Einst heftig umstritten - das Gebäude mit seinem 516-Plätze-Saal schien Kritikern überdimensioniert - ist die Empore zum kulturellen Herz von Stadt und Umland geworden.

Buchholz in der Nordheide. Heidi Kabel war hier, Mike Krüger und Evelyn Hamann, es wurde Schwanensee und Hair aufgeführt. Pianist Joja Wendt startete in der Buchholzer Empore seine Karriere und das Hamburger Ohnsorg-Theater ist schon fester Bestandteil des jährlichen Programms. Seit 20 Jahren werden im Obergeschoss des markanten Gelbklinkerbaus Kabarett und Theater, Comedy und Musicals aufgeführt. Einst heftig umstritten - das Gebäude mit seinem 516-Plätze-Saal schien Kritikern überdimensioniert - ist die Empore zum kulturellen Herz von Stadt und Umland geworden. In der vergangenen Saison zählte sie 50 292 zahlende Gäste. Damit bei den gut 170 Veranstaltungen, die mittlerweile im Jahr über die Bühne gehen, alles rund läuft, arbeiten acht feste Mitarbeiter und zwei Auszubildende vor und hinter den Kulissen. Gerade im Winter, wenn die Saison auf ihrem Höhepunkt ist, verbringen sie viel Zeit miteinander.

"Ich habe auch oft abends Dienst, betreue die Gäste und reiße Karten ab", sagt Onne Hennecke. Von seinem Büro im Erdgeschoss kann der Geschäftsführer Passanten vorbeischlendern sehen. "Man muss immer die Augen offen halten." Der 47-Jährige kümmert sich tagsüber vor allem um die Programmplanung. Ideen bekommt er im Gespräch mit Kollegen und Agenten oder blättert zum Beispiel im Spielplan der Münchner Lach- und Schießgesellschaft. "Um die guten Sachen zu bekommen, muss man rausgehen und sich selbst bemühen", sagt er. Es gebe aber auch viele Künstler, die das Haus bereits kennen. "Und sie schätzen es, weil sie über Jahre von selben Team betreut werden." Sein Ziel: ein abwechslungsreiches Programm mit Veranstaltungen, die außer der typischen, kulturinteressierten Frau ab 50 auch jüngere Menschen anlocken.

"Jeder Abend, den die Menschen nicht vor dem Fernseher verbringen, ist ein guter Abend. Wir müssen aber in den kommenden Jahren einen Generationswechsel bewältigen und auch mal ein Risiko eingehen", sagt Hennecke, der mit seiner Familie in Holm-Seppensen wohnt. Neue Wege scheut der studierte Volkswirt mit einem Faible für Musik nicht. Bevor er 2007 die Leitung der Empore übernahm, war der gebürtige Ostfriese unter anderem Radio-Programmchef. Der Wechsel sei genau das Richtige gewesen. "Jetzt habe ich das Gefühl, bei den Guten zu sein."

Durch die geöffnete Bürotür kann Hennecke die Mitarbeiterinnen im vorderen Raum hören. Liane Barthold sitzt seit 17 Jahren am Eingang des Büros, verkauft Karten für die anstehenden Veranstaltungen und nimmt Lob und Kritik entgegen. Immer wieder werde sie in der Stadt auf besonders gute Vorstellungen angesprochen, erzählt Liane Barthold. "Es ist schön, wenn die Leute sich bedanken, das motiviert uns." Oft ist auch ihr Rat bei der Suche nach einem Geschenk gefragt. "Im Laufe der Jahre habe ich ein Gespür entwickelt, was für wen passen könnte." Einem langjährigen Besucher stecke sie in der Pause auch mal die Ergebnisse des laufenden St.-Pauli-Spiels zu. Langweilig werde es nie, sagt die zierliche 60-Jährige, die früher bei der Sparkasse gearbeitet hat. "Ich ärgere mich, dass ich nicht schon früher so etwas gemacht habe. Besonders abends, wenn uns alle der Nervenkitzel packt, ist es immer wieder schön."

Ihre Kollegin Annette Lipski, seit 13 Jahren im Team, hat ihren Schreibtisch in zweiter Reihe, dicke graue Ordner reihen sich hinter ihr auf. Die Büroleiterin ist für das Controlling zuständig, kümmert sich um die Abo-Kunden und macht die Künstlerabrechnungen. Dass ständig Besucher in den kleinen Raum eintreten, der die Frauen mit Pflanzen, Konzertpostern und bunten Miniaturautos dekoriert haben, stört sie nicht. Im Gegenteil: "Der Kontakt zu Kunden und Künstlern ist toll. Ich mag Trubel um mich herum", sagt die 49-Jährige und lacht. So kam sie auch nicht aus der Ruhe, als es einmal vor einem Konzert plötzlich hieß: Die Musiker stecken im Stau. "Zwei Stunden haben wir die Zuschauer mit Sekt bei Laune gehalten." Beim abendlichen Veranstaltungsdienst werden die Mitarbeiter von acht Aushilfen unterstützt. Sie sei dann das Bindeglied zwischen Gast und Künstler, sagt Annette Lipski. Auch das Catering gehört zu ihren Aufgaben, über mögliche Starallüren schweigt sie sich aber diskret aus. Nur soviel: "Bisher konnten wir alle Sonderwünsche erfüllen."

Als die Empore 1991 eröffnet wurde, arbeitete Frank Schwierz als junger Bühnentechniker in dem Haus. Die Stühle im Saal waren türkis bezogen und über der Bühne lag ein Vorhang im selben Farbton in dramatisch gerafften Falten. Vor zehn Jahren stand eine Renovierung an, im Gespräch war ein Wechsel zu klassischem Theater-Rot. "Aber ich habe mich durchgesetzt", sagt Frank Schwierz. Heute sind die Stühle blau, der Vorhang schlicht, und der 49-Jährige ist Technischer Leiter. Er hat ein Büro, in dem sein schwarzer Mops Biggi auf einer Decke schläft. Sechs Geschäftsführer hat Schwierz in seiner Zeit hier erlebt, jeder Chef habe neue Impulse eingebracht. "Das hat die Empore immer besser gemacht. Ich glaube, die Skeptiker von damals haben wir überzeugt." Vier Jahre führte er selbst mit einer Kollegin das Haus. Das sei ihm jedoch zu viel geworden. Er sei lieber Techniker, sagt er.

Dietmar Schücke ist für die Haustechnik zuständig und hilft bei größeren Produktionen. "Als ich vor zehn Jahren hier angefangen habe, war ich ein Kulturbanause", gibt Didi, wie ihn die anderen nennen, zu. "Aber ich bereue keinen einzigen Tag. Zum Beispiel die Rocky Horror Picture Show: Das war ein Riesenaufwand, aber richtig toll. Nur Operetten sind nicht so mein Stil." Auf die Uhr gucke er während der Arbeit nie, auch Wochenende und Feiertage hätten für ihn keine Bedeutung. "Man muss richtig Lust auf diesen Job haben. Und das passt bei uns einfach."

Für das Technik-Team beginnt der Arbeitstag gegen Mittag. Dann muss das Bühnenbild für die anstehende Vorstellung ausgeladen und aufgebaut und Licht und Ton eingestellt werden. Nach dem Soundcheck ist Einlass. "Dann können wir kurz durchschnaufen", sagt Frank Schwierz. Jeden Abend betreut er eine andere Vorstellung - nur das Weihnachtsmärchen wird an drei Tagen hintereinander jeweils drei Mal aufgeführt. "Da können wir am Ende schon mitsingen", sagt er mit einem leichten Lächeln. Trotz aller Erfahrung, Routine sei sein Job nie. "Vor der Vorstellung haben wir genauso Lampenfieber wie die Künstler. Das legt sich erst, wenn der Vorhang aufgeht." Dann beginnt der zweite Teil des langen Arbeitstages, der für die Techniker erst gegen Mitternacht mit dem Abbau beendet wird. Kleine Pannen bleiben nicht aus. "Vor vielen Jahren stand eine Operette an, das Orchester spielte die Ouvertüre - und spielte und spielte", erzählt Schwierz. Der Knopfdruck für den Vorhang hatte versagt. Der Bühnenchef rannte von seinem Pult am oberen Ende des Saals auf die andere Seite, zog den Vorhang auf und raste zurück, um das Licht einzustellen - beim Rückweg gab es Applaus. "Seitdem prüfe ich immer kurz vor Start den Vorhang."

Obwohl er meist als Letzter die Tür schließt, einen regelmäßigen Bürojob zu machen, könne er sich nicht vorstellen. "Aber wir arbeiten immer dann, wenn andere frei haben. Das ist manchmal schwierig." Umso wichtiger ist der Zusammenhalt im Team, mittlerweile lernt der Meister für Veranstaltungstechnik zwei Auszubildende an. Die seien nicht nur eine Entlastung bei der Arbeit. "Die beiden sind auch eine Bereicherung für uns."

Matthias Zilch gibt das Lob zurück. "Das Arbeitsklima ist super und wir haben viel Freiraum." Der angehende Fachmann für Veranstaltungstechnik steht auf der Lichtbrücke und prüft, wie die Scheinwerfer ausgerichtet sind. Der 22-Jährige lernt, worauf beim Bühnenaufbau, bei Licht, Ton und Videotechnik zu achten ist. Ob Stadtfestparty oder Theaterproduktion - gutes Licht mache viel aus, sagt er. "Man trägt als Beleuchter immer zum Stück bei." Dominik Kevekordes, er lernt ebenfalls in der Empore, sitzt am Tonpult. Die Tontechnik hat es dem 23-Jährigen, der selbst Schlagzeug spielt, besonders angetan. Es müsse nicht immer Rock 'n' Roll sein, sagt er. "Auch Theater kann spannend sein." Er ist bereits im dritten Lehrjahr, nach der Prüfung will er in der Empore bleiben. Die Arbeit sei vielseitig und mache ihm Spaß. "Es ist wunderbar, ich will hier gar nicht weg. Wir arbeiten Hand in Hand, es gibt nichts, was wir nicht zusammen hinkriegen." Dominik Kevekordes ist der älteste von sechs Brüdern, seit einigen Jahren wohnen sie in Holm-Seppensen. Familie sei ihm sehr wichtig, sagt der Lehrling. Auch deshalb fühle er sich hinter den Kulissen der Empore so wohl. "Wir sind hier wie eine Familie."