Gibt es bald einen gemeinsamen Landkreis Harburg-Lüneburg? Wenn es nach dem Lüneburger Landrat Manfred Nahrstedt (SPD) geht, ist dieser Gedanke nicht abwegig (das Abendblatt berichtete).

Winsen. Seine Aussagen haben zu einem Aufschrei aus den Reihen der Harburger CDU-Landtagsabgeordneten Norbert Böhlke, Heiner Schönecke und André Wiese geführt. Allesamt lehnen einen gemeinsamen Großkreis ab und vermuten hinter den Aussagen des Sozialdemokraten Parteipolitik der Landes-SPD. Im Abendblatt-Gespräch äußert sich auch Harburgs Landrat Joachim Bordt (FDP) mehr als skeptisch und lehnt in seiner Replik auf die Aussagen seines Amtskollegen einen Zusammenschluss ab.

Abendblatt:

Herr Bordt, vor zwei Jahren haben Sie während der 75-Jahr-Feier des Landkreises gesagt, es sei nicht unbedingt zu erwarten, dass der Landkreis in 75 Jahren noch in seinen heutigen Grenzen bestehe. Wie lange gibt es den Landkreis noch?

Joachim Bordt:

Ich bin kein Prophet. Aber nach meiner Auffassung hat der Landkreis Harburg die ideale Größe - sowohl in Bezug auf die Einwohnerzahl von rund 250 000 Menschen als auch die Fläche mit fast 1300 Quadratkilometern. Warum fragen Sie?

Abendblatt:

Ihr Lüneburger Kollege Manfred Nahrstedt ging kürzlich öffentlich mit dem Gedanken schwanger, die Kreise Lüneburg und Harburg könnten fusionieren. Was halten Sie davon?

Bordt:

Vor dem Hintergrund der knappen Kassen mag das eine naheliegende Überlegung sein. Insgesamt muss die Not in Lüneburg sehr groß sein, wenn Landrat Nahrstedt einen solchen Hilferuf startet. Ich bin allerdings kein Freund davon, sein Heil allein in der Größe zu suchen.

Abendblatt:

Inwiefern?

Bordt:

Eine Fusion von Landkreisen muss Sinn ergeben, es muss eine Win-Win-Situation entstehen - und die sehe ich bei einem Zusammenschluss mit Lüneburg nicht.

Abendblatt:

Aber Herr Nahrstedt hat Harburg seinen "Wunschpartner" genannt.

Bordt:

Das ist ja schön. Aber Gebietsreformen sind kein Wunschkonzert. Ehrlich gesagt habe ich in seinem Fusionsplädoyer kein Argument gefunden, das dafür spricht, sich mit dem Landkreis Lüneburg zusammenzuschließen. Es muss doch entscheidend sein, dass ein Mehrwert entsteht. Aber noch einmal: Den sehe ich nicht.

Abendblatt:

Sie erteilen dem Fusionswunsch also eine klare Absage?

Bordt:

Wenn Sie so wollen: Ja.

Abendblatt:

Wie begründen Sie das?

Bordt:

Herr Nahrstedt spricht davon, dass den Menschen egal ist, in welchem Verwaltungskonstrukt sie leben. Das sehe ich anders. Die Menschen bei uns identifizieren sich mit ihrem Landkreis. Es ist ihnen eben nicht egal, wo sie hingehören. Das zeigt sich allein schon in dem großartigen bürgerschaftlichen Engagement, mit dem sich viele Menschen im und für den Landkreis einbringen. Außerdem würde ein gemeinsamer Großkreis von Amt Neuhaus bis Rübke oder Königsmoor reichen. Eine gewaltige Fläche.

Abendbatt:

Wäre eine solche Fläche zu verwalten?

Bordt:

Außenstellen der Verwaltung würden das möglich machen. Aber das bringt nicht die erhoffte Kostenersparnis. Zudem sollte die Anzahl der kreisangehörigen Mitgliedsgemeinden überschaubar bleiben.

Abendblatt:

Lüneburg und Harburg hätten zusammen 85 Städte und Gemeinden ...

Bordt:

Genau das ist es, was ich meine. Das sind zuviel. Da geht jegliche Bürgernähe und politische Mitbestimmung verloren.

Abendblatt:

Herr Nahrstedt meint, Bürgernähe werde ohnehin durch das Internet ersetzt. Immer weniger Menschen würden in die Verwaltung kommen.

Bordt:

Die Meinung mag er ja haben. Ich spüre in meiner täglichen Arbeit etwas anderes, nämlich Identifikation unserer Bürgerinnen und Bürger mit dem Landkreis Harburg.

Abendblatt:

Die Fusion der Sparkassen ist ja bereits gescheitert.

Bordt:

Diese Fusion halte ich für sinnvoll. Aber letztendlich hat das politische Mandat in Lüneburg gefehlt, und ich bezweifle sehr, dass es politische Rückendeckung für die Überlegungen von Landrat Nahrstedt zu einer Fusion gibt. Vielmehr sollten die Lüneburger erst einmal ihren Lüneburg-Vertrag unter Dach und Fach bringen.

Abendblatt:

Wie meinen Sie das?

Bordt:

Für mich sieht es so aus, als würde die Stadt Lüneburg den Status der kreisfreien Stadt anstreben und der Rest des jetzigen Lüneburger Kreisgebiets würde dann in einem Großkreis Harburg aufgehen. Ob ein solcher Anschluss von Rest-Lüneburg an unseren Landkreis für uns Mehrwert bringt, wäre dann zu prüfen.

Abendblatt:

Das klingt, als seien Sie nicht grundsätzlich gegen die Fusion.

Bordt:

Grundsätzlich ist vieles möglich. Aber es muss im Einzelfall Sinn ergeben. Und den sehe ich nicht. Anders bei Kooperationen - das machen wir ja schon in vielen Bereichen vorbildhaft. Die virtuelle Leitstelle mit Soltau und Rotenburg, das gemeinsame Rechnungsprüfungsamt mit Lüneburg oder die Tourismusvermarktung der Lüneburger Heide und der Elbe sind solche sinnvollen Kooperationen. Da entstehen echte Synergieeffekte. Und wir können ja auch voneinander lernen, wie das Beispiel Bauen-Online zeigt, bei dem Lüneburg in unsere Fußstapfen tritt.

Abendblatt:

Die Notwendigkeit einer Gebietsreform sehen Sie also nicht?

Bordt:

Nein, vielmehr halte ich eine Funktionalreform für vorrangig. Wir müssen uns gesamtgesellschaftlich darüber verständigen, welche Aufgaben der Staat wahrnehmen soll. Welche Aufgaben können wegfallen, welche muss der Staat zwingend wahrnehmen und was kann in private Hand gegeben werden? Darüber sollte geredet werden.

Abendblatt:

Jetzt mal ohne territoriale Animositäten: Würde ein Zusammenschluss von Lüneburg und Harburg finanziell sinnvoll sein?

Bordt:

Für den Landkreis Harburg? Nein. Finanziell sind wir vergleichsweise gut aufgestellt, auch in diesen Krisenjahren schlagen wir uns deutlich besser als andere Kreise. Außerdem belegt das Beispiel Region Hannover, dass eine Fusion nicht zwingend mit einer Verbesserung der Finanzsituation einhergehen muss. Eher im Gegenteil.

Abendblatt:

Wer wäre denn Ihr Wunschpartner bei einer Fusion?

Bordt:

An Fusionen denke ich nicht. Es kommt auf gute Kooperationen an, und die können mit dem Landkreis Pinneberg genauso gut funktionieren wie mit der Metropole Hamburg, dem Land Niedersachsen oder dem Landkreis Stade. Und natürlich auch mit dem Landkreis Lüneburg. Mit Herrn Nahrstedt arbeite ich auch in dieser Beziehung hervorragend zusammen.