Die Verwaltung der Gemeinde Wenzendorf beginnt in diesem Jahr auf dem Schmeling-Gelände mit der Erschließung für ein Wohngebiet.

Wenzendorf. "und MAXE dreht sich im Grabe!" hat ein unbekannter "Künstler" in roten Lettern auf die Fassadenruine eines verfallenen Gebäudes im Max-Schmeling-Weg in Dierstorf-Heide geschrieben. Für den unwissenden Betrachter könnte der Fall schnell klar sein: Die Gemeinde Wenzendorf als Erbin des Schmeling-Anwesens scheint das Andenken an den großen Boxer und großzügigen Mitbürger verfallen zu lassen.

Doch der erste Eindruck täuscht. Das "verzierte" Gebäude steht auf dem Nachbargrundstück, hat gar nichts mit Schmeling und seinem angeblich desolaten Ex-Zuhause zu tun, stellt der Wenzendorfer Bürgermeister Manfred Cohrs (WGW) klar. Vielmehr habe die Gemeinde das Wohnhaus des ehemaligen Boxers, der hier mehr als 50 Jahre lebte, schon nach dessen Tod 2005 in einem nicht optimalen Zustand übernommen. "Schmeling wollte uns etwas Gutes tun und nicht einen Klotz ans Bein binden."

Cohrs zählte bis zuletzt zu den regelmäßig eingeladenen Gästen im Hause Schmeling: "An seinem Geburtstag gab es immer eine Marzipan-Nuss-Torte, das war jedes Jahr ein Ritual."

Schmeling, der sich 1948, nach dem Zweiten Weltkrieg, in Dierstorf-Heide niedergelassen und sich zunächst als Nerzzüchter und Tabakfarmer versucht hatte, habe zuletzt nicht mehr viel an seinem Haus und an den Nebengebäuden gemacht.

Persönliche Gegenstände, vor allem Sporttrophäen und Pokale, sind längst nicht mehr in dem Haus, sie befinden sich ohnehin im Besitz der Max-Schmeling-Stiftung, die Inhaberin der Persönlichkeitsrechte ist. Ohne Zustimmung der Stiftung darf niemand mit dem Namen des ersten deutschen Boxweltmeisters im Schwergewicht werben.

So muss Cohrs auch die künftige Nutzung des Schmeling-Hauses mit der Stiftung absprechen. Angestrebt wird eine Verwendung des Hauses für einen sinnvollen Zweck im Kontext mit dem (Box-)Sport. Dafür wird zurzeit noch ein Partner gesucht.

Weiter sind dagegen die Pläne für das kleine Wohngebiet im nördlichen Teil des 8,7 Hektar großen Areals gediehen. Hier sollen entlang einer hufeisenförmigen Erschließungsstraße, des "Anny-Ondra-Bogen", auf 1,2 Hektar rund ein Dutzend Wohnhäuser entstehen. Gleichzeitig ist der gesamte Bereich per Bebauungsplan vom Wochenendhausgebiet zum Wohngebiet umgewandelt worden. Das sei im Sinne der Bewohner, sagt Cohrs - offiziell hätte auch Schmeling hier nicht wohnen, sondern nur die Wochenenden verbringen dürfen ...

Der 2005 verstorbene Boxer hatte drei Jahre vor seinem Tod einen Erbvertrag mit der Gemeinde Wenzendorf geschlossen und der Gemeinde sein Wohnhaus und das 8,7 Hektar große Grundstück vermacht, auf dem viele alte Bäume stehen und auf dessen Teichen er mit Ehefrau Anny Ondra Boot gefahren war. Wald und Teiche sollen laut B-Plan erhalten bleiben.

Heute staunt der Besucher über die geringen Abmessungen und die bescheidene Ausstattung der "Villa", in der eine der größten deutschen Sportpersönlichkeiten mehr als ein halbes Jahrhundert zubrachte. Vom Eingangsflur geht es in die kleine Küche, die heute wohl kein Hartz-IV-Empfänger mehr akzeptieren würde, in den ehemaligen Heizungskeller und ins seit Jahrzehnten nicht mehr modernisierte Gäste-WC.

Weiter in Richtung Garten öffnet sich der Flur zum Wohnzimmer mit Parkettboden, Kamin und Sitzecke aus hölzerner Bank und Stühlen mit roten Sitzkissen - auf der Bank mit, auf den Stühlen ohne Muster. Immerhin geht der Blick von hier in den Garten mit seiner von Bäumen umstandenen Rasenfläche, die regelmäßig von der Gemeinde gemäht wird. Die überdachte Terrasse mag für manches Gartenfest genutzt worden sein. Über eine Treppe führt der Weg in den ersten Stock. Hier fallen die einfachverglasten Fenster im Treppenhaus auf - im Winter dürfte es arg gezogen haben. Ebenfalls im Obergeschoss finden sich das Bade- und das Ankleidezimmer sowie zwei Schlafzimmer: Zunächst das große des Ehepaars Schmeling-Ondra und dann jenes viel kleinere, in dem nach Anny Ondras Tod 1987 der Witwer Schmeling allein seine Nächte verbrachte. Teilweise sind die Möbel und Einbauschränke noch erhalten - aber der Eindruck entspricht dem, was viele Ältere über Schmeling sagen: Er war eben sehr bescheiden, was die eigene Lebensqualität betraf.

Großzügiger war der ehemalige Sportstar und langjährige erfolgreiche Coca-Cola-Unternehmer gegenüber seinen Mitmenschen. Bis heute profitiert die Jugendarbeit in der Samtgemeinde Hollenstedt von den Zuwendungen der von Schmeling noch zu Lebzeiten gegründeten Stiftung.

Auch sein "Anwesen" überließ der kinderlose Schmeling der Allgemeinheit - in diesem Fall der Gemeinde Wenzendorf. Sie beginnt in diesem Jahr damit, neues Leben auf das alte Schmeling-Grundstück zu holen - 2012 soll das kleine Wohngebiet am "Anny-Ondra-Bogen" fertig sein. Die Quadratmeterpreise sollen bei rund 100 Euro liegen. Und wer kann schon von sich behaupten, auf so prominentem Areal leben zu dürfen?

Interessenten können Bürgermeister Manfred Cohrs telefonisch montags in der Zeit von 16 bis 18 Uhr unter 04165/8333 erreichen.