Der Krankenhauskeim MRSA ist längst resistent gegen Antibiotika. Das beste Mittel gegen eine Ansteckung ist konsequente Hygiene.

Winsen/Buchholz. Harmlos sehen sie aus, die vier Großbuchstaben. Sie bilden weder ein griffiges Kurzwort noch erinnern sie an Krankheit oder Keime. Die Gefahr ist in der Abkürzung nicht zu erkennen, sie lauert in ihrer Bedeutung. MRSA steht für Methicillin-resistente Staphylococcus aureus - Keime, die gegen die üblichen Antibiotika unempfindlich geworden sind. Im Grunde sind diese Erreger nicht gefährlicher als andere. Da eine Infektion mit MRSA aber nur schwer zu behandeln ist, besteht ein höheres Risiko, dass infizierte Patienten krank werden oder sterben. In Niedersachsen waren in der ersten Hälfte dieses Jahres 273 im Blut nachgewiesene Infektionen gemeldet worden - 100 mehr als noch im zweiten Halbjahr 2009. Vergangenes Jahr wurden landesweit 516 Fälle, davon zehn aus dem Landkreis, gemeldet. Die Besiedelung ist nicht meldepflichtig. Das Niedersächsische Gesundheitsministerium spricht von einer "immensen Bedrohung", die MRSA speziell in Krankenhäusern darstellt.

Denn gefährlich ist eine Ansteckung nur für Menschen, deren Immunsystem bereits geschwächt ist. Für sie ist eine Infektion lebensgefährlich. Deshalb ist es besonders riskant, wenn sich der resistente Keim in Krankenhäusern verbreitet. In den Krankenhäusern Winsen und Buchholz werden jedes Jahr jeweils etwa 30 Patienten positiv auf MRSA getestet. Ein äußerst niedriges Niveau, wie Dr. Rüdiger Rädel, Amtsarzt des Landkreises Harburg, betont. Das Gesundheitsamt überprüft jährlich, wie die Hygienestandards in den Krankenhäusern eingehalten werden. Speziell geschulte Hygieneassistenten achten darauf, dass die Hygieneregeln eingehalten werden. "Zudem machen wir bei allen Patienten, die chronische Wunden oder einen Katheter habe oder aus einem anderen Krankenhaus kommen ein MRSA-Screening", sagt Dr. Daniel Abo-Dalo, Leitender Oberarzt in der Chirurgie und Hygienebeauftragter am Krankenhaus Winsen. So werde das Risiko einer Übertragung innerhalb der Klinik minimiert. 95 Prozent der betroffenen Patienten trügen den Keim bereits bei ihrer Einlieferung in sich, so Abo-Dalo.

Doch außerhalb der Kliniken ist die Unsicherheit im Umgang mit dem resistenten Keim noch groß. Um die Kommunikation zwischen den Einrichtungen, die mit geschwächten und damit gefährdeten Menschen zu tun haben, zu verbessern, hat Rüdiger Rädel Ende 2010 ein Netzwerk für den Landkreis gegründet. Vertreter von Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, Rettungsdienst und niedergelassene Ärzte treffen sich regelmäßig, um sich über den optimalen Umgang mit MRSA auszutauschen. "Dabei geht es auch darum, sich gegenseitig kennen zu lernen", sagt Rädel. Denn bisher komme es oft zu Missverständnissen und Schuldzuweisungen. So zum Beispiel, wenn ein MRSA-besiedelter Patient im Krankenhaus nur mit Schutzkleidung besucht werden darf und von Mitarbeitern in Schutzkleidung im Krankentransport zurück ins Altenheim gebracht wird, sich dort aber ohne spezielle Vorsichtsmaßnahmen wieder frei bewegt. "Personal und Mitbewohner sind dann oft verunsichert, nicht selten ist der Betroffene stigmatisiert", sagt Rädel. Dabei sei das Risiko einer Ansteckung im Altenheim ungleich geringer als im Krankenhaus, der Patient also für seine Mitbewohner keine Gefahr. Um solche Missverständnisse zu vermeiden, geben die Mitglieder des Netzwerkes Patienten mit MRSA bei der Entlassung nun stets ein Merkblatt mit, auf dem die notwendigen Hygienemaßnahmen, wie Händewaschen und 60-Grad-Wäschen, erklärt sind.

Der Keim wird vor allem über Handkontakt von Mensch zu Mensch übertragen. "Das A und O, um eine Verbreitung zu verhüten, ist deshalb eine gründliche Handhygiene", sagt Rädel. Im Krankenhaus, wo Ärzte und Pfleger den Keim von einem Patienten auf andere anfällige Menschen übertragen könnten, gehört dazu das sorgfältige Desinfizieren der Hände. Wer infiziert ist, wird in der Regel in einem Einzelzimmer untergebracht. Außerhalb von Krankenhäusern aber ist Isolation nicht nötig. In Alten- und Pflegeheimen wird lediglich zur Händedesinfektion geraten. "Zu Hause reichen Wasser und Seife völlig aus", sagt Rädel. Auch in Kindergärten oder Schulen seien medizinische Desinfektionsmittel weder sinnvoll noch wirkungsvoll. Der 59-Jährige warnt sogar davor, es mit der Vorsicht zu übertreiben. "Sonst entwickeln wir Resistenzen, der Schutz wirkt nicht mehr. Besser ist es, die normale Hautflora zu erhalten."

Dass zuviel des Guten verheerende Folgen haben kann, zeigt auch ein Blick auf die Ursachen, die den im Grunde harmlosen Keim so gefährlich haben werden lassen. Seit den 70er-Jahren jedoch haben einige Staphylokokkenstämme Resistenzen gegen Antibiotika entwickelt. "Ein wesentlicher Grund dafür ist der unkritische Gebrauch von Antibiotika", sagt Amtsarzt Rädel. Die Bundesbürger würden jedes Jahr etwa 250 Tonnen Antibiotika - in der Veterinärmedizin seien es sogar 760 Tonnen - einnehmen. Das liege unter anderem daran, dass viele Patienten ein Rezept von ihrem Arzt einforderten und bei einer Absage zu einem anderen Mediziner gingen. Im EU-Vergleich lägen die Deutschen mit ihrem Antibiotika-Konsum im unteren Drittel. "Die Niederlande sind Spitzenreiter mit den wenigsten Verordnungen - und sie haben das geringste Problem mit MRSA."

Das Harburger Netzwerk setzt nun auf Prävention, um das Problem im Landkreis möglichst gering zu halten. Ein Budget gibt es nicht. Rüdiger Rädel ist jedoch überzeugt, dass sich der Einsatz lohnt. "Durch die Zeit, die wir jetzt investieren, vermeiden wir großen Aufwand, der bei einem MRSA-Ausbruch auf uns zukommen würde." Die aufgebauten Kontakte hätten sich bereits bei der EHEC-Krise ausgezahlt, als ebenfalls schnelle Absprachen nötig waren. Ihrem Zusammenschluss haben die Gesundheitsexperten übrigens vorsorglich den neutralen Namen "Qualitätszirkel Problem-Keime" gegeben - in Erwartung des nächsten Krisenkeims.