Der Bau sollte eigentlich die Behörde für Stadtentwicklung aufnehmen, aber der neue SPD-geführte Senat in Hamburg überlegt noch.

Wilhelmsburg. Die Erdgeschossebene ist stellenweise bereits fertig. Jetzt sind die Stahlbetonbauer der Firma Riedel Bau schon mit den Vorbereitungen zum Aufbau der ersten Etage befasst. Gut 80 Männer flechten die Stahlbewehrung, stellen Stützen, Balken und Platten auf zum Schütten des Betons für Wände, Säulen, Decken und Böden. "Dies ist zur Zeit eine der größten Baustellen der Stadt", sagt Henning Tants, Vorstand der Sprinkenhof AG, Bauherr des gut 200 Millionen Euro teuren Projekts. "Neubau der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt", steht draußen an der Neuenfelder Straße, neben der Hermann-Keesenberg-Brücke auf dem riesigen Baustellenschild.

Auftraggeber ist die Freie und Hansestadt Hamburg, die nach voraussichtlicher Fertigstellung im Frühjahr 2013 auch Mieter des riesigen Verwaltungsgebäudes sein wird. Aber an diesem Bauwerk scheiden sich die Geister. Es symbolisiert eigentlich den vom vorigen CDU/GAL-Senat propagierten "Sprung über die Elbe", die Stadtentwicklung des Hamburger Südens, die Aufwertung der Elbinsel Wilhelmsburgs, die Zugehörigkeit dieses bislang untergeordneten Stadtteils zum Hamburger Zentrum, das nur zwei S-Bahnstationen entfernt liegt. Der neue sozialdemokratische Senat setzt andere Schwerpunkte, will Verwaltungskosten senken und hat unter anderem die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt verkleinert. "Wir werden uns mit dem Thema des Verwaltungsneubaus in Wilhelmsburg nach der Sommerpause wieder befassen", sagte gestern Jörg Schmoll, stellvertretender Sprecher des Senats.

"Und wir halten uns an unsere vertraglichen Vereinbarungen und bauen weiter, wie es die Pläne vorgeben", sagt Tants. Der Behördenbau ist das, was Stadtplaner in der Regel als "Leuchtturmprojekt" bezeichnen, als Landmarke. Und Wilhelmsburg wird mit diesem Bauwerk, das zum Beginn der Internationalen Gartenschau 2013 (igs) und dem Präsentationsjahr der Internationalen Bauausstellung IBA 2013 bezugsfertig wird, einen echten Hingucker bekommen. Nicht nur die Optik wird außergewöhnlich, auch an zukunftsweisende Energieeinsparung und Energienutzung ist gedacht. "Ökonomie, Ökologie und Funktionalität sind in einzigartiger Weise unter einen Hut gebracht worden", sagt Tants bei einer Besichtigung der Baustelle. Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen hat der Sprinkenhof AG für den Neubau bereits vor einem Jahr das Vorzertifikat in Gold verliehen. In Aussicht steht nun die Verleihung des goldenen Gütesiegels.

Weil der Wilhelmsburger Erdboden erst unter weichen Klei- und Torfschichten tragfest wird, sind auf dem mehr 10 000 Quadratmeter großen Baugelände zu Jahresbeginn gut 1000 Stützpfähle bis etwa 18 Meter Tiefe in die Erde gebohrt worden. Aber diese Pfähle haben es in sich. Spezielle Kunststoffschläuche sind darin bis in die Tiefe eingelassen. Im künftigen Betrieb soll auf diesem Weg das Gebäude klimatisiert werden. Im Winter reicht die Erdwärme zum Heizen der Räume und im Sommer zum Kühlen. In Fußböden und Zimmerdecken verlaufen ebenfalls Schlauchleitungen. Tants: "Voraussichtlich 2015 werden wir mit der Regelung erste Erfahrungen gesammelt haben. An erster Stelle steht, dass sich die Menschen an ihrem Arbeitsplatz wohl fühlen sollen." Das Gebäude soll mit seiner Energieeinsparung 60 bis 70 Prozent unter der Energieverordnung von 2009 liegen.

Vor Baubeginn war der zwischen dem Gewerbeschulzentrum Dratelnstraße und dem Bahngelände gelegene Bauplatz auf Bombenblindgänger untersucht worden. Lediglich eine kleine Granate war gefunden worden. Aber Untersuchungen ergaben auch, dass Methangas aus dem Marschboden aufsteigt. Das Gas wird mit sogenanntem porösen Einkornbeton abgedeckt über Drainageleitungen abgeführt, um sich nicht unter dem Gebäude zu stauen und Schaden anzurichten.

Inzwischen ist fast die gesamte Bodenplatte fertiggestellt. Am Eck von Hermann-Keesenberg-Bahnbrücke und der Neuenfelder Straße, wo das 13-geschossige Hauptgebäude stehen soll, geht es an die erste Etage. Geschüttet ist auch bereits eine Zisterne, in der Regenwasser gesammelt und als Brauchwasser unter anderem für Toilettenspülung genutzt werden soll. Der Behördenbau bekommt eine Zufahrt mit eigenen Abbiegespuren von der Neuenfelder Straße. Von dort geht es in eine Tiefgarage, die sich auf Erdgeschossniveau befindet. Tants: "Wir richten dort auch spezielle Parkplätze für künftige Elektrofahrzeuge ein, die dort ihre Batterien aufladen können."

Entlang des Bahngelände, auf dem in Zukunft auch die neue Wilhelmsburger Reichsstraße vorbeiführen soll, werden sich ans Hochhaus drei fünfgeschossige Gebäudeabschnitte anschließen und parallel zur Neuenfelder Straße vier eben so hohe Gebäude. Das Konzept für das Bauwerk stammt vom Berliner Planungsteam Sauerbruch Hutten sowie Reuter und Rührgartner in Rosbach. Vom neuen Wilhelmsburger S-Bahnhof wird eine ebenso neue Fußgängerbrücke über die Gleise in Richtung des Verwaltungsbaus und mit einem Abzweig zum Haupteingang der Internationalen Gartenschau an der Neuenfelder Straße führen. Fußgänger werden den Verwaltungsbau durch einen Torbogen passieren können. Und über einen Innenhof mit Baumallee zum Gewerbeschulzentrum gelangen. Oberhalb des Torbogens wird sich ein gläserner Flur des Verwaltungsbaus befinden.

Bereits Ende dieses Jahres soll ein Großteil des Rohbaus fertiggestellt sein. Das Hochhaus folgt in der Rohbauvollendung bis Mai 2012. Ab 6. Januar 2012 beginnt der Fassadenbau aus farbiger Keramik. Die Sprinkenhof AG hat alle am Bau beteiligten Firmen in eine enge Zeit- und Kostenkontrolle durch externe Fachleute eingebunden.