Hanse-CD ist überall. Inhabergeführte Geschäfte gibt es noch in der Hamburger Innenstadt - aber sie haben es zunehmend schwer.

Hamburg. Unter dem gelb-blauen Banner mit der zackigen Schrift gab es alles, was den Puls von Technikfans beschleunigte. Wer in die Innenstadt fuhr, um sich, sagen wir, das neueste Waschmaschinenmodell zu kaufen, schritt selbstverständlich durch dieses Labyrinth aus Weißwaren, ließ sich eingehend beraten, für sperrige Artikel eine handgeschriebene Quittung in die Hand drücken und trottete damit zur Kasse. Brinkmann, das Technik-Kaufhaus an der Spitalerstraße, war nicht nur liebenswert unübersichtlich - das Gewirr aus Lampen, Computerzubehör und Fernsehgeräten wirkte immer latent gequetscht. Es stellte für Hamburger auch die erste Adresse bei technischen Anschaffungen dar. Zumindest bis zum Jahr 2002. Denn nach 73 Jahren musste das Traditionsgeschäft schließen. Jetzt regiert der geile Geiz in der City.

Nicht erst seit Hanse-CD, der Laden für musikalische Schöngeister, wegen steigender Miete womöglich aus dem Hanse-Viertel gedrängt wird, macht sich der Wandel in der Innenstadt bemerkbar. Seit Jahrzehnten ist der Einzelhandel in Hamburg einer Verjüngungskur unterworfen. Wo früher klangvolle hanseatische Namen residierten, dominieren heute oftmals Filialen international agierender Konzerne. Sie können - im Gegensatz zu vielen inhabergeführten Läden - Quadratmeterpreise von 180 bis 230 Euro (Mönckebergstraße) aufbringen.

So rückte die Nivea-Dependance an den Platz des Modehauses Jäger + Koch am Jungfernstieg. 1921 von den beiden Hamburger Fußballspielern Adolf Jäger und Hermann Koch gegründet, musste der damalige Inhaber Peter Thannhäuser im Jahr 2000 das Aus für Jäger + Koch verkünden. Vier Jahre nach dem 75. Firmengeburtstag. Das Kleidungsgeschäft war den geänderten Anforderungen des Marktes nicht mehr gewachsen. Monolabel machten dem Traditionsgeschäft das Leben schwer.

Eine Entwicklung, die sich in den Zahlen des Hamburger Einzelhandelsverbandes spiegelt. 1979 waren 2600 inhabergeführte Läden unter dem Dach des Verbandes organisiert. Im vergangenen Jahr zählte Geschäftsführer Wolfgang Linnekogel weit weniger als 500. Ulf Kalkmann, lange Jahre ebenfalls in der Geschäftsführung tätig, erklärte sogar: "Wenn man nicht nur auf die Mitgliederbetriebe blickt, kann man sagen, dass es in Hamburg vor 20 Jahren doppelt so viele inhabergeführte Geschäfte gegeben hat."

Wegziehen oder schließen. Dieses Schicksal ereilte viele Läden. Lebhafte Erinnerungen dürften bei Namen wie Klockmann-Koffer am Hauptbahnhof oder Handschuh-Schaffner am Neuen Wall aufkommen. In Letzterem kehrte ein, wer Wert auf ein paar qualitativ ansprechende Fäustlinge legte. Spielzeug kauften ganze Hamburger Elterngenerationen nach eingehender Beratung entweder bei Spielzeug-Rasch am Gerhart-Hauptmann-Platz oder im Kinderparadies am Neuen Wall. Beide Geschichte. Und alles für das stilvolle Tischgedeck gab es im Porzellan-Fachgeschäft Lattorf am Gänsemarkt. Lattorf ist im Jahr 1993 verschwunden, nach 112 Jahren. Und am Jungfernstieg gaben im vergangenen Jahr Bramfeld & Gutruf, der 1743 gegründete älteste Juwelier Deutschlands, sowie das bei traditionsbewussten Hamburgerinnen beliebte Modehaus Beutin auf. Beide Geschäfte mussten ihre Verkaufsflächen räumen, vermutlich um einem Apple-Flagshipstore Platz zu machen.

Nicht immer waren es steigende Mieten, die zum Geschäftsschluss in exponierter Lage führten. Auch konjunkturschwache Zeiten um das Jahr 2000 sowie Nachwuchssorgen in den Unternehmerfamilien ließen inhabergeführte Läden mindestens aus der City ziehen, oft sogar ganz scheitern.

"Man sollte diese Entwicklung aber nicht nur negativ betrachten", sagt Citymanagerin Brigitte Engler mit dem Verweis auf die Umsatzzahlen. Im Vergleich zu 2003, als in ganz Hamburg 9,8 Milliarden Euro im Einzelhandel ausgegeben wurden, bewege sich Hamburg derzeit weit über dem Bundestrend. Von 10,9 Milliarden Euro im Jahr 2010 seien immerhin 1,9 Milliarden in der City geblieben. Klar, auch Engler vermisse es, bei Friedrich C. Jensen an der Spitalerstraße 2 ihre Schreibwaren zu kaufen - der Laden musste nach 163 Jahren im Jahr 2003 aufgeben. "Aber dafür hat auch eine Runderneuerung der City in den vergangenen 20 Jahren stattgefunden. Die Attraktivität hat sich erhöht." Ohne dass der Charme gelitten habe.

Noch immer gebe es auf rund 320 000 Quadratmeter innerstädtische Verkaufsfläche einen vitalen Branchenmix - wie auch vor 20 Jahren. Man mag das Verschwinden von 1000 Töpfe aus der Spitalerstraße hin nach Altona oder den Verlust des 200 Jahre alten Eisenwarengeschäfts J. A. Spehr an der Steinstraße ("Da gab es jede Schraube. Auch im Einzelverkauf") bedauern. Im Gegenzug habe sich aber das 1912 errichtete Levantehaus nach seinem Umbau im Jahr 1997 zu einer Perle mit kleinteiligen traditionellen Qualitätsgeschäften entwickelt. Da brumme der inhabergeführte Handel. Generell gebe es noch enorm viele alteingesessene Geschäfte in der City, die sich entweder der Moderne geöffnet oder ihre Nische geschickt gepflegt hätten, sagt Engler. Das fast schon museal wirkende Familienunternehmen Pfeifen-Tesch in den Colonnaden (seit 1880) oder auch Ladage & Oelke, Falkenhagen, Lenffer sowie Oschätzchen. Karin Stehr, Inhaberin von Optiker Bellvue!, zählte in Eigenregie und ohne Anspruch auf Vollständigkeit mehr als 120 inhabergeführte Läden allein in der Innenstadt. Eine Quote, die Brigitte Engler mit den Worten kommentiert: "Es sind mehr, als man denkt."

Und auch einige Namen konnten sich halten, wenn auch nicht mehr in der Innenstadt. Jaeger & Mirow beispielsweise, das Wäschegeschäft am Neuen Wall, in dem schon Otto von Bismarck seine Nachtmützen erworben haben soll, musste zwar Konkurs anmelden und verschwand aus der Innenstadt. Unter dem Namen firmiert aber weiterhin ein Kinderkleidungsladen im Poppenbüttler AEZ. Inhaber Andreas Bahner sagt: "Am Neuen Wall wurde meine Miete verdoppelt und ich musste ausziehen. Aber weil ich vorher schon die Kinderkleidungssparte gekauft hatte, konnte ich den Namen behalten." Er musste zwar aus der City, rettete aber den traditionellen Namen. "Doch wenn ich jetzt höre, dass neben Hanse-CD 30 weitere Mieter des Hanse-Viertels ihre Kündigung erhalten haben, um mit ihnen über neue, höhere Mieten zu verhandeln, wird auf diese Art und Weise der inhabergeführte Einzelhandel in der Innenstadt zerstört." Wohl auch deshalb haben Mitarbeiter des Elektronik-Fachgeschäfts Brinkmann erst gar nicht ihr Glück im Stadtkern versucht. Sie führen die Tradition mit reformierter Ausrichtung lieber gleich am Berliner Tor fort. Immerhin mit dem bekannten Namen Brinkmann.

Namen wie Fahning, einst an der Mönckebergstraße, bleiben dagegen verschollen. Sie sind Opfer dessen, was Stadtsoziologe Joachim Häfele gestern im Abendblatt "Mallifizierung, die Verschlechterung" des urbanen Raums nannte. Hervorgerufen von Akteuren wie ECE, die zu mächtig bei der Gestaltung innerstädtischer Räume geworden seien.