Obwohl Ebru Cetinkaya schon zehn Jahre volljährig ist, gibt sie bei der Bürgerschaftswahl zum ersten Mal in Deutschland ihre Stimme ab.

Harburg. "Ich war so aufgeregt", sagt Ebru Cetinkaya, 27, und lacht. "Schlüssel, Portemonnaie: Heute Morgen habe ich nichts gefunden, und kurz vor dem Wahllokal ist mir aufgefallen, dass ich meine Wahlberechtigungskarte vergessen habe. Da musste ich noch einmal zurückgehen."

Die Deutsche mit türkischem Migrationshintergrund ist gestern Morgen von ihrer Wohnung in der Straße "Zur Seehafenbrücke" hoch zum Lessinggymnasium gelaufen. Die Schule war für die Bürgerschaftswahl 2011 ihr Wahllokal. Und obwohl Ebru Cetinkaya schon fast zehn Jahre volljährig ist, durfte sie gestern zum ersten Mal ihre Stimme abgeben: Seit Dezember 2009 ist sie deutsche Staatsbürgerin, da wurde sie eingebürgert. "Es ist ein gutes Gefühl in dem Land politisch mitbestimmen zu können, in dem man lebt", sagt die gebürtige Türkin.

Geboren und aufgewachsen ist Ebru Cetinkaya in Lübeck, seit sechs Jahren lebt und arbeitet die Servicekraft in Harburg. Ihre Mutter hatte sich 1971 von der Lübecker Feinkost-Firma Hawesta anwerben lassen. "Sie kam aus einer sehr armen Gegend in der Türkei. Sie wäre gerne Lehrerin geworden, aber meine Großeltern konnten ein Studium nicht bezahlen", so Ebru Cetinkaya. "Meiner Mutter war es wichtig, ihren Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen."

1976 kam ihr Vater mit den beiden Töchtern nach. Die Familie blieb. Ebru wurde in Lübeck geboren. "Meine Schwestern und ich sind sehr deutsch." Das Recht auf Einbürgerung hatte Ebru Cetinkaya schon lange. "Aber ich habe mich nie darum gekümmert, obwohl ich mich immer für das interessiert habe, was um mich herum passiert.

Und nach jeder Wahl habe ich mir vorgenommen: Das nächste Mal bis du auch dabei." Das habe für sie nicht zusammengepasst: politisch interessiert zu sein, aber nicht zu wählen. Aber erst nachdem Ebru Centinkaya nach Hamburg gezogen war, hat sie bei der Behörde für Inneres die deutsche Staatsangehörigkeit beantragt.

"Als ich dann ein Jahr später meine Einbürgerungsurkunde in der Hand hielt, hatte ich Tränen in den Augen", erinnert sich die junge Frau. Auch wenn sie an beiden Kulturen hängt: "Die Türkei ist ein schönes Urlaubsland für mich - Deutschland meine Heimat." Deshalb möchte sie auch an dem beteiligt sein, was hier passiert. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Integrationsdebatte halte sie das für wichtig. "Aber man muss integriert sein, die Sprache sprechen, um seine Stimme für eine Partei und ihr Programm abgeben zu können."

Ebru Centinkaya: "Für mich ist die Bildungspolitik ein wichtiges Thema. Und ich bin gegen Studiengebühren. Wir leben in einem Land, in dem wir viele Steuern zahlen müssen, was auch in Ordnung ist. Aber es wäre traurig, wenn man auch noch für ein Studium zahlen müsste. Das würde sicherlich einige abhalten, die ohne Gebühren studiert hätten" Mit dem neuen personalisierten Wahlsystem hatte die Harburgerin keine Probleme. "Ich habe mich vorher genau informiert und auch in der Wahlkabine genau darauf geachtet, wie viele Kreuze ich mache", sagt Ebru Cetinkaya schmunzelnd. Danach sei sie erleichtert gewesen und: "Bei der nächsten Wahl bin ich wieder dabei."