Der Initiator, der schon in Kiel erfolgreich war, stellte das Modellprojekt für alkoholabhängige Menschen im Harburger Sozialausschuss vor.

Harburg. Fast jeder Sozialdezernent in Deutschland kennt mittlerweile schon sein Modellprojekt: Nun hat Christoph Schneider, Leiter des Amtes für Wohnungs- und Unterkunftssicherung der Kieler Stadtverwaltung, das Konzept der zwei Trinkerräume in Kiel auch im Harburger Sozialausschuss vorgestellt. Wie berichtet, trägt sich die SPD-Mehrheitsfraktion in der Bezirksversammlung mit dem Plan, Räumlichkeiten für die alkoholabhängigen Menschen auf dem Rathausplatz und im Innenstadtbereich nach dem Kieler Modell zur Verfügung zu stellen.

Dort gibt es bereits seit 2003 das Café Sofa. Der Treffpunkt für Kieler Trinker und Menschen in schwierigen Lebenssituationen wurde in einer ehemaligen Kneipe eingerichtet - auf Initiative von Schneider und unter Trägerschaft des Vereins "Hempel's". Denn die Beschwerden über Bierkonsumenten, die sich an Plätzen und vor Discountern trafen, häuften sich im Kieler Rathaus. "Wegsperren wollten wir die Menschen keinesfalls. Allein lassen mit ihren Problemen aber auch nicht", beginnt Schneider seinen Vortrag.

+++ Harburg will von Kiel lernen +++

Immer wieder werde beklagt, dass die Freilufttrinker die attraktivsten Plätze in Beschlag nehmen. Um die Kontrolle des öffentlichen Raumes nicht einer Gruppe Alkoholiker zu überlassen, wurde das "Sofa" eröffnet - eine ordnungspolitische, keine therapeutische Maßnahme. Für bis zu 70 Kieler sind die Räumlichkeiten mit Kneipenatmosphäre von montags bis freitags ein beliebter Anlaufpunkt. Bier und Wein dürfen sie mitbringen, "harte Sachen wie Schnaps sind nicht erlaubt", so Schneider.

Die Tresenkräfte, die unter anderem Kaffee zu 30 Cent ausschenken, gehören zum Milieu. "Wir wollten keine Sozialarbeiter. Das hätte die Klientel vom Besuch abgeschreckt", sagt der Kieler. Wer mag, kann in der benachbarten Suppenküche essen, duschen und sich sogar ehrenamtlich engagieren. "Mit der Bitte, doch irgendetwas tun zu wollen, fängt für viele der Ausstieg aus der Sucht an", sagt Schneider. Therapieangebote werden gemacht, "sind aber wirklich nur Angebote, niemand wird gezwungen", sagt der Dezernent. Das Kieler Trinkerraum-Modell hat Erfolg. Die Beschwerden sind zurückgegangen, ebenso Konflikte mit Anwohnern und Passanten.

Der SPD-Abgeordnete Heinz Beeken, der die Kieler Einrichtung besichtigt hatte, fühlt sich von Schneiders Vortrag in seinem Entschluss bestärkt, in Harburg einen ebensolchen Treffpunkt einzurichten. "Wir suchen bereits nach geeigneten Räumlichkeiten", sagt er. Auch Harburgs Grüne "können sich ein ähnliches Konzept für Harburger Alkoholabhängige vorstellen", sagt Kay Wolkau, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der GAL in der Bezirksversammlung. Ebenso äußert sich Carsten Schuster, Fraktionsvorsitzender der FDP.

Für ein gleichzeitiges Alkoholverbot, etwa auf dem Rathausplatz, können sich die Ortspolitiker nicht erwärmen. "Das verlagert nur das Problem. Die trinken dann woanders", sagt die CDU-Bezirksversammlungsabgeordnete Antje Jaeger. Sie steht dem Kieler "Sofa" ebenfalls positiv gegenüber, "allerdings bin ich skeptisch, ob wir das in Harburg genauso umsetzen können." Bislang fehlt ein Trägerverein gefunden "und Räume haben wir auch nicht".

Die Klientel sei außerdem in Harburg eine andere als in Kiel. "Auf der einen Seite haben wir die Leute, die zum Freizeitverein an der Knoopstraße gehen, um dort zu klönen und ihr Bier zu trinken. Auf der anderen Seite die Menschen, die sich auf dem Rathausplatz treffen. Die haben nichts miteinander zu tun", sagt Jaeger. Sie bezweifelt, dass da ein gemeinsamer Nenner unter den Freilufttrinkern gefunden werden kann. "Bieeer", grölt unterdessen einer der Rathausplatzbesetzer. Christoph Schneider lässt sich davon in seinem Vortrag nicht abbringen.