Das Unternehmen produziert gigantische 706 000 Tonnen Walzdraht im Jahr. Für die Firmenchronik werden noch Dokumente gesucht.

Waltershof. Der Name ist nicht mehr der alte. Vor 40 Jahren als Hamburger Stahlwerke (HSW) gestartet, firmiert das gut 600 Mitarbeiter zählende Unternehmen an der Dradenaustraße 33 inzwischen unter dem Namen ArcelorMittal Hamburg GmbH und ist Teil eines weltweit agierenden Stahlwerk-Konzerns. Trotz wechselhafter Entwicklung an der Unternehmensspitze, fühlt sich die Belegschaft nicht durcheinander gewürfelt. Im Gegenteil: Der HSW-Konkurs (Korf Konzern) 1983, Auffanggesellschaft und Fortführung 1984 mit neuer Geschäftsführung, seit 1995 Ispat Hamburger Stahlwerke und seit 2007 ArcelorMittal Hamburg GmbH, hat die Mitarbeiter nur noch enger zusammengeschweißt. "Wir fühlen uns wie eine große Familie", sagt Hartmut Krüger (58), für Qualitätsprüfung zuständiger Laborleiter. Seit 39 Jahren ist er im Betrieb, hat alle Höhen und Tiefen miterlebt, kennt sich aus wie kaum ein anderer. So liegt es auch in seinen Händen, zusammen mit Britta Hempel - sie ist Assistentin der Geschäftsführung - eine Firmenchronik zu erstellen. Titel: "40 Jahre Stahl aus Hamburg". Für Oktober ist eine große Feier geplant.

Höhen und Tiefen sind auch heute noch ein Thema. Und ob in den kommenden 40 Jahren an der Elbe noch Stahl "gekocht" wird, ist überhaupt nicht sicher. Gerade erst hat Geschäftsführer Lutz Bandusch in der Plenumssitzung der Handelskammer seinen Vortrag "Hat das Stahlwerk in Hamburg eine Zukunft?" gehalten. Bandusch sieht schwarz. Wenn es so weitergeht, haben seinen Worten nach sämtliche energieintensiven Unternehmen in Deutschland keine Chance, um im weltweiten Wettbewerb zu bestehen. In Hamburg wären dies neben den Stahlwerken vorrangig die Alu-Werke, die Kupferhütte (Aurubis) und alle Erdölraffinerien.

Dringenden Handlungsbedarf sieht er bei der Bundesregierung, gleiche Verhältnisse zu schaffen, wie es Spanien mit einer vereinbarten "Abschaltprämie" bereits vorgemacht hat. Bandusch: "Auf unser Werk übertragen, ergäbe sich durch eine vergleichbare Vereinbarung eine jährliche Einsparung von 20 Millionen Euro. Das ist die Hälfte unserer Personalkosten. Unser Wettbewerb ist der Weltmarkt. Da verkauft nur der, der günstig produziert." Das Hamburger Stahlwerk an der Dradenaustraße in Waltershof gilt in Produktivität, Energieausnutzung und Umweltschutz als vorbildlich, unterschreitet unter anderem Kohlendioxyd-Grenzwerte, befindet sich in ständiger Prüfung und Zertifizierung. Und alle Mitarbeiter, insbesondere die in der Produktion in vier Schichten pro Tag arbeiten, sind regelmäßig in ärztlicher Untersuchung. "Wir arbeiten gern für unser Stahlwerk", sagt Hartmut Krüger, der täglich per Auto aus Apensen zur Arbeit kommt. "Es gibt sehr viele langjährige Mitarbeiter", ergänzt er, "und es gibt auch einige, die sehr weite Wege zur Arbeit in Kauf nehmen, beispielsweise aus dem Kreis Cuxhaven, aus Otterndorf." Das Gemeinschaftsgefühl stärken unter anderem Betriebssportgruppen, Rentnertreffen, Weihnachtsmärchen für Kinder, Familientage.

Ein Stahlwerk funktioniert ähnlich wie eine Küche. Es wird gekocht. In einen Kessel kommen Eisenerz und Zuschlagstoffe wie Mangan und Silizium. Aber auch 65 Prozent des gesamten Hamburger Schrotts kommt hinein, darunter etwa 100 Millionen Weißblechdosen jeden Monat. Mit Gas und Strom wird kräftig eingeheizt. Bei etwa 1400 Grad Celsius liegt der Schmelzpunkt. Die "Suppe" brodelt feuerrot. Der Abstich wandert in die Stranggussanlage und ins Walzwerk. Das Hamburger Stahlwerk gilt als größter Strom- und Erdgasverbraucher der Stadt, produzierte im Jahr 2008 fast 900 000 Tonnen Flüssigstahl und fertigte daraus unter anderem knapp 706 000 Tonnen Walzdraht. Aus dem Walzdraht werden unter anderem Büroklammern hergestellt oder dicke Stahlseile.

Ehemalige Mitarbeiter, die Fotos, Texte oder Erinnerungsstücke aus der Vergangenheit der Stahlwerke für die Chronik beisteuern können - möchten sich melden. Telefon: 040/740 82 02.