Christen und Muslime sprechen in Neugraben über Glauben und Integration

Neugraben. Die Debatten um Integration in Deutschland beschäftigen die Menschen auch im Hamburger Süden. Das zeigte eindrucksvoll ein Diskussionsabend am Freitagabend in der katholischen Kirchengemeinde Heilig Kreuz in Neugraben. 50 Frauen und Männer, die meisten aus der Generation 50 plus, pfiffen auf die Radio- und Fernsehübertragung des Bundesligaklassikers HSV gegen Bayern München und folgten der Einladung zum "interreligiösen Gespräch" - rund 30 Katholiken, zehn Protestanten und zehn Muslime kamen in den Gemeindesaal.

Der Abend stand unter dem Motto "Sind Christen und Muslime eigentlich gleich?". Eingeladen hatte der christlich-muslimische Gesprächskreis der evangelischen Gemeinden Neugraben und Hausbruch, der katholischen Gemeinde und der Moscheegemeinde Neugraben. Gesprächspartner waren Pastor Dr. Detlef Görrig, 46, Beauftragter für den christlich-islamischen Dialog der Nordelbischen Kirchen und Mehmet Karaoglu, 32, Vorsitzender des Islamischen Jugendbundes in Norddeutschland, der vom Bündnis islamischer Gemeinden in Norddeutschland finanziert wird.

"Ich glaube, wir haben uns viel zu erzählen", leitete die Pastorin der evangelischen Michaelisgemeinde Neugraben, Bettina von Thun, die Diskussion ein. Mehmet Karaoglu - "Ihr könnt mich einfach Mehmet nennen, das ist einfacher!" - kam im Alter von zwölf Jahren nach Hamburg. "Seitdem bin ich Hamburger, ich lebe ja den größten Teil meines Lebens in dieser Stadt."

Der Satz des Bundespräsidenten Christian Wulff eröffnete die Diskussion: "Der Islam gehört zu Deutschland." "Auch wenn es einigen nicht gefällt, ist der Islam eine Realität in Deutschland", sagte Mehmet Karaoglu. "Das ist keine subjektive Beurteilung des Bundespräsidenten, sondern eine Tatsache. Trotzdem gehörte zu diesen Worten Mut, weil die deutsche Gesellschaft ja erst einmal damit klar kommen muss. Es ist schön, dass unser Bundespräsident das so unmissverständlich gesagt hat."

"Die jetzigen Debatten sind oft zu überzogen und zu pauschalisierend", sagte Pastor Görrig und spielte damit auf die Publikation von Thilo Sarrazin an. Sein Buch "Deutschland schafft sich ab", von der FAZ als "antimuslimisches Dossier" bezeichnet, hatte die deutschlandweite Debatte ausgelöst, wie gut und wie weit Muslime in Deutschland integriert sind.

"Christen und Muslime sind nicht gleich, aber sie sind in unserem Land gleich berechtigt", sagte Pastor Görrig. "An erster Stelle sind wir Menschen und nicht Christen und Muslime. Wir sind auf dem Weg dahin, Christen und Muslime gleich zu schätzen. Die Hochschätzung der Menschen ist wichtig für Christen und Muslime."

"Es wäre besser zu sagen, Muslime sind Teil der deutschen Gesellschaft, als zu sagen, der Islam ist ein Teil Deutschlands", sagte eine jüngere Zuhörerin. "Denn wir sind immer noch ein christliches Land und wir definieren uns christlich." Ein älterer Zuhörer sagte: "Unser Grundgesetz und unsere Gesetze sind geprägt vom Christentum, das dürfen wir nicht vergessen und das müssen wir auch verteidigen."

Man könne eine ganze Gesellschaft nicht als muslimisch oder christlich bezeichnen, sondern nur einzelne Personen, entgegnete Mehmet Karaoglu. "In Hamburg zum Beispiel gehören rund ein Viertel der Menschen gar keiner Glaubensgemeinschaft an." Pastor Görrig fand "richtig", dass der Bundespräsident gesagt habe, es sei nicht entscheidend, wo einer her komme, sondern wo er hin wolle.

"Ich als muslimischer Mann kann nicht sagen, dass ich in Deutschland irgendwo schon einmal benachteiligt worden bin", sagte Mehmet Karaoglu. Aber muslimische Frauen, die ein Kopftuch tragen, würden "teilweise angepöbelt" und würden bei Bewerbungen abgelehnt. Das Tragen des Kopftuchs nahm einen großen Teil des Abends ein. "Steht im Koran, dass Frauen ein Kopftuch tragen müssen?", wollten Zuhörer wissen. "Es steht an sechs Stellen im Koran", sagte Mehmet Karaoglu.

"Ob eine Lehrerin mit Kopftuch oder eine Lehrerin mit einem Kreuz an der Kette - beides sind religiöse Symbole", sagte Mehmet Karaoglu. "Wenn es eine Freiheit geben soll, dann sollen die Leute selbst entscheiden, mit welchem Aussehen sie unterrichten wollen."

Pastor Görris hielt sich bei dieser Frage allgemeiner: "Wir müssen uns fragen, was ist die Motivation für das Tragen eines Kopftuches im Schulunterricht und was ist erträglich für den Umgang miteinander."

Auch der Schwimmunterricht beschäftigte die Runde. "Der Staat soll entscheiden, was im Unterricht gelehrt werden soll", sagte ein Zuhörer. "Schwimmen kann lebensrettend sein. Mit entsprechenden Ganzkörperanzügen werden die religiösen Gefühle von muslimischen Mädchen nicht verletzt. Es sind deren Eltern, die sie vom Schwimmunterricht fernhalten." Was gehe wohl in einem 12 Jahre alten Mädchen vor, das als einziges nicht beim Schwimmunterricht mitmachen dürfe, fragte ein anderer Zuhörer.

Er sei nicht dafür, dass muslimische Mädchen vom Schwimmunterricht befreit werden, sagte Mehmet Karaoglu. "Es muss dafür gesorgt werden, dass sie teilnehmen können, etwa auch durch getrennten Unterricht von Mädchen und Jungen." Danach war wieder das Kopftuch Thema. "Keine Frau wird ausgeschlossen aus der islamischen Gemeinde, wenn sie kein Kopftuch trägt", sagte Mehmet Karaoglu. Es gebe Frauen in der Neugrabener Gemeinde, die das Kopftuch nach dem Moscheebesuch wieder ablegen.

Und was passiert aus religiöser Sicht mit einer Muslima, die kein Kopftuch trägt, wollte eine Zuhörerin wissen. Mehmet Karaoglu: "Es ist verpflichtend für eine muslimische Frau das Kopftuch zu tragen. Für eine Frau, die das nicht beachtet, gibt es eine Strafe im Jenseits. Eine Frau, die das Kopftuch trägt, wird hingegen belohnt werden."