Umweltgifte, Varroa-Milbe und ein trockener Herbst haben die Völker dezimiert

Gödenstorf/Luhmühlen. Ein wenig sorgenvoll blickt der Imkermeister Karl Stöckmann, 81, an diesem Vormittag auf seine Bienenkästen, die in einer Waldlichtung bei Luhmühlen stehen. Die Lichtung ist ein Winterstandort für die Bienen der Berufsimkerei Stöckmann aus Gödenstorf, die von Karl Stöckmanns Sohn Wolfgang, 52, geleitet wird.

Jetzt sollen die Bienen in ihren Kästen auf Wanderung gehen - zu ihren Frühjahrsständen in Holstein und Mecklenburg. Aber die Imker werden mit weniger Bienen als im Vorjahr zur Rapsblüte fahren: "Wir hatten fast 30 Prozent Verluste", sagt Karl Stöckmann. "Wir haben 700 Völker eingewintert, jetzt sind es nur noch 500 Völker."

Warum so viele Bienen gestorben ist, dafür hat der Imker drei Erklärungen parat: Umweltgifte, eine Milbe aus Asien und der trockene Herbst im vergangenen Jahr.

"Die Bienen haben Umweltgifte über Tautropfen auf Mais und Getreide aufgenommen", vermutet Karl Stöckmann. "Die Bienen holen das Wasser morgens aus dem Tau. Dadurch werden viele Trachtbienen vergiftet. Die tragen das Wasser in den Stock und vergiften dann die Jungbienen."

Die Varroa-Milbe lässt die Insekten sterben

Der zweite Grund, sagt Karl Stöckmann, ist die 1,6 Millimeter kleine Varroa-Milbe (Varroa destructor), mit der sich Bienenforscher seit 1977 beschäftigen, als sie vermutlich mit importierten Bienen von Asien nach Europa gelangte. Die kleine Milbe ernährt sich vom Blut der Bienen. Über die Bisswunden, die die Milben den Bienen zufügen, können zusätzlich krank machende Viren in die Insekten eindringen.

Die Vermehrung der Milbe findet auf der Brut statt. So sind die jungen Bienen schon beim Schlüpfen geschwächt und sterben meist bereits kurze Zeit danach. Der todbringende Parasit ist inzwischen weltweit ein großes Problem der Imker.

Als dritten Grund für das Bienenvölkersterben nennt der Imkermeister den trockenen Herbst 2009: "Da sind die Bienen schlecht versorgt worden, und es sind zu wenig Winterbienen in den Winter gegangen." Zum Hintergrund: Winterbienen leben sechs Monate, Sommerbienen sechs Wochen, davon drei Wochen als Stockbiene und drei Wochen als Trachtbiene, die Nektar saugt und Blüten bestäubt.

Den harten Winter hält Karl Stöckmann indes nicht für das große Bienensterben verantwortlich: "Lange Winter haben wir früher auch gehabt und hatten dennoch keine Verluste. Und in Sibirien überleben die Bienen auch den Winter, wenn sie nicht geschädigt sind."

"Latente Schäden bei unseren Bienen haben wir schon seit Jahren beobachtet", sagt der 81-Jährige, "aber so schlimm wie in diesem Jahr war es noch nie. Wir rechnen bundesweit mit 25 Prozent Bienenverlusten." Die Berufsimkerei Stöckmann gehört mit 20 bis 30 Tonnen Honigernte im Jahr zu den größten Betrieben in Norddeutschland. Der Senior rechnet mit "mindestens einem Drittel weniger Ernte in diesem Jahr. Wir müssen jetzt neue Jungvölker bilden. Dadurch wird der Honigertrag geschmälert."

In dieser Woche werden die Imker und ihre Helfer die Kästen von den Winterstandorten auf einen Lkw verladen: Dann gehen 400 Stöckmann-Bienenvölker auf Wanderung in die Rapsblüte 100 bleiben auf ihren Winterständen im Landkreis Harburg: in Luhmühlen, Putensen, Garstedt, Neu-Garstedt, Bahlburg, Luhdorf, Nindorf, Schätzendorf, Garlstorf und Toppenstedt.

Die Masse aber wandert - 200 Völker nach Roggendorf bei Gadebusch in Nordwest-Mecklenburg und 200 nach Gut Brodau bei Neustadt in Ostholstein. "Eigentlich wollten wir am Sonnabend anfangen zu wandern", sagt Karl Stöckmann, "aber da war das Wetter noch zu kalt. Ende dieser Woche muss alles abgewickelt sein." Schon Karl Stöckmanns Vater Karl war Imker. Seit 1926 ging es im Frühling zur Bestäubung der Obstblüte ins Alte Land.

Frühmorgens werden die Völker zum Feld gefahren

"Die Imker bekommen dafür Prämien pro Volk", sagt der Gödenstorfer. "Aber seit 15 Jahren fahren wir nicht mehr ins Alte Land: Denn jeder Obstbauer will nur zehn Völker haben. Dann müssten wir mit unseren 500 Völkern zu 50 Standorten fahren. Das ist nicht machbar. Beim Raps können wir einen ganzen Lkw voll mit 100 Völkern an einer Stelle abladen." Außerdem blühe der Raps jetzt früher als noch vor Jahren parallel zur Apfelblüte. "Das überschneidet sich jetzt, und wir können nicht alles abdecken."

Früh morgens vor dem Bienenflug werden die Imker mit ihren Bienen zu den riesigen Rapsfeldern Holstein und Mecklenburg fahren. Und wenn die Rapsblüte vorbei ist, dann fahren die Bienen aus dem Landkreis Harburg weiter durch die Republik: Anfang Juni geht in den Oderbruch zur Akazie, Mitte Juni zur Edelkastanie, im Juli/August zur Tanne in den Schwarzwald und Ende August in die Lüneburger Heide, in die Letzlinger Heide bei Magdeburg und in die Heide auf Sylt.

"Im Sommer leben wir wie Zigeuner und sind immer unterwegs", sagt Karl Stöckmann. "Wenn andere dann Urlaub machen, müssen wir arbeiten. Aber dafür sind wir immer schön in der Natur."

Abgeschleudert wird der Honig im Betrieb in Gödenstorf - mit einer Schleuderanlage, die aus Australien stammt. So ist diese Geschichte über die Krankheit und Wirtschaftskraft der Bienen aus dem Landkreis Harburg auch eine kleine Geschichte über die Globalisierung.