Einkaufsmöglichkeiten und Verkehrsanbindung sind gut, die Mieten bleiben günstig. Drei Studenten erklären ihre Wohnortwahl.

Wilhelmsburg. Erik nennt es liebevoll die Industrieromantik, die er an seinem Stadtteil schätzt. Damit meint er den beleuchteten Getreidespeicher, den er sieht, wenn er aus seinem Fenster schaut. Und die Kräne im Hafen. "So richtig dunkel wird es nicht, hier bei uns im Reiherstiegviertel", fügt Paul (24) hinzu. "Dafür ist der Hafen mit seinen Lichtern viel zu nah. Aber das stört mich nicht. Das ist eben eine ganz andere Lebenswelt hier auf der anderen Elbseite. Und die gefällt mir."

Wilhelmsburg wird das neue Trendviertel, ähnlich wie Schanze auf der anderen Elbseite. So ist zumindest die Meinung von vielen Stadtentwicklern. Ein Paradies für Studenten, sagen die einen. Eine negative Entwicklung zum Yuppie-Viertel, sagen die anderen. Prognosen über das neue Wilhelmsburg, das mit Hilfe von diversen Fördermaßnahmen zu einem attraktiveren Stadtteil gemacht werden soll, gibt es viel. IBA, igs, der Sprung über die Elbe: Schlagworte, die nahezu jedem Hamburger ein Begriff sind, wenn es um den Süden der Hansestadt geht. Doch wie ist das Leben auf der Elbinsel? Was für ein Potenzial hat der Stadtteil, und wie wohl fühlen sich die Studenten, deren Ansiedlung die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt finanziell mit Hilfe der Wohnungsbaukreditanstalt unterstützt?

"Man muss echt sagen - diese Gegend hat enormes Potenzial. Es gibt viele Häuser mit guter Bausubstanz und schönen Altbauwohnungen", sagt Elektrotechnikstudent Paul, der seit Ende des letzten Jahres mit seinem Freund Nico (24) eine WG im Reiherstiegviertel gegründet hat. "Allerdings meine ich damit besonders den Norden Wilhelmsburgs. Kirchdorf ist noch mal etwas ganz anderes." Zuvor hat der 24-Jährige auf der Veddel gewohnt. Um die richtige Wohnung zu finden, mussten die beiden lange suchen. Jetzt profitieren sie von der Studentenförderung der Stadt, zahlen nur wenig für ihre Zweier-WG.

Mit der S-Bahn in nur wenigen Minuten in der City, Busanbindung direkt vor der Tür, Supermärkte in unmittelbarer Nähe und "wenn das Wetter gut ist, dann kann man sogar zu Fuß durch den alten Elbtunnel zum Feiern auf den Kiez gehen", sagt der 25 Jahre alte Erik. Das sind die Dinge, die das Viertel attraktiv machen. Er studiert Technische Informatik an der HAW und ist zum Studieren aus Reinfeld, Schleswig-Holstein, direkt nach Wilhelmsburg gezogen. "Man kann sagen, dass das Ganze eine etwas ranzige Atmosphäre hat, ein bisschen anarchisch ist", sagt der junge Mann und lacht. Für ihn ist diese Bewertung keineswegs negativ. "Und in unserer derzeitigen Lebenssituation kann man hier wunderbar leben." Eine freundliche Grundstimmung, das multikulturelle Umfeld und eben ein lockeres Zusammenleben, wo sich niemand daran stört, wenn es bei der WG-Party mal etwas lauter ist. All diese Dinge machen den Stadtteil für Nico, Erik und Paul und viele andere junge Menschen attraktiv.

Mit den Vorurteilen Wilhelmsburgs werden die jungen Männer dennoch ständig konfrontiert. "Besonders Hamburger in unserem Alter halten nicht viel von diesem Stadtteil", sagt Nico, der Geschichte und Mathematik auf Lehramt studiert. "Wir müssen immer erklären, warum wir hier wohnen, warum es uns hier gefällt." Natürlich gebe es auch negative Aspekte, gibt der Student zu. Aber so schlimm wie sein Ruf, sei der Stadtteil nun wirklich nicht. Dennoch - meistens seien es junge Leute von außerhalb, die nach Hamburg in den Stadtteil Wilhelmsburg ziehen.

Ein bisschen was sollte sich noch verändern, da sind sich die Studenten einig. Vielleicht sollte die Bahn einmal mehr fahren und ein paar nettere Kneipen in den umliegenden Straßen aufmachen. Aber das stetige Ansteigen seines Mietpreises sieht Erik als ein schlechtes Vorzeichen für die Entwicklung des Stadtteils an. "Das ist wie eine Kettenreaktion: Die privaten Anbieter ziehen ihre Miete an, die alteingesessenen Wilhelmsburger können durch diese Entwicklung wirklich Probleme bekommen", sagt der 25-Jährige. "Früher war das Schanzenviertel auch einmal ein Viertel mit schlechtem Ruf, in dem man billig leben konnte. Und heute kann kein normaler junger Mensch dort die Miete zahlen." Mit dieser Entwicklung sieht der Student das Flair des Stadtteils verloren gehen.

Aber damit wollten sich die jungen Männer derzeit noch nicht auseinander setzen. "Erstmal wäre viel wichtiger, dass dieser Zaun da an der Harburger Chaussee in Richtung Veddel entfernt wird. Dann könnte man toll am Wasser sitzen", sagt Paul. "Denn eigentlich fühlen wir uns echt wohl hier. Wir sind bewusst hierher auf die andere Seite der Elbe gezogen und wollen auch nicht so schnell wieder weg."