Behörde lässt am Kanalplatz 50.000 Euro teuren Zaun hochziehen. Vor zwei Jahren gab es noch Geld für die Erschließung des Platzes.

Hamburg. Harburgs schönste Hafenkante liegt am Kanalplatz im Binnenhafen. Der Platz öffnet sich weit zum Wasser, Angestellte genießen dort ihre Mittagspause, Verliebte ihren Abendspaziergang. Annette Schade genießt jeden Tag aufs Neue dieses Ambiente. "Einst wurden hier Segelschiffe be- und entladen. Nirgendwo ist das Flair eines alten Industriehafens noch so präsent wie am Kanalplatz", sagt die Nebenerwerbsfischerin. Doch geht es nach dem Willen des Bezirksamts, ist es bald vorbei mit diesem Flair.

Die Behörde will einen ein Meter hohen und 170 Meter langen Metallzaun parallel zur Wasserkante hochziehen lassen, unterbrochen von 75 Zentimeter breiten Durchlässen, gesichert durch Ketten. Kostenpunkt: 50.000 Euro.

Schade und andere Harburger, darunter die Mitglieder der Kulturwerkstatt, sind wütend. Bereits beim Binnenhafenfest Anfang Juni, als die Behörde einen mobilen Zaun an der Kaikante aufstellte, äußerten viele Besucher Kritik an der Begrenzung. Seit Jahren finden sich liebevoll restaurierte Pötte, alte Frachtsegler und Dampfschiffe zum traditionellen Fest im Binnenhafen ein. Die schmucken Segler ankern für gewöhnlich am Kanalplatz und können von jedermann besichtigt werden - ein Höhepunkt der Harburger Hafensause. "Mit dem Zaun dazwischen wird gerade diese maritime Atmosphäre beeinträchtigt", sagt Schade.

+++ Der historische Kanalplatz bekommt einen Zaun +++

+++ Hafenflair kontra Gefahrenzone +++

+++ Kanalplatz wird neu gestaltet +++

Die Fischersfrau hat deshalb schon einen Protestbrief an Bezirksamtsleiter Thomas Völsch (SPD) geschrieben. "Einige Eigner historischer Schiffe haben angekündigt, im kommenden Jahr nicht mehr zur Feier zu kommen, wenn es einen Zaun gibt", sagt sie im Gespräch mit dem Abendblatt. Hautnah am Geschehen und der Geschichte der Schifffahrt auf der Spur, den direkten Schnack von Schippern zu Kanalplatz-Passanten, das gebe es nur hier. "Und das will kein Harburger missen", schimpft sie.

Dazu Völsch: "Wir sind gesetzlich dazu verpflichtet, am Kanalplatz für einen Zaun zu sorgen. Die Landesbauordnung sieht ein solches Bauwerk hier vor." Die Verwaltung wolle verhindern, dass Passanten aus Versehen ins Wasser fallen und ertrinken könnten. Im Unglücksfall müsse das Amt die Verantwortung übernehmen. Da die Absturzhöhe mehr als einen Meter betrage, ließen die Vorschriften keinen Spielraum für Ausnahmen", sagte Völsch.

Eine Zaunpflicht in Harburg - nicht aber in der HafenCity? Jahrhundertelang freier Zugang zum Wasser und jetzt eine Begrenzung am Kanalplatz? "Vor zwei Jahren hat die Hafenbehörde HPA das Gebiet aus ihrem Verantwortungsbereich entlassen. Jetzt ist das Bezirksamt zuständig", sagt Thomas Völsch. Sein Stellvertreter Dierk Trispel ergänzt: "Auf dem Kanalplatz ist ja jetzt mehr los als früher - da ist auch der Sicherheitsbedarf höher."

Noch vor zwei Jahren, als Architektenwettbewerbe zur Umgestaltung des verwahrlosten Platzes ausgeschrieben wurden, argumentierten Politik und Verwaltung ganz anders. "Am Kanalplatz herrscht ein einmaliges Hafenambiente, das erhalten werden muss. Der Binnenhafen ist ein Juwel der Stadt", sagte der damalige Bezirksamtsleiter Torsten Meinberg. Immerhin wurden 35 Millionen Euro dafür aufgewendet, um Infrastrukturmaßnahmen auf den Weg zu bringen. Auch am Kanalplatz sollte sich einiges tun. Im Fokus standen der freie Blick aufs Wasser und eine Gestaltung, die an die Magellan-Terrassen in der HafenCity erinnern sollte - ein entsprechender Entwurf gewann schnell Freunde und wird nun umgesetzt. Für unter anderem die Verlegung von optisch ansprechendem Großpflaster, Straßenbäumen und Sitzstufen gab es 1,3 Millionen Euro aus Sonderhaushaltsmitteln. Ein Zaun oder eine andersartige Brüstung war hingegen nicht geplant.

"Es war ja gerade der freie Blick aufs Wasser, der im Mittelpunkt der Überlegungen stand und der ja jetzt schon Anziehungspunkt für Touristen ist. Es ist ein Unding, dass die Verwaltung nicht schon damals auf die Sicherheitsmängel aufmerksam gemacht hat. Dann hätten die Architekten in Ruhe eine ansprechende Lösung mit maritimem Charakter entwerfen können. Damals wäre durchaus noch Geld dafür im Haushalt vorhanden gewesen. Jetzt wird eine Haurucklösung realisiert, die alles andere als schön ist", sagt CDU-Kreischef Ralf Dieter Fischer.

Die SPD-Fraktion kann die Aufregung allerdings nicht nachvollziehen. "Es gibt nun einmal gesetzliche Regelungen, und damit ist das Thema für uns durch. Das ist keine Idee von Zaunfetischisten, sondern eine Notwendigkeit", sagt Jürgen Heimath, Vorsitzender der SPD-Fraktion.

Kay Wolkau, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen und Jurist, hat genauer ins Paragrafenwerk geschaut. "Auf den Zaun kann man verzichten, wenn ein Zweck der Umfriedung widersprechen würde", sagt er. Das sei der Fall, wenn Schiffe an dieser Stelle anlegen würden. "Und das ist ja am Kanalplatz ausdrücklich erwünscht", so Wolkau. Um aber auch Anforderungen an die Sicherheit zu erfüllen, sei er dafür, bei Veranstaltungen mobile Zaunelemente aufzustellen. Man solle den Kanalplatz, "die Perle des Binnenhafens", nicht verschandeln.

Doch alle Proteste verhallen. Anfang August sollen schon die ersten Pfosten stehen. Annette Schade kann das nicht verstehen. "Es kommt ja auch keiner auf die Idee, die Landungsbrücken einzuzäunen", heißt es in ihrem Brief an Verwaltungschef Völsch.