Eine Ortsbegehung führt trotz eisigen Schneeregens zu hitzigen Streitgesprächen mit Verwaltungsvertretern über die geplanten Bauprojekte.

Neu Wulmstorf. Ingo Wolde steht ein wenig ungläubig vor dem nahe der Abfahrt Rade entstehenden Autohof in Mienenbüttel. Der Sprecher des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) im Regionalverband Elbe-Heide blickt herüber auf die Baustelle neben dem McDonalds an der Autobahn 1. In der Hand hält er einen Bauplan, auf dem auch der Verlauf der unterirdischen Pipeline des Chemieriesen Dow eingezeichnet ist, mit der stündlich 50 Tonnen des hochentzündlichen Gases Ethylen gepumpt werden. Wolde: "Was könnte bei einem Unfall eines Gefahrguttransporters in der Nähe passieren?"

Die Antwort kennt Ingo Wolde nicht. "Wir wollen Fragen stellen", beschreibt der BUND-Sprecher seine Rolle in der kommunalpolitischen Diskussion um das mehrere Hundert Millionen Euro schwere Großbauprojekt .

Im gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungsverfahren hat Wolde zahlreiche Bedenken aus Sicht des Umweltverbands geäußert. "Die Neu Wulmstorfer Gemeindeverwaltung hat keine einzige unserer Forderungen umgesetzt", sagt Wolde. "Die Verwaltung handelte intransparent und nahm die Interessen der Bürger nicht wahr."

"Das Ergebnis ist erschütternd", so Ingo Wolde weiter. Bei einer Ortsbegehung mit zwei Dutzend Teilnehmern am Sonnabend zeigte er auf, was nach BUND-Meinung alles schief gelaufen ist. Erster Punkt auf seiner Prioritätenliste ist die seiner Ansicht nach unzureichend gesicherte Pipeline des Chemiefabrikanten von Stade nach Teutschenthal in Sachsen-Anhalt.

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An die erschienenen Mitglieder der Ausschüsse für Umwelt beziehungsweise Planen und Bauen im Harburger Kreistag richtete Wolde die Mahnung: "Das Abstandmaß von drei Metern dient lediglich der Sicherung der Gasleitung vor Zufallsschäden bei Bauarbeiten." Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg und die Bundesanstalt für Materialforschung forderten einen Abstand von etwa 300 Metern zwischen Menschen und Pipeline. Wolde: "Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass für die Kunden und Mitarbeiter des Autohofs eine Gefahr besteht."

Auch etwa 100 Meter weiter, an der westlich der Anschlussstelle Rade gelegenen neuen Unterführung der A 1, könnten Materialermüdungen katastrophale Folgen haben. Auf der neuen Kreisstraße 39 sollen Prognosen zufolge künftig etwa 9000 Fahrzeuge täglich ins neue Industriegebiet rollen. "Die Kreuzung mit der Ethylenleitung hat an dieser Stelle nur knapp zwei Meter Überdeckung", sagt Wolde und fragt: "Welche Stellungnahmen haben die örtliche Feuerwehr und der TÜV zu dieser Kreuzung abgegeben?"

Auf diese Frage hatte Carsten Peters zwar keine Antwort. Der Leiter der Stabsstelle für Kreisentwicklung und Wirtschaftsförderung in der Winsener Landkreisverwaltung nahm aber die beteiligten Kommunen vor einer anderen Kritik vehement in Schutz: "Es wurde alles dem beschlossenen Bebauungsplan entsprechend umgesetzt." Genau das zweifelt Ingo Wolde an. "Der Erdwall zum Sichtschutz zwischen den Anwohnern der Straße Hinterm Hagen und den bis zu 14 Meter hohen Hallen ist möglicherweise höher aufgeschüttet worden, als im B-Plan vorgegeben", sagt der BUND-Sprecher. Aber auch bei Einhaltung der geplanten Höhe sei der Wall viel zu nah an den Wohnhäusern: "Die jetzige Lösung stellt eine Zumutung für die Anlieger dar."

"Entsetzlich aus Sicht des Naturschutzes ist dagegen, dass es an der weitergeführten Wennerstorfer Straße immer noch keinen Ersatz für die abgeholzten Bäume an dem eingeebneten Weg gibt", sagt Holger Mayer. Er engagiert sich bei dem Umweltverband vor allem für den Artenschutz. In Mienenbüttel habe es bis vor zwei Jahren eine große Kolonie von Fledermäusen gegeben. Doch durch die Bauarbeiten seien deren Fluggassen unterbrochen und Nahrungshabitate zerstört worden. BUND-Sprecher Ingo Wolde fragt daher: "Wann werden endlich zumindest die zugesagten Baumreihen beidseitig der Autobahn 1 gesetzt?"