Die Anwohner der Jägerstraße und der Vogteistraße klagen über zu viel Lkw-Verkehr, zu viele Raser und viele Unfälle.

Harburg. In Moorburg, so berichteten wir gestern, sind die Anwohner durch wilde Parker vom Kraftwerk-Neubau genervt. Aber in Wilstorf und Rönneburg - an Jägerstraße und Vogteistraße - fühlen sich Anwohner ebenfalls von Auto- und Lkw-Fahrern terrorisiert. Dort werden Autofahrer, die sich nicht an die Tempo-30-Geschwindigkeitsbegrenzung halten, das Rechts-vor-Links-Gebot ignorieren, und Lkw-Fahrer, die die Wohnstraße als Abkürzung nach Meckelfeld oder stadteinwärts nutzen, zum Dauerärger. Immer wieder kommt es zu Unfällen, landen Autos in Vorgärten und müssen Verletzte in den Grundstückseinfahrten von Sanitätern versorgt werden.

"Meine Kinder, sie sind drei und sechs Jahre alt, spielen schon die Unfälle mit ihren kleinen Spielzeug-Autos und Playmobil-Figuren nach. Es ist schockierend", sagt Anwohnerin Isabel Wiest. Bereits seit Jahren kämpft sie mit vielen Nachbarn gegen die immense Verkehrsbelastung, die die Lebensqualität im Viertel einschränkt. Sie fordert eine Tonnagebeschränkung für Lkw, Straßenverengungen sowie eine klarere Beschilderung für die Tempo-30-Zone und die Vorfahrtsregeln. "Und das aus gutem Grund", sagt sie. . Die Straße ist eher schmal ausgelegt und laut Baudezernent Jörg Heinrich Penner "nicht für Schwerlastverkehr und eine derartige Verkehrsbelastung geeignet", sagte er in der Bezirksversammlung.

Doch kein Schild weist auf diesen Umstand hin. Im Gegenteil, die Strecke scheint bei den Truckern recht beliebt zu sein. "Die Fahrt über die Winsener Straße in den Landkreis ist drei Kilometer länger als die Strecke über Jägerstraße/Vogteistraße. Eine Abkürzung, die sich offenbar für viele Fahrer lohnt", sagt Wiest. Eine Verkehrszählung, die Harburger Polizeibeamten im Juni dieses Jahres erhoben haben, bestätigt ihre Einschätzung. So fuhren vom 6. Juni bis zum 13. Juni 17 357 Autos durch den Straßenzug. Davon waren 16 132 Fahrer erheblich zu schnell. Die Polizisten zählten allerdings nur die Fahrzeuge, die sich stadteinwärts bewegten. "In die andere Richtung rauschten noch mal so viel durch", sagt Wiest. Außerdem wurden 988 Lkw - davon 879 deutlich schneller als Tempo-30 - und 971 Sattelzüge, davon 667 Raser, gezählt.

Die Hochbahn gibt freimütig zu, dass sie gerne den Straßenzug nutzt. So heißt es in einem Antwortschreiben auf einen Antrag der Bürgerschaftsabgeordneten Birgit Stöver, CDU: "Weiterhin verkehren hier die ein- und aussetzenden Busse der Linie 443 nach Meckelfeld. Ein Einsetzweg für diese Fahrten über die Winsener Straße ist deutlich länger, so dass die Hochbahn hierzu den Straßenzug Jägerstraße/Vogteistraße nutzt." Wiest und die BI-Mitstreiter haben nachgezählt. So sollten am Montag, 11. April, von 6 Uhr an bis 10 Uhr eigentlich fahrplanmäßig 34 Busse durch Jäger- und Vogteistraße fahren. "Tatsächlich waren es 63 Busse, also 29 mehr als vorgesehen. Die fahren dann wohl ins Depot", sagt sie.

Als am Donnerstagnachmittag fünf Anwohner ihre Autos am Rand der Vogteistraße abstellten, was dort erlaubt ist, kommt es zu chaotischen Szenen. Linienbusse des HVV haben es schwer, an den geparkten Autos vorbeizufahren. So kann sich ein Passant nur mit einem Sprung in eine Hecke retten, um nicht umgefahren zu werden. Ein Lkw-Fahrer weiß nicht, wie er mit seinem Baulaster vorbei kommen soll, bleibt stehen, hinter ihm staut es sich.

Ein Hupkonzert beginnt. Ein paar Fahrer wenden ihren Wagen, geben Gas und preschen zurück. Minuten später geht an der Vogteistraße nichts mehr. Fahrer brüllen ihren Frust aus der heruntergekurbelten Scheibe heraus. Lkw fahren auf den Bürgersteig. Busse kommen nicht voran. Dann kommt ein Hochbahn-Mitarbeiter. Er ist mit der grotesken Situation völlig überfordert, flucht, rennt herum und herrscht die Autofahrer an: "Fahrt endlich eure Karren beiseite. Weg mit euch."

Isabel Wiest und ihre Nachbarn stehen fassungslos am Straßenrand. "So etwas gibt es nur hier, das glaubt doch keiner", sagt Helga Gerecke.

Petra Hagenah aus Maschen steht mit ihrem Auto mitten im Chaos. "Ich kann ja die Anwohner verstehen, aber was wäre denn jetzt, wenn ein Krankenwagen durch muss. Wenn die hier ihre Autos abstellen - die Folgen können Leben gefährden."

Das sieht die Polizei genauso. "Es wird über ein Halteverbot an dieser Stelle nachgedacht, um ein solches Chaos zu vermeiden", sagt Dietmar Thoden, Leiter der Abteilung Prävention und Verkehr am Harburger Polizeikommissariat. Allerdings sei auch die Polizei dafür, die Tempo-30-Zone zu erhalten. "Gemeinsam mit Baudezernent und Bezirksamtsleiter wird erkundet, ob im kommenden Jahr Geld da ist, um baulich auf den Charakter der Tempo-30-Zone hinzuweisen", sagt Thoden. Eine Unfallstatistik für den Bereich hat die Polizei nicht erhoben

Die Bürgerinitiative schon. "Seit Mai dieses Jahres bis heute hat es sieben Mal gekracht. Einmal wurde ein Müllmann angefahren, kürzlich ist eine Frau verletzt worden", sagt Wiest. Sie fühlt sich von der Polizei im Stich gelassen. "Mittels Halteverbot die Rechte der Bewohner noch weiter zu beschneiden, ist unglaublich." Aber sie sieht in den Bemühungen um den Einhalt des Tempolimits und den angekündigten baulichen Änderungen einen Hoffnungsschimmer. "Es muss einfach etwas passieren."