch von Blomberg von der Kulturwerkstatt den rund 50 Anwesenden klar, dass es ihm bei der Veranstaltung vor allem um eine neutrale Debatte gehe. Er selbst habe anfangs sehr emotional gegen die Pläne protestiert, gab er selbstkritisch zu. Das habe der Sache an sich nicht gutgetan. Um sachliche Argumente gegen ein Geländer zu sammeln, präsentierte er deshalb zunächst einige Beispiele aus anderen Städten wie Stralsund, Bremerhaven, Stade oder Münster. Dort gibt es ebenfalls Häfen und Wasser, aber kein Geländer, sondern entweder gar keine Absperrungen oder andere Lösungen wie etwa in kleinen Abständen zueinander aufgestellte Quader, auf die sich Spaziergänger setzen können.

"Was erwarten Sie, was wünschen Sie?", fragte von Blomberg dann direkt die Besucher, die sogleich die unterschiedlichsten Meinungen vortrugen. Frank Wiesner, Bürgerschaftsabgeordneter der SPD, mahnte beispielsweise an, bei der ganzen Diskussion nicht zu vergessen, dass das Geländer lediglich etwa ein Meter hoch sein werde. Er habe zunächst ebenfalls gedacht, dass es Quatsch sei, "aber ein Geländer ist nun mal Vorschrift".

Hier widersprach Reiner Schendel von der Kulturwerkstatt. "Es gibt gar keine derartige Verordnung", erklärte er. Er habe sich informiert und erfahren, dass das Bezirksamt die Bauordnung nur hilfsweise herangezogen habe. "Es geht lediglich um die Verkehrssicherungspflicht." Zur Erklärung: Der Binnenhafen fällt seit Januar 2011, als er offiziell aus dem Hamburger Hafengebiet entlassen wurde, in die Zuständigkeit des Bezirksamts. Zuvor war die Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA) verantwortlich. Erst seitdem gilt im Binnenhafen die kommunale Verkehrssicherungspflicht.

Dass die Bauordnung gar nicht gelte, sei ihr neu, warf Stadtplanerin Birgit Caumanns ein. "Das heißt, es müsste auch einen Ermessensspielraum geben." Einen anderen Aspekt brachte Gorch von Blomberg zur Sprache. "Es ist gar nicht klar definiert, was der Binnenhafen in Zukunft sein soll." Will er sich mit den Magellan-Terrassen messen oder sollen weiterhin Schiffe anlegen können? Bezirksamtsleiter Thomas Völsch hatte kürzlich erklärt, dass Lotesekai und Kaikante künftig für freies Liegen vorgesehen und Traditionsschiffe erwünscht seien. Wenn Letzteres aber gelte, wie sollen die Leute von Bord gehen können, wenn ein Geländer den Zutritt zum Festland verhindert? "Es hat offensichtlich nie eine Expertenrunde gegeben, auf der alle Betroffenen zu Wort gekommen sind."

+++ Kanalplatz: 170 Meter lange Absperrung erregt Harburg +++

Jürgen Albers, stellvertretender Leiter der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) in Hamburg, brachte einen weiteren Punkt ins Spiel. Seines Wissens habe es in den zehn Jahren seit Bestehen der BSU nur einen einzigen Vorfall gegeben, bei dem Menschen von einer Kaimauer ins Wasser gefallen seien - und das seien zwei Polizisten gewesen, die sich in dem Gebiet auch noch gut auskannten. Er frage sich deshalb, ob die Gefahr in Harburg tatsächlich so groß sei, dass ein Geländer hermüsse.

Von Blomberg erklärte, er wolle beim Bezirksamt eine Petition einreichen, um die jetzigen Planungen zu stoppen und die Diskussion noch einmal zu öffnen. Viele Teilnehmer der Veranstaltung trugen sich auf der dazugehörigen Unterschriftenliste ein, für weitere Interessenten wird sie in der Kulturwerkstatt ausliegen. Gemeinsam mit der Petition will von Blomberg dem Bezirksamt eine Reihe an Alternativen vorlegen, die gestern ebenfalls gesammelt wurden. Als Möglichkeit nannten die Teilnehmer ähnliche Sitzquader wie in Münster, die ein Geländer überflüssig machen, eine weiße Linie, wie es sie auch bei Bahngleisen gibt, Schilder oder die Gründung eines Vereins, der den Traditionsschiffhafen betreibt. Er könnte selbstständig über die Verkehrssicherungspflicht entscheiden, womit das Bezirksamt aus der Zuständigkeit entlassen wäre.