Pflegeeltern kämpfen seit Langem um mehr Unterstützung durch die Verwaltung. Die Jugendamtsleiterin muss ihr Verhalten rechtfertigen.

Winsen. Die Spannung im Sitzungssaal B-013 der Kreisverwaltung am Winsener Schlossplatz war am Mittwochabend sprichwörtlich mit Händen zu greifen. "Es flimmert hier etwas durch den Raum", drückte es Katrin Munz aus. Die Hollenstedter Abgeordnete des Harburger Kreistags meinte damit aber nicht die erhöhte Zimmertemperatur, sondern den langjährigen Konflikt zwischen Verwaltung und Bürgern, die ein Pflegekind betreuen. "Es knirscht bei der Zusammenarbeit", so die Grünen-Politikerin.

+++Wertschätzung für Pflegeeltern!+++

"Wir haben seit vier Jahren darum gekämpft, auf die Tagesordnung des Jugendhilfeausschusses zu kommen", sagt Götz Gerke. "Bisher konnten wir unsere Anliegen nur in der Einwohnerfragestunde vortragen", so der Vorsitzende des Vereins Pflegeelterninitiative im Landkreis Harburg (Pfeil). Der Luhdorfer hat vor acht beziehungsweise sechs Jahren selbst zwei Mädchen aufgenommen, die im Alter von sechs und drei Monaten von ihrer alkoholkranken Mutter getrennt wurden.

"Erst mit den Jahren haben wir gemerkt, dass die beiden Schwestern manchmal ihre Ticks haben", sagt Gerke. Hirnschäden, die durch Alkohol in der Schwangerschaft entstanden seien, zeigten sich an unkontrollierter Zerstörungswut und sehr kindlichem Verhalten. "Die Ältere hat in ihrem ersten halben Lebensjahr zudem viel Gewalt erfahren", so der Pflegevater.

Die problematische Kinderstube der beiden Mädchen macht sich auch noch heute im neuen Zuhause alltäglich negativ bemerkbar. "Das kann eine Familie sprengen", sagt Gerke, der auch drei leibliche Kinder hat. Von dem Jugendamt des Landkreises Harburg fühlt er sich für seine Erziehungsarbeit mit den angenommenen Schwestern aber nicht ausreichend unterstützt. Bei pädagogischen Fragen sei der bislang mit 1,5 Stellen besetzte Pflegekinderdienst keine Hilfe gewesen.

+++Was Pflegeeltern im Umgang mit Behörden erleben+++

"Ein ganz wichtiges Instrument", um die Kinder besser betreuen zu können, ist für Gerke die Supervision. Diese psychosozialen Beratungen gab es im Landkreis Harburg bislang nur als Gruppensitzungen. Im kommenden halben Jahr werden den Pflegeeltern aber auch bis zu sechs individuelle Gespräche mit einem Stundenlohn von maximal 107 Euro vom Jugendamt finanziert. Danach wird entschieden, ob dieses freiwillige Angebot weiter bestehen soll, denn wenn die landkreisweit 108 Pflegeeltern alle Termine wahrnehmen würden, entstünden Kosten von knapp 140.000 Euro.

"Es ist gut, dass diese Möglichkeit jetzt zur Verfügung steht", sagt Pfeil-Vorsitzender Gerke. "In Anspruch genommen wird in der Praxis vielleicht ein Drittel der beschlossenen Obergrenze." Er sieht die Entscheidung des Jugendhilfeausschusses als Erfolg der Lobbyarbeit seines Vereins. "Das lindert schon einmal die Not." Zugeständnisse, die zu einem politischen Kompromiss einfach dazugehörten, machte Gerke bei der Forderung nach einer generellen Binnenhaftpflichtversicherung aller Pflegekinder durch den Landkreis. Stattdessen müssen die Pflegeeltern weiterhin Einzel-Policen abschließen, deren Kosten auf Antrag übernommen werden.

Eine typische Kompromisslösung fand der Jugendhilfeausschuss auch bei der personellen Besetzung des Pflegekinderdienstes. Die Pfeil-Forderung nach 3,5 Fachpersonalstellen fand sich in einem Antrag der Gruppe Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke wieder. Im neuen Stellenplan der Abteilung Jugend und Familie ist aber nur ein weiterer Sozialarbeiter vorgesehen. Ein anderes Detail der Personalplanung dürfte Gerke ebenso nicht unglücklich machen: Jugendamtsleiterin Barbara Stiels hat für das Jahr 2016 angekündigt, in Altersteilzeit zu gehen. Mit ihr hatte der Pfeil-Vorsitzende kontroverse Gespräche. "Es bestand auf der Gegenseite keine Einsicht, dass Handlungsbedarf für unsere Situation besteht", sagt er. "Da wächst über die Jahre der Frust."

Stiels hatte als Antwort auf einen Fragenkatalog von CDU/WG-Gruppe und FDP-Fraktion die Arbeit der von ihr geleiteten Abteilung mit der aktuellen Personalstärke begründet. "Wir beraten Pflegeeltern so, wie es das Gesetz verlangt." Große Probleme sieht sie bei der Zusammenarbeit mit den Hamburger Jugendämtern, die Kinder von unzuverlässigen Eltern an Paare im Landkreis Harburg vermitteln. Sie nannte Beispielfälle von häuslicher Gewalt, deren Opfer nur von Fachkräften betreut werden sollten. Stiels: "Das entspricht nicht unseren Kriterien."

Im Landkreis Lüneburg gibt es weniger Berührungspunkte mit den Hamburger Problemen. Zwar liegt die Zahl der 170 dortigen Pflegekinder in 99 Familien um zwölf über der Zahl für den Landkreis Harburg. Aber statt 77 kommen dort weit weniger sogenannte "Übernahmen" aus Hamburg. Nach Angaben von Birgit Fischer, Sprecherin des Landkreises Lüneburg, sind knapp ein Drittel der Pflegekinder in den Gemeinden rund um Lüneburg älter als 14 Jahre. "Manche Pflegeeltern haben zwei, drei oder vier Kinder aufgenommen." Wir haben seit vier Jahren darum gekämpft, auf die Tagesordnung des Jugendhilfeausschusses zu kommen.