Kreisbrandmeister in Lüneburg und Harburg warnen. Land will Beobachtungsflugzeuge am Boden lassen

Lüneburg/Winsen. Das Land Niedersachsen hat die Strategie im Kampf gegen Wald- und Flächenbrände verändert. Ab sofort bleiben die Beobachtungsflugzeuge der Feuerwehr in Nordniedersachsen am Boden. Hier, in der norddeutschen Tiefebene, zu der die beiden Landkreise Lüneburg und Harburg gehören, übernehmen jetzt 20 Kameras an 17 Standorten in den Wäldern ihre Aufgabe. Bisher startete der in Lüneburg stationierte Flieger seine Überwachungsflüge, sobald die Brand-Gefahrenklasse 5 erreicht war.

In einem für heute erwarteten Erlass aus dem niedersächsischen Innenministerium ist außerdem geregelt, dass diese Überwachungsflüge ausschließlich dort eingestellt würden, "wo Europas modernstes Video-Überwachungssystem eingesetzt ist. Es wird weitere Überwachungsflüge über West- und Südniedersachsen geben. Aber in den Kreisen Lüneburg und Harburg brauchen wir sie nicht mehr. Außerdem regelt der Erlass, dass jeder Einsatzleiter vor Ort sofort ein Flugzeug zur Unterstützung der Einsatzkräfte vor Ort ordern kann", sagt Landesbranddirektor Jörg Schallhorn. Diese neuen Regelungen seien abgesprochen.

Dennoch besteht die Sorge in Lüneburg und Winsen, dass diese Kameras eben doch nicht die Funktion der Überwachungsflüge übernehmen könnten. Als unverantwortlich kritisiert Lüneburgs Kreisbrandmeister Torsten Hensel die Entscheidung aus dem Innenministerium. "Das ist ein Rückschritt. Ein Stück Sicherheit geht verloren. Der bedingungslose Glaube an die Technik ist gefährlich", sagt er.

Das Land nehme eine große Bedrohung für die Einsatzkräfte und Bevölkerung billigend in Kauf, moniert er. "Weil wir mit größeren Wald- und Flächenbränden rechnen müssen", so Hensel. Denn die Kameras können ihm zufolge die Flugüberwachung nicht ersetzen. "Es geht wertvolle Zeit verloren, weil die Besatzung in einem Flieger schneller Feuer entdecken kann als eine Kamera. Außerdem kann sie die Lage aus der Luft exakter einschätzen", so Hensel, der auch Flugdienstleiter am Standort Lüneburg ist.

Obwohl die Kameras einen Radius von rund 40 Kilometern überblicken können, sehen sie laut Hensel nicht alles - und das nicht einmal in geringer Distanz. "Bei Unterlüss steht eine Kamera nahe dem Werksgelände von Rheinmetall. Sie entdeckte einen Waldbrand in zwei Kilometer Entfernung vor ein paar Tagen nicht. Zum Glück waren die Feuerwehrflieger gestartet, die den Brand sahen." Die Luftbeobachter können eben bis zu 50 Kilometer weit blicken.

Aber auch die hohe Zahl der Fehlalarme deute auf eine weitere eklatante Schwäche des neuen Überwachungssystems am Boden hin. "Staub und Kalk, der bei Arbeiten auf den trockenen Äckern aufsteigt, können sie nicht von Feuerqualm unterscheiden." Nicht umsonst basierte der Schutz vor Wald- und Flächenbränden bislang auf zwei Fundamenten: Wachtürme in den Wäldern und Flugbeobachtung aus der Luft. "Die Kameras sind aber nur Ersatz für die Türme, die Flieger können sie nicht ersetzen."

"Es ist allerhöchste Zeit, dass sich Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) zu dieser Situation einmal klar äußert", fordert die Lüneburger SPD-Landtagsabgeordnete Andrea Schröder-Ehlers. "Ich erwarte jetzt ein deutliches Bekenntnis von ihm zur Sicherung des Feuerwehr-Flugdienstes und zum Standort Lüneburg", sagt sie. Vom Flugplatz im Industriegebiet Hafen starteten bislang die Flugzeuge auch in die Waldgebiete im Landkreis Harburg. Neben dem Piloten waren an Bord ein Feuerwehrmann als Flugbeobachter und ein Förster. Künftig dürfen sie nur noch starten, wenn sie zur Unterstützung der Löscharbeiten am Boden angefordert werden. "Doch sie können nicht mehr so schnell reagieren wie bislang, weil wertvolle Zeit zwischen Alarm und Start verloren geht", so Hensel. Das bereitet ihm große Sorge für die Einsatzkräfte, die zum Löschen ausrücken. "Die Gefahr ist groß, dass das Flugzeug nicht rechtzeitig eintrifft und somit die Besatzung den Bodenmannschaften nicht den richtigen Weg weisen kann, schlimmstenfalls Rückzugswege vor den Flammen ohne die Hilfe aus der Luft für sie bereits versperrt sind."

"Die Feuerwehrflieger sind für die Einsatztaktik in unserer Heide-Region äußerst wichtig und dürfen nicht an andere Standorte verlagert werden", so Schröder-Ehlers. Der Brandschutz sei mit der Neuregelung jedenfalls nicht gewährleistet, sagt sie. "Die Praxis hat doch eindeutig aufgezeigt, dass das modernste Kamerasystem Europas nicht ausreichend ist, um Großfeuern vorzubeugen."

Sein Kollege Horst Reymers, Kreisbrandmeister im Landkreis Harburg, teilt die Sorgen des Lüneburgers. "Wenn ein Einsatzleiter das Flugzeug aus Lüneburg bestellt, können zwei bis drei Stunden vergehen, bis der Flieger vor Ort ist. Das kann wertvolle Zeit kosten, denn bei der Größe der Wälder kann ein Feuer mitunter nicht geortet werden vom Boden aus. Die Flugzeuge können für die Einsatzkräfte überaus wichtig werden." Maximal zwei Stunden könne die Zeitspanne betragen, bis das Flugzeug da sei. In dieser Zeit, so Schallhorn, würden die Feuerwehrkameraden vor Ort in der Regel das Feuer bereits unter Kontrolle haben.