Eine Speicherung von Kohlendioxid unter der Erde zwischen Hahnöfersand und Wedel würde auch das Obstbaugebiet betreffen, sagt Greenpeace.

Jork/Steinkirchen. Die Pläne der Bundesregierung, CO2-Endlager in Norddeutschland einrichten zu wollen, sorgt auch im Alten Land für Unruhe. Auf der am Wochenende von Greenpeace veröffentlichten geheimen Karte der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) ist der Hamburger Westen als "Standort Nr. 56" vermerkt. Das Areal, das sich laut Greenpeace etwa bei Hahnöfersand und Hanskalbsand befinden soll und bis nach Wedel reicht, würde laut der Umweltorganisation unmittelbare Auswirkungen auf das Alte Land haben. "Der Kreis Stade ist mit betroffen, das Projekt hätte erhebliche Auswirkungen für die Region", so Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid. Er geht davon aus, dass unter bestimmten Voraussetzungen der Salzgehalt im Wasser steigen könnte. Das würde den Obstbau im Alten Land direkt gefährden.

Wo das Lager genau liegen soll und welche geologischen Strukturen für das anvisierte mögliche CO2-Lager gelten, ist öffentlich derzeit noch nicht bekannt. Nach dem derzeitigen Informationsstand handle es sich bei dem Areal für den Speicherort um eine Fläche von 13,5 Quadratkilometern. Das Lager soll in etwa 205 Meter Tiefe liegen und ein Volumen von 2,8 Kubikkilometer haben. Bis zu 34,55 Millionen Tonnen Kohlendioxid sollen hier in flüssiger Form mit einem Kompressor in die Gesteinsschichten gedrückt werden. Greenpeace befürchtet, dass das Gas aus Leckagen im Gestein wieder austreten könne. "Der Druck weitet sich unter der Erde immer weiter aus, irgendwann wird das Ganze wieder hochkommen", so Smid. Er warnt auch davor, dass das Salz im Boden mit nach oben gepresst werden könnte. Dies würde zu einem Anstieg des Salzgehaltes im Grundwasser im Alten Land führen.

"Wenn dies wirklich eintreten sollte, wäre das eine Katastrophe für unseren Obstbau", sagt Hans Jarck, Bürgermeister der Samtgemeinde Lühe. Die Region könne sich nicht erlauben, noch mehr Salz im Boden oder im Wasser zu haben, dafür sei der Obstbau zu empfindlich. "Wir haben ja jetzt schon Probleme mit dem Brackwasser der Elbe", so Jarck. Jens Stechmann von der Bundesfachgruppe Obstbau sieht dies ähnlich. "Wir brauchen die Brunnen für die Beregnung der Bäume. Wenn die Brunnen wegen eines zu hohen Salzgehaltes für die Obstbauern wegfallen, dann haben wir ein ernstes Problem", so Stechmann. Auch Silja Köpke, Vorsitzende des Jorker CDU-Gemeindeverbands sieht die Pläne kritisch. "Alles was den Obstbau gefährdet, lässt bei uns die Alarmglocken schrillen", sagt Köpke.

Vom Obstbau sind etwa 600 Vollerwerbsbetriebe im Alten Land abhängig, 95 Prozent des Obstbaus findet laut Wilfried Plüschau von der Marktgemeinschaft Altes Land in den von möglichen Versalzungen bedrohten Elbmarschen statt. "Für uns wäre es daher zunächst sehr wichtig zu wissen, welche Gebiete genau betroffen sein könnten", sagt Plüschau.

Der Stader Bundestagsabgeordnete Serkan Tören (FDP) mahnt zur Ruhe. "Was genau kommen wird und welche Auswirkungen es haben wird, wissen wir noch gar nicht. Es wird derzeit viel gemutmaßt, auch von Greenpeace", sagt Tören. Die Technologie der CO2-Einlagerung sei noch in der frühen Erforschungsphase, so dass über Langzeitwirkungen, Sicherheit und Kosten noch nichts Definitives gesagt werden könne, auch nicht von Greenpeace.

"Wir haben zudem heute in Berlin im Einvernehmen mit Niedersachsen und Schleswig-Holstein beschlossen, dass die Länder ein Mitspracherecht bei den zur Diskussion stehenden Standorten haben werden und über ein Raumordnungsverfahren auch in den Prozess eingreifen können", so der FDP-Politiker. Das Endlager bei Hahnöfersand sei derzeit bei den Diskussionen aber belanglos, konkrete Standorte seien nirgends in Deutschland bisher auf politischer Ebene festgelegt worden. Tören kündigte zugleich aber Widerstand an, sollte der "Standort Nr. 56" wirklich einmal als mögliches Endlager in den Fokus geraten. "Das mache ich nicht mit", so der Parlamentarier.

Niedersachsen sei laut dem FDP-Politiker mit Gorleben und der Asse bereits ausreichend belastet. "Jetzt müssen auch mal andere Bundesländer ran", so Tören. Auch Jarck kündigte im Falle eines Falles Widerstand an. "Eine Sammelklage, gemeinsam mit Jork und Wedel wäre für mich Vorstellbar, um das Endlager, wenn es kommen sollte, zu verhindern", so der Samtgemeindebürgermeister.

Die aktuelle Entwicklung in Berlin begrüßt Plüschau. "Es ist wichtig, dass die Länder in dieser wichtigen Frage ein Mitspracherecht haben, denn es geht auch um die wirtschaftliche Zukunft der gesamten Region", sagt er. Sowohl der Niedersächsische Ministerpräsident David McAllister, als auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (beide CDU) hatten nach der Greenpeace-Enthüllung erklärt, dass sie die Lagerung von CO2 in den beiden Bundesländern kritisch sehen. Carstensen erklärte, dass es gegen den Willen der Bevölkerung keine Kohlendioxid-Endlagerstätten in seinem Bundesland geben werde. Beide Unionspolitiker hatten zudem vehement auf ein Mitspracherecht der Länder gepocht.

Trotz aller Kritik an dem Vorhaben, will Tören das Projekt nicht pauschal verteufeln. Die Technologie zur CO2-Lagerung lehnt er vor allem aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus nicht grundsätzlich ab. "Die Technologie muss weiter erprobt werden, denn wir brauchen dringend Innovationen, um wirtschaftlich unsere Zukunft zu sichern", so Tören.

Deutschland habe keine Rohstoffe, um seine Zukunft zu gestalten, daher müsse das Land neue Technologien erforschen. Nur, wenn eine technische Vorreiterrolle erlangt werde, könne das Land seine wirtschaftliche Entwicklung auf ein langfristig solides Fundament stellen. Die weitere Erkundung der unterirdischen Speichersysteme sei daher wichtig, auch wenn derzeit offen sei, ob das Projekt überhaupt einmal umgesetzt werden könne. "Das werden uns die nächsten Jahre zeigen, wenn die ersten Ergebnisse der Testbohrungen vorliegen", sagt Tören.