Die Haustechnik im Albert-Schweitzer-Viertel in Winsen ist laut neuem Gutachten marode, die Gebäudekonstruktion ist dagegen solide.

Winsen. Die Wohnblocks des Albert-Schweitzer-Viertels in Winsen weisen zum Teil erhebliche Mängel auf und müssen für mindestens drei Millionen Euro saniert werden. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten, das die Stadt in Auftrag gegeben hatte und das dem Abendblatt vorliegt.

Der Gutacher Klaus Giffey stellt fest, "dass an allen technischen Anlagen ein erheblicher Instandsetzungsstau besteht". Grund seien mangelnde oder fehlerhafte Wartung und Instandhaltung. Allerdings habe die "jahrzehntelange Vernachlässigung durch die Eigentümer" den Gebäuden weniger geschadet als befürchtet. Auch die Feuchtigkeitsschäden in den Wohnungen seien "mit relativ geringem Aufwand" zu beseitigen. Die Sanierung muss die Firma Capricornus High Deck Residential GmbH & Co KG übernehmen, der die Wohnanlage gehört.

Heizungen und Wasserleitungen in den vier Blocks stammen - bis auf eine Heizungszentrale - noch aus den 70er-Jahren, als die Häuser gebaut wurden und überschreiten damit deutlich die normale Lebensdauer von 25 Jahren. In der Heizungszentrale in Block 1 fand Giffey einen Mix aus teilweise stillgelegten alten Anlagen und neuen Anlagen, deren Zweck sich dem Experten zum Teil nicht erschloss. Zur Zentrale in Block 4 heißt es: "Die Anlage ist total überaltert, völlig überdimensioniert und in Teilen defekt." An den Wasserleitungen komme es ständig zu Rohrbrüchen, sie müssten alle erneuert werden. Darüber hinaus seien Leitungen entdeckt worden, die ohne Brandschutz verlegt und Schächte, die nicht richtig verschlossen worden seien.

Die Gebäude haben zum Teil unsanierte Dächer, schlecht gedämmte und verschmutzte Fassaden und Leckagen in den Laubengängen, so dass sich Pfützen bilden. Einige Balkonverankerungen und Wohnungstüren sind beschädigt. In den Wohnungen hat der Sachverständige vor allem Feuchtigkeitsschäden festgestellt, die zum Teil bereits zu Schimmel geführt haben. 52 Prozent der Kinderzimmer und 33 Prozent der Schlafzimmer hatten feuchte Ecken. Dies liege daran, dass die Mieter diese Zimmer - die zum Teil mit neuen und sehr dichten Fenstern ausgestattet sind - ungenügend lüfteten und heizten. Die stärker genutzten Wohnräume seien durchgehend trocken, ebenso die Fassade. Um das Problem in den Griff zu bekommen, schlägt er vor, die Mieter aufzuklären und die Außenwände an einigen Ecken - sogenannten Wärmebrücken - besser zu dämmen.

In jeweils einem Drittel der Bäder und der Küchen wurden ebenfalls Wasserschäden festgestellt. Eine unmittelbare Gefahr stellt all dies laut Gutachter jedoch nicht dar. Die Kosten für die Umsetzung der "notwendigen Maßnahmen" schätzt er auf rund drei Millionen Euro. Werden auch die "wünschenswerten Maßnahmen" umgesetzt, erhöht sich die Summe auf 4,8 Millionen Euro. Bisher waren die Kosten auf etwa neun Millionen Euro geschätzt worden.

Das Ergebnis des Gutachtens überrasche ihn nicht, sagt Dr. Andreas Pfadt von der Firma ASK Hassenstein+Pfadt, die im Auftrag der Stadt die Sanierung plant. "Das einzig Positive daran ist, dass die konstruktive Substanz nicht stark geschädigt ist." Aus seiner Sicht ist die umfangreichere Sanierungsvariante erforderlich. "Aber der Eigentümer will möglichst wenig Geld ausgeben." Für Capricornus ständen wirtschaftliche Interessen im Vordergrund, die Firma wolle deshalb noch berechnen, wie schnell sich die Investitionen rechnen würden. Da in den Wohnungen größtenteils Hartz-IV-Empfängern lebten, sei der Spielraum für Mieterhöhungen gering. Die Firma war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Die Stadt wird sich an den Kosten für die Gebäudemodernisierung nicht beteiligen. Allerdings gibt es Förderprogramme des Landes für allgemeine Modernisierung und zur energetischen Sanierung. Bis zu 40 Prozent der Investitionskosten könnte Capricornus über ein zinsfreies Darlehen finanzieren. "Wir haben den Eigentümer immer wieder auf die Förderprogramme hingewiesen", sagt Pfadt. Der Eigentümer nehme zwar mittlerweile an den monatlichen Treffen mit ASK und Stadt teil. Doch Pfadt bleibt skeptisch, ob die Firma Capricornus tatsächlich wie angekündigt im zweiten Quartal 2012 mit der Sanierung beginnen wird.

Auch Sven Dunker, Quartiersmanager im Albert-Schweitzer-Viertel, ist nur vorsichtig optimistisch. "Ich denke, es nicht unrealistisch, dass nun die ersten Schritte gegangen werden können." Die in dem Gutachten vorgeschlagenen Maßnahmen seien "sehr vernünftig" und gingen in die richtige Richtung. Es sei nötig, dass die Wohnungen auf einen normalen Standard gehoben würden.