Ein Maler und ein Liedermacher widmen einen Abend dem faszinierenden Fluss. Mit dem Abendblatt sprachen sie über ihre Liebe zur Heimat.

Harburg. "Flussaufwärts" haben Jürgen Waldow und Wilfried Staake ihre musikalische Bilderreise mit Aquarellen und plattdeutschen Liedern rund um die Elbe betitelt. Die Multimediashow zeigen sie morgen ab 19 Uhr in der Martin-Luther-Kirche in Fliegenberg. Der Eintritt ist frei. Das Projekt gehört zu den Preisträgern des Kultursommers 2012 des Landkreises Harburg. Er ist dem Thema "Heimat" gewidmet.

Hamburger Abendblatt: Heimat wird oft mit Idylle verbunden. Sehen Sie das auch so?

Wilfried Staake: Für mich ist es etwas Notwendiges, das mit den persönlichen Wurzeln zu tun hat. Ich habe in den 70er-Jahren studiert, da war alles, was mit Heimat zu tun hatte, als konservativ gebrandmarkt, und man hat sich eher davon distanziert. Aber je älter ich werde, desto mehr merke ich: Ich habe Wurzeln hier in der Gegend. Die Elbe ist für mich etwas ganz, ganz Wichtiges. Ich wohne in Hoopte, schaue jeden Tag aufs Wasser. Dieser Fluss mit seiner Bewegung, dem Auf und Ab seiner Gezeiten ist ein schönes Symbol für das Leben mit allen Widrigkeiten, mal wunderschön, mal mit Schaumkronen und Sturmfluten.

Hat Heimat immer zwei Seiten?

Staake: Es ist ambivalent. Ich kann immer noch nichts anfangen mit typischer Heimatmusik. Dieses Seichte, das liegt mir nicht. Herr Silbereisen am Sonnabendabend, lass mal alle fröhlich sein - das ist nicht meine Welt. Aber ich merke, ich habe Wurzeln dieser Gegend. Ich glaube, das geht jedem Menschen so.

Herr Waldow, Sie haben sich diesen Ort als Heimat ausgesucht. Warum?

Jürgen Waldow: So kann ich das nicht sagen. Ich habe gesucht, habe nicht so die Sesshaftigkeit. Meine Heimat liegt im Osten, in Pommern. Als Neunjähriger musste ich da raus, in einer sehr bösen Zeit, da war die Heimat natürlich verklärt als das Elternhaus. Dann bin ich ziemlich rumgekommen. Ich war in Schleswig-Holstein, Berlin, Nordrhein-Westfalen, im Sauerland, in Köln. Aber im Norden habe ich mich wohlgefühlt, dahin wollte ich zurück.

Warum ist die Elbe so wichtig für Sie?

Staake: Mich hat sie als Kind immer fasziniert. Meine Mutter stammt von hier, und meine Tante hat hier gelebt. Sie zu besuchen war immer ein Highlight. Spätestens nach einer halben Stunde musste ich übern Deich, das Wasser sehen. Es gab damals in Fliegenberg eine Personenfähre. Als Kinder durften wir manchmal mitfahren.

Ist ein Heimatgefühl immer an einen Ort gebunden?

Staake: Es ist ein Gemisch. Es gehören die Menschen dazu, für mich auch die plattdeutsche Sprache. Ich bin in Stelle aufgewachsen, damals wurde das von der Dorfbevölkerung noch gesprochen. Und es sind die Orte. Waldgebiete, in denen wir als Kinder spielten, Häuser, diese Ecken in Bauernhöfen, in denen wir Gerümpel entdecken konnten.

Waldow: Ich habe ja auch in Köln gewohnt, da herrscht eine andere Mentalität. Die Elbe ist auch ein ganz anderer Fluss als der Rhein. Behäbig, ruhig, beständig, vielleicht auch geprägt durch die Menschen. Anders als die Rheinländer mit ihrer leichten Art. Pommern ist ja auch sehr beständig. Das gehört zum Heimatgefühl wie die Landschaft. Wenn Freunde aus dem Rheinland uns besuchen, lästern sie: Bei euch sieht man ja schon am Morgen, wer nachmittags zum Kaffeetrinken kommt. Ich sage dann: Ja, ist das nicht prima?

Herr Staake, singen Sie schon immer plattdeutsche Lieder?

Staake: Nein, überhaupt nicht. Ich mache seit 30 Jahre Musik und habe unter anderem in einer Oldie-Band gespielt. Und ich liebe die guten Songs der 50er-, 60er-, 70er-Jahre von Elvis, den Beatles. Das ist sehr ehrliche Musik, das finde ich klasse. Mit der akustischen Gitarre bin ich zu den Wurzeln zurückgekehrt, zuerst englische Folksongs, ein bisschen Country. Seit 1994 trete ich mit plattdeutschen Liedern auf.

Wovon handeln Ihre Lieder?

Staake: Von Land und Leuten, von Jahreszeiten, von den Elementen, Sonne, Monde und Sternen. Also sehr bunt gemischt. Ich habe auch eine CD veröffentlicht mit dem Titel "Elvmusik", also Elbmusik, das sind alles eigene Lieder.

Ist ein Lied dabei, das ihr Heimatgefühl besonders gut ausdrückt?

Staake: Mehrere. Ich habe eines über Elbfischer gemacht, eines über den Mond. Das ist ein Bild, das sich sehr stark eingebrannt hat. Ich habe beobachtet, wie der Mond aufgeht, genau über dem Fährhaus Zollenspieker. Wenn der Mond groß und dunkelgelb fast wie aus dem Fluss aufsteigt - das ist schon ein gewaltiger Anblick.

Gibt es eine bestimmte Tageszeit, zu der die Elbe besonders schön ist?

Waldow: Nein, das Wasser kann grau sein, hellblau, grün, braun. Nach Sonnenuntergang sehen die Häuser auf der anderen Seite ganz anders aus als morgens. Ich habe auch ein Bild gemalt mit einer bestimmen Postkartenkulisse. Ich will dieses Motiv auch noch im Nebel malen. Das ist sehr schwer. Die Elbe ist auch durch die Tide, durch Ebbe und Flut, ein abwechslungsreicher Fluss.

Staake: Wir haben unglaubliche Naturschauspiele vor der Haustür. Vor ein paar Tagen war Nebel über dem Deich. Das war unglaublich schön. Oder Sonnenuntergänge, gerade wenn es geregnet hat und die Sonne unter den düsteren Wolken durchschaut und auf der anderen Seite das Reet und die Bäume unfassbar schön angestrahlt sind.

Sie sind offenbar beide sehr angetan von dieser Gegend...

Waldow: Auf jeden Fall!

Staake: (lacht) Völlig begeistert.

Sind sie trotzdem schon mal in Konflikt geraten mit ihrer Heimat?

Waldow: Nein, ich habe bisher nie gedacht: Endlich weg hier. Das kann natürlich passieren. Als 1976 das Wasser fast über den Deich ging, kamen solche Überlegungen. Ist es richtig, hier unsere Kinder aufwachsen zu lassen? Aber ein Konflikt? Nein. Oder was meinen Sie?

Staake: Nein, für mich gibt es auch keinen Heimatkoller, dass mir zum Beispiel Kultur fehlt. Man ist ja sehr schnell in Hamburg und Lüneburg.

Haben Sie manchmal Heimweh?

Waldow: Wenn wir drei Wochen in Spanien sind oder sonst wo, habe ich schon das Gefühl, jetzt wird es Zeit, dass ich wieder nach Hause komme. Das ist ein ganz starkes, gutes Gefühl. Aber kein Heimweh in dem Sinne. Dafür habe ich zu viel kennengelernt. Ich hätte auch im Sauerland oder in Köln leben können. Aber wenn man sich mit einem Landstrich befasst, mit der Geschichte und den Besonderheiten, dann entwickelt sich ein Stolz. Wenn man weiß, was die Eiszeiten bei uns bewirkt haben und wo man das entdecken kann - das fördert das Heimatgefühl.

Herr Staake, sehen Sie das auch so?

Staake: Hmm, also je mehr ich weiß, desto tiefer ist sicherlich auch die Verbundenheit. Heimweh habe ich aber nicht, weil ich ja noch in meiner Heimat wohne. Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass, würde ich in Bayern leben, mal Heimweh nach dem Norden auftauchte.

Gibt es ein Wort, das für Heimat steht?

Staake: Heimat hat für mich im besten Sinne auch mit heiler Welt zu tun. Eine Welt aus der Kindheit, nach der man sich zurücksehnt. Deshalb ist wohl auch das Gefühl so stark. Es gibt ein schönes Gedicht von Klaus Groth: Ick wull, wi weern noch kleen, Jehann, dor weer de Welt so groot. Für Kinder ist alles riesig und wunderbar. Und irgendwann erkennt man, dass es auch Ecken und Kanten gibt. Für mich ist Heimat auch Verpflichtung gegenüber nachfolgenden Generationen, dass wir heute Weichen stellen, wie wir die Heimat unseren Kindern hinterlassen wollen.

Vielen Dank für das Gespräch.