Die Amtsgerichte im Landkreis Harburg kontrollieren Besucher bislang nur bei Verdacht. Justizminister fordert regelmäßige Kontrollen.

Winsen/Tostedt/Stade. Eine Woche nach den tödlichen Schüssen auf einen Staatsanwalt im Amtsgericht Dachau herrscht am Winsener Pendant wieder Normalbetrieb. "So etwas kann überall passieren, also auch hier", sagt Olaf Löffler. Der 48-Jährige ist seit zwölf Jahren Justizwachtmeister am Amtsgericht Winsen. Bei Personenkontrollen vor Verhandlungen stellt er immer wieder Taschenmesser und Nagelfeilen sicher, die Männer und Frauen vermutlich ohne böse Absichten mit ins Gericht nehmen wollten.

Löffler findet die auch als Waffen zu gebrauchenden Metallgegenstände bei Taschenkontrollen oder mit Hilfe einer Sonde, die er dicht am Körper des Betroffenen entlangführt. Wenn das Gerät anschlägt, nehmen entweder er selbst oder sein Kollege Reiner Dammann das Abtasten nach harten Objekten vor. Solche Einlasskontrollen sollen in niedersächsischen Gerichten bald zum Regelfall werden, fordert Landesjustizminister Bernd Busemann (CDU).

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"Ich finde es ganz toll, dass sich der Justizminister für mehr Sicherheit an den Gerichten einsetzt", sagt Albert Paulisch, Direktor des Amtsgerichts Winsen. Er unterstütze die Forderung nach Routinekontrollen für jeden Besucher der im Winsener Schloss untergebrachten Verhandlungssäle, des Grundbuchamts und der Nebenstelle für Zivilverfahren. "Das ist uns bislang allerdings mit unseren engen personellen Ressourcen unmöglich."

Mit den vier Vollzeit- und einer Halbtagskraft seien Einlasskontrollen in Verdachtsfällen zwar jederzeit möglich. Doch in der Praxis werde es zum Beispiel dann kompliziert, wenn das einzige weibliche Mitglied des Wachpersonals fehlt. Die Leibesvisitationen von Frauen übernimmt dann eine Justizangestellte ohne entsprechende Ausbildung. Aber immerhin sei die technische Ausstattung mit Metalldetektoren, Sonden und Notrufknöpfen bereits heute einwandfrei.

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Ähnlich ist die Situation am Amtsgericht in Tostedt, wo an normalen Tagen bis zu fünf Wachtmeister ihren Dienst versehen. "Wir bemühen uns um größtmögliche Sicherheit", sagt Gerichtssprecherin Petra Baars. "Aber eine absolute Kontrolle jedes einzelnen Besuchers werden wir nicht so einfach hinbekommen." Sie hält es bereits für eine wirkungsvolle Abschreckung möglicher Attentäter, dass jeder Gast am Gebäudeeingang vom Sicherheitspersonal gemustert wird.

"Außerdem muss ein Gerichtsbesucher bereits heute immer damit rechnen, dass er von den Wachtmeistern aufgrund eines spontanen Verdachts durchsucht wird", sagt Carl Fritz Fitting, Präsident des Landgerichts Stade. Besonders strenge Kontrollen gebe es an seiner Behörde bereits jetzt beim Zusammentreffen verfeindeter Rockerbanden vor dem Kadi. Und wenn am 25. Januar dem sogenannten Maskenmann in Stade der Prozess gemacht wird, seien gleich acht Wachmänner und -frauen im Einsatz.

"Aufpassen muss man aber auch immer dann, wenn Familien- und Erbstreitigkeiten verhandelt werden", sagt Fitting. Dabei gehe es nämlich teilweise sehr emotional zu und die Betroffenen gerieten in seelische Extremsituationen. "Bei der Vielzahl an Normalverfahren muss man dagegen den Wunsch nach hoher Sicherheit mit dem eigenen Anspruch der Öffentlichkeit der Gerichtsverfahren abwägen." Für diese Fälle vertraut er auf Doppelschleusen und massive Schranken.

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Am Amtsgericht im Winsener Schloss wird Justizwachtmeister Olaf Löffler die nächste Leibesvisitation bei männlichen Beteiligten eines Zivilverfahrens wegen Stalkings vornehmen. Ein Mann muss sich am Montagmorgen dafür verantworten, dass er einer von ihm verfolgten Frau immer wieder bedrohlich nahe gekommen ist.

Einmal selbst gezielt angegriffen zu werden, befürchtet Löffler nicht. Aber manche der von ihm durchsuchten Männer reagierten sehr aggressiv, wenn sie sich vor dem Beamten teilweise bis auf die Unterwäsche ausziehen müssen.