Familie aus den Elbvororten bewirbt sich um ein Kind, bekommt aber nicht mal eine Antwort. Eine Mutter aus Bergedorf kritisiert Leichtfertigkeit der Behörde

Hamburg. Rund 1300 Kinder leben in Hamburg bei Pflegeeltern - weitaus mehr, gut 2100 Kinder, sind in Heimen untergebracht. Auch, weil es an geeigneten Familien mangelt, denen die Behörden eine Aufnahme zutrauen. So zumindest betonen die zuständigen Stellen immer wieder. Allerdings wachsen die Zweifel an diesen Erklärungen, wenn man hört, was Familie Berger (Name geändert) aus den Elbvororten mit Hamburgs Jugendämtern erlebte.

Sie bewarb sich vor einigen Jahren um die Aufnahme eines Kleinkindes - eine jüngere Schwester für die eigene Tochter. Die Behörde hatte dazu geraten, dass einige Jahre Abstand zwischen dem leiblichen und dem Pflegekind liegen. Zugleich machten die Bergers deutlich, dass ihnen daran gelegen sei, dass das Kind dauerhaft in der Familie bleiben kann. "Natürlich war uns klar, dass jedes Pflegekind unter Umständen wieder in seine Familie zurückkehren muss beziehungsweise kann. Dennoch gibt es Situationen, die eher für einen Verbleib des Kindes bei den Pflegeeltern sprechen", sagt Frau Berger.

Voller Optimismus bewarben sie sich. Zunächst ließ sich alles gut an. Die Bergers nahmen das langwierige Prozedere gerne auf sich: Sie gaben bereitwillig Selbstauskunft und verfassten umfangreiche Lebensberichte, die alle Mitglieder der Familie selbst schreiben mussten. Dann meldeten sie sich zum zehnteiligen Pflegschaftskursus an. An diesen Vorbereitungsabenden in Wandsbek wurden die potenziellen Pflegeeltern auf die Herausforderungen eingestimmt, was es heißt, ein Kind aufzunehmen. In der Behörde wurde die Familie sehr persönlich zum Lebenslauf und zu Lebenseinstellungen befragt. Eine Mitarbeiterin besuchte sie zu Hause. "Wir saßen auf der Terrasse, tranken Kaffee. Die Dame schaute sich das Kinderzimmer an und war begeistert", erinnert sich der Familienvater.

Doch dann folgte - Schweigen. Hin und wieder flatterte ein unpersönlicher Serienbrief ins Haus, überschrieben mit "Liebe Pflegeltern". Das wären sie gern gewesen; doch ihre Bewerbung blieb über Monate unbeantwortet.

Immer wieder hakten die Bergers beim Bezirksamt nach und wurden vertröstet. "Wir haben uns wie Bittsteller gefühlt", erinnert sich Frau Berger. Regelmäßig boten sie sich an, brachten sich ins Gespräch. Keine Reaktion. Irgendwann sagte die Tochter: "Nun wird es langsam Zeit. Sonst bekommt das Pflegekind ja keine Mama, sondern eine Oma." Nachdem vier Jahre erfolglos verstrichen waren, die Bergers nichts vom Jugendamt gehört hatten, zogen sie ihr Angebot schließlich frustriert zurück. Zumindest daraufhin gab es ein Lebenszeichen aus der Behörde: Auf dem Anrufbeantworter hörten die Bergers vom Bedauern der Stadt. Es habe nicht an den Bergers gelegen, sondern an deren Anforderungen - die mangelnde Rückkehr-Option und der Wunsch nach einem Kleinkind. Es habe sich kein Kind gefunden, das "gepasst hätte". "Ich habe mich immer gefragt, warum dann nicht ein einziges Mal mit uns gesprochen wurde, ob wir unseren Antrag anpassen würden", sagt Herr Berger heute. Seit dem Fall Chantal stellt er sich diese Frage noch dringlicher.

Ein leichtfertiger Umgang mit Pflegekindern und völliges Desinteresse - das wirft eine Pflegemutter, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, dem Jugendamt in Bergedorf vor. Bei der Frau und ihrem Ehemann leben bereits drei Pflegekinder. Vergangenes Jahr habe ihr ein Jugendamtsmitarbeiter am Telefon erzählt, dass die Schwester eines ihrer Pflegekinder in Obhut genommen werden müsse und ob sie sich kurzfristig um das Mädchen kümmern könne. "Ich willigte ein, war jedoch sehr überrascht, als mir gesagt wurde, dass die leiblichen Eltern das Kind zu uns bringen würden", sagt die erfahrene Pflegemutter. "Schließlich musste das Mädchen nicht ohne Grund aus der Familie herausgenommen werden." Dennoch wurde das Kind nicht von Sozialpädagogen, sondern von den Eltern zur Pflegefamilie gebracht.

"Anschließend hat sich niemand von der Behörde vergewissert, ob das Mädchen bei uns angekommen ist, es ihm gut geht oder ob das Kind überhaupt noch lebt", sagt die Pflegemutter. Dieser leichtfertige Umgang mit einem Pflegekind sei erschreckend. "Ich habe die Jugendamtsmitarbeiter in den Wochen danach telefonisch immer wieder darauf hingewiesen, dass noch niemand bei uns zu Hause war, seitdem das vierte Kind bei uns lebt." Eine Kontrolle oder Überprüfung habe es trotzdem nicht gegeben. "Dass es so viele Lücken gibt, in denen Pflegekinder verloren gehen können, finde ich schrecklich."