Am Harburger Rathaus werben schon 14 Backshops um neue Kunden. Zugleich geben immer mehr Traditionsgeschäfte auf.

Hamburg. Im Umfeld des Harburger Rathauses einen weiteren Backshop zu eröffnen darf getrost als mutig bezeichnet werden. In den angrenzenden Straßen gab es bereits 13 davon, bevor jetzt ein weiterer dazukam: der Metropol-Backshop im Centrumshaus. "Es ist schon erstaunlich, dass der Bedarf an solcherart Geschäften offenbar noch immer nicht gesättigt ist", sagte Citymanager Matthias Heckmann dem Abendblatt.

Dabei liegt der Metropol-Backshop strategisch durchaus günstig - direkt am Ausgang der S-Bahn-Haltestelle Harburg Rathaus zwischen Arbeits- und Finanzamt. Und die Technische Universität mit ihren vielen Studenten ist auch gleich um die Ecke. Doch genau gegenüber, auf der anderen Straßenseite des Harburger Rings, werben zu diesem Zeitpunkt bereits drei Backshops um Kunden: die "Coffee Lounge" der Bäckerei Schmacke, die "BP-Bäckerei Ceylan" und der erst vor vier Monaten eröffnete "midpoint".

Das Konzept ist bei allen vier Läden identisch. Angeboten werden nicht nur (angelieferte) Backwaren, es gibt auch Kaffee, Tee und Snacks, die wie in einem Café an Ort und Stelle verzehrt werden können. Als "Alleinstellungsmerkmal" kann der Metropol-Backshop allenfalls für sich reklamieren, dass er zudem sechs verschiedene Pizzen feilbietet.

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Bis Mitte vergangenen Jahres wurden an gleicher Stelle noch Bücher verkauft. In Harburgs ältester Buchhandlung, gegründet 1919 von Gertrud Stein. Sie gehörte zu den ersten Mietern des 1928 errichteten Centrumshauses, dessen Bau "ein neues Zeitalter und den Wandel der Harburger Innenstadt zur modernen Einkaufs- und Wohncity" markierte, wie es auf der Homepage des denkmalgeschützten Ensembles heißt.

Über zwei Generationen haben inhabergeführte Geschäfte die Ladenflächen geprägt. Diese Zeit scheint unwiderruflich vorbei zu sein. "Eine Entwicklung, die in ganz Harburg zu beobachten ist", sagt Citymanager Heckmann. "Immer mehr geben auf - aus Altersgründen und weil es an Nachwuchs fehlt." Sich gegen Einkaufszentren und Discounter zu behaupten, wollten sich Kinder und Enkel der einstigen Existenzgründer einfach nicht mehr antun.

Zwar hatte die Centrumshaus Grundstücks GbR mit Sitz in Barmstedt dem Vernehmen nach mehrere Interessenten für die Geschäftsräume der ehemaligen Buchhandlung Stein, darunter auch ein Friseur und Gastwirte. Den Zuschlag erhielt letztlich der Metropol-Backshop. "Der Geschäftsführer, Herr Jazman, hat uns durch seinen selbstbewussten Auftritt und durch das beste Konzept überzeugt. Außerdem ist er Betreiber mehrerer Kioske auf S-Bahnhöfen und verfügt damit über viel Erfahrung in diesem Metier", sagt Dirk Michalski, einer der drei Eigentümer des Centrumshauses.

Für Carsten Schuster, den FDP-Fraktionsvorsitzenden in der Harburger Bezirksversammlung, ist der 14. Backshop auf einer Fläche von 400 mal 400 Metern (0,16 Quadratkilometer) ein Ausdruck freier Marktwirtschaft: "Jeder, der eine erlaubte Nutzung plant, sollte sein Geschäft auch betreiben dürfen." Für ihn sei der x-te Backshop als Nachfolger einer alteingesessenen Buchhandlung indes auch ein Beleg für den "Stillstand in der Standortentwicklung und für dringenden Handlungsbedarf".

"Da wurden in den vergangenen Jahren allein 50 000 Euro für neue Konzepte ausgegeben, aber zu sehen ist nichts." Ein richtiges Stadtteilmarketing müsse her, um neues Selbstbewusstsein zu entwickeln. "Dass ein Oberzentrum mit solch einem reichen Umland immer noch im Dornröschenschlaf verharrt, ist geradezu abenteuerlich", sagt Schuster.

Auch Harburgs Bezirksamtsleiter Thomas Völsch (SPD) sieht die Entwicklung der Einzelhandelsstruktur kritisch. "So kann eine nachhaltige Aufwertung der Innenstadt nicht gelingen. Hier sind viele lokale Aktivitäten gefragt und ein besseres City-Management." Die Verwaltung habe hier allerdings nur wenige Eingriffsmöglichkeiten. Deshalb appelliert er auch an die Vermieter, ihrer Gesamtverantwortung gerecht zu werden: "Es nutzt am Ende wenig, sich kurzfristig eine gute Rendite zu sichern. Weil die negativen Langzeiteffekte solch einer Vermietungsstrategie unberücksichtigt bleiben."

Sein Parteifreund, der SPD-Fraktionsvorsitzende Jürgen Heimath, hat schon ein Umdenken bei vielen Grundeigentümern ausgemacht: "Perspektivisches Denken ist unabdingbar, diese Erkenntnis setzt sich immer mehr durch. Weil nur durch den Zuzug von Qualitätsgeschäften kontinuierliche Einnahmen langfristig gesichert werden können."

Von einem attraktiven Branchenmix ist die Harburger City unterdessen weiter entfernt denn je. Ähnlich auffällig wie die große Zahl an Backshops ist sonst nur die ebenfalls sehr hohe Dichte an Dönerläden: In den Straßen rund ums Rathaus gibt es nicht weniger als acht davon.