Bei Ernst Brinkmann in Harburg reist der Kunde in die Vergangenheit. Computerspiele, Laptops und Spielekonsolen sind in dem Laden tabu.

Harburg. Alteingesessene, inhabergeführte Geschäfte - es gibt sie noch in Harburg. Oft sind es Familienbetriebe mit einer jahrzehntelangen Tradition. Sie erzählen Geschichten von Kaufleuten, die ihre Kunden noch persönlich kennen, vom Glauben an eine besondere Idee, von der Liebe zum Detail. Aber auch vom schleichenden Niedergang einer Verkaufskultur, die sich im Zeitalter der Shopping-Center und Großmärkte immer schwerer behaupten kann.

Wer in diesen Laden tritt, reist in eine andere Zeit. In eine Zeit, in der es noch keine Speicherchips, keine Laptops, keine Spielekonsolen und keine Computerspiele gab. Dabei ist der Laden Ernst Brinkmann an der Wilstorfer Straße 58 in Harburg ein Spielzeug- und Fahrradgeschäft. Die Fahrräder haben hier auch schon eine Gangschaltung und einen Nabendynamo. Aber in den hinteren Räumen, im Spielzeugreich, ist die Zeit stehen geblieben: Der Besucher betritt eine Welt, die größtenteils auch in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts spielen könnte.

Bei Ernst Brinkmann gibt es auch kein Lego und kein Playmobil. Dafür stapeln sich, bis unter die Decke, auf rund 150 Quadratmetern Spiele, mit denen auch Eltern und Großeltern schon gespielt haben: Puppenstuben aus Holz, Puppentische, -spiegel und Betten aus Holz, Puppenwagen, Bauklötze, Käthe-Kruse und Schildkröt-Puppen, winzig kleine Porzellanservice, Krippenfiguren aus Holz, kleine Töpfe und Pfannen aus Stahl und Emaille. Nur die Gummitiere der Firma Schleich und ein paar andere Prinzessinnen- und Drachenfiguren der Jetztzeit deuten darauf hin, dass wir uns in einer Spielzeugabteilung im Jahre 2011 befinden.

"Hier ist fast alles alt und altmodisch, ja nostalgisch und urig", sagt Brinkmann-Verkäuferin Helena Wengierek, seit insgesamt 24 Jahren Stammkraft an der Wilstorfer Straße arbeitet, unterbrochen durch 15 Jahre Kinderpause. "Unser Laden hat sich nicht verändert, jetzt kommt schon die dritte Generation zu uns. Das Gefühl ist bei vielen Kunden erst einmal das gleiche: Sie fühlen sich von den vielen Spielzeugen erschlagen. Unser Laden ist in Hamburg einmalig."

Ernst Brinkmann ist ein großer Name in Hamburg und in Deutschland. Ein Geschäft nur ein paar Schritte vom Laden entfernt an der Wilstorfer Straße war die Keimzelle des späteren Firmenimperiums von Ernst Brinkmann. Der startete 1929 mit einem Geschäft in Harburg, verkaufte Fahrräder, Radios, Elektrogeräte, Werkzeuge und technisches Spielzeug - das Geschäft wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. "Ja, hier in Harburg war der Ursprung des großen Ernst Brinkmann", sagt Horst Sievers, 80, der noch ab und zu in dem Laden arbeitet. "Mein Schwiegervater Willi Wiegmann und Ernst Brinkmann haben 1947 das Technische Kaufhaus an der Spitalerstraße in der Altstadt aufgemacht."

Ende der 1950er-Jahre trennten sich die Wege von Ernst Brinkmann und Willi Wiegmann. Letzterer übernahm die Filiale in Harburg. 1974 kaufte seine Tochter Marianne Sievers, Horst Sievers Frau, Ernst Brinkmann das Haus an der Wilstorfer Straße ab - bis dahin waren Willi Wiegmann und Marianne Sievers Mieter gewesen.

Die Ernst Brinkmann KG wuchs zu einem Großunternehmen mit 40 Töchtern in ganz Deutschland und 4500 Mitarbeitern an - mit einem Angebotsmix aus Technik, Spiel- und Haushaltswaren. 2001 meldete das Unternehmen Konkurs an, und das trotz eines Rekordumsatzes von rund zwei Milliarden Euro. Im Juni 2002 schloss auch die Filiale an der Spitalerstraße - eine Institution in Hamburg.

Geblieben ist der Name Ernst Brinkmann und der 300 Quadratmeter große Laden an der Wilstorfer Straße in Harburg. Inhaberin ist noch immer Marianne Sievers, sie lebt in einem Pflegeheim. Die Geschäfte führt jetzt ihre Tochter Birgit Sievers, 48. Sie bietet mit vier Mitarbeitern Spielwaren an, die es sonst in der Metropolregion Hamburg kaum noch zu kaufen gibt.

Keine Frage, der Internethandel habe auch Ernst Brinkmann in Harburg etwas zugesetzt, sagt Horst Sievers. Aber die Kunden kommen aus der ganzen Metropolregion Hamburg, manche sogar aus Celle. "Die stöbern herum und suchen sich dann etwas aus, das macht mehr Spaß als im Internet", sagt der Firmensenior. "Aber die Kinder spielen heute natürlich anders als früher und sitzen viel vorm Computer. Und auch Puppenstuben kann man schon im Internet kaufen."

Eine Tür vom Spielzeugraum entfernt verkauft Oliver Einfeldt, 41, Fahrräder. 250 Drahtesel stehen zur Auswahl, Pegasus, KTM, Kalkhoff, Focus, Bulls und Rixe. "Zu uns kommen alteingesessen Stammkunden, die uns an die nächste Generation weiterempfehlen", sagt der Fahrradverkäufer. Und wenn die Räder einmal kaputt sind, greift der Fahrradmonteur Uwe Czichy, 47, ein. Im Winter repariert er fünf bis zehn Fahrräder, im Sommer auch mal 20.

"Unsere Kunden können die Räder ohne Anmeldung zum Reparieren bringen", sagt Uwe Czichy. "Wenn die Ersatzteile vorrätig sind, geht die Reparatur von Tag zu Tag, in der Saison kann es bisweilen auch einmal eine Woche dauern."

Nebenan im Spielzeugraum träumt Sigrid Bähr, 67, aus Harburg derweil von ihrem Weihnachtsdorf aus Keramik. An diesem Vormittag sucht sie zwei kleine Straßenlaternen aus Gusseisen mit Trafobetrieb. "Mein Mann sagt, ich bin ein richtiger Spielmatz", sagt Bähr. "Früher hatte ich meist nur die alten Spielsachen von meiner Cousine. Ich habe auch mit dem Kinderherd von meiner Mutter gespielt. Heute kaufe ich mir gerne neue Sachen und habe überall Engelchen. Hier bei Brinkmann finde ich immer irgendetwas zum Sammeln."