Naturschützer finden neue Möglichkeiten, die kratzige Wolle der Heidschnucken zu nutzen. So lassen sich etwa Sitzkissen und Düngepellets herstellen.

Tütsberg. Laut ist das Geräusch der Schermaschinen im Stall auf dem Tütsberg bei Schneverdingen, immer wieder wird es übertönt von ängstlichem Geblöke. Die Heidschnucken wehren sich gegen die bevorstehende Behandlung, sie wollen weglaufen. Adam Zmudzinski und seine Kollegen lassen sich nicht aus der Ruhe bringen, alle drei Minuten ist eine neue Schnucke dran und muss ihre Wolle hergeben. Für die rund 2500 Heidschnucken der Stiftung Naturschutzpark Lüneburger Heide brauchen die sechs erfahrenen Scherer aus Deutschland, Polen, Australien und Neuseeland gerade mal zwei Tage.

Für die Schnucken ist dies der aufregendste Moment im Jahr, sie haben Angst vor den vielen Menschen und den ungewohnten Geräuschen in ihrem Stall, weiß Schäfer Uwe Storm. Doch hinterher gehe es ihnen besser - unter der dicken Winterwolle war es ihnen in den vergangenen Tagen schon zu warm geworden. "Ruhiger werden die Heidschnucken nach der Schur, und sie fressen besser", sagt der Schäfer, der mit seiner Herde aus 850 Schnucken und 75 Ziegen auf dem Tütsberg zu Hause ist.

Storm ist bei der Stiftung Naturschutzpark angestellt, die mit sechs Heidschnuckenherden im Naturschutzgebiet Lüneburger Heide Landschaftspflege betreibt. Die Stiftung ging 2002 aus dem Verein Naturschutzpark (VNP) hervor. Das gesamte Vermögen des 1909 gegründeten VNP mit Flächen, Gebäuden und Tieren wurde auf die Stiftung übertragen. Das Kürzel "VNP" steht heute sowohl für die Stiftung als auch für den Verein.

Rund vier Tonnen Rohwolle fallen in den VNP-Herden Jahr für Jahr beim Scheren an, erklärt Andreas Koopmann, Leiter des VNP-Landschaftspflegehofes Tütsberg. Doch diese Wolle wollte bisher kaum jemand haben. Die Heidschnucken wirken zwar kuschelig, doch ihre Wolle ist kratzig und daher für Bekleidung nicht brauchbar, so Koopmann.

Um die Schnuckenwolle vermarkten zu können, musste deshalb ein Nutzungskonzept entwickelt werden. Dazu gehören neue Verwendungsmöglichkeiten für die Wolle - darüber hat man sich beim VNP intensiv den Kopf zerbrochen, und neue Produktideen sind entstanden.

Ganz neu auf dem Markt sind Filzartikel aus Schnuckenwolle: Den Anfang machen graue Kissen als Auflage für Gartenmöbel, auch zum Mitnehmen bei Wanderungen. Wer sich auf einer der zahlreichen Sitzbänke in der Heide für eine Rast niederlassen möchte, kann damit künftig bequemer sitzen. Verkauft werden die Kissen im Heide-Erlebniszentrum in Undeloh und im Museumsladen in Wilsede. "Grau meliert wie das Fell der Schnucken, robust und wunderbar wärmend" seien die Sitzkissen, so Mathias Zimmermann, der Geschäftsführer der Stiftung. Aus den Filzbahnen, die in Soltau aus der Schnuckenwolle hergestellt werden, sollen noch weitere Produkte entstehen - Einlegesohlen für Schuhe, Untersetzer, Bucheinbände und eine Kollektion von Taschen.

Die Marktchancen werden optimistisch eingeschätzt, hiesige Produkte seien beliebt, weiß Zimmermann. Er möchte "die regionale Identität mit regionalen Produkten" stärken. Bereits auf dem Markt ist Heidschnuckenwolle als umweltfreundlicher, ökologischer Dünger mit Langzeitwirkung. Die Stiftung Naturschutzpark lässt aus dem groben Haarvlies der Heidschnucke mit seinem hohen Stickstoffgehalt Pellets zur Düngung von Topf- und Zierpflanzen, Obstbäumen und Gemüsepflanzen herstellen. Diese Pellets bringen sechs bis neun Monate lang Stickstoff in den Erdboden, den die Pflanzen aufnehmen können. Erhältlich sind sie - in Packungen von 100 und 500 Gramm - ebenfalls im Heide-Erlebniszentrum in Undeloh und im Museumsladen in Wilsede. Der natürliche Dünger verkaufe sich gut, berichtet Julia Hallmann, VNP-Fachbereichsleiterin für Naturschutz und Informationseinrichtungen.

Laut VNP sind die Pellets als nachwachsender Rohstoff besonders gut geeignet für den ökologischen Landbau, für Gärtnereien, Kleingärtner und Blumenfreunde. Die Berliner Humboldt-Universität habe die hervorragenden Eigenschaften des Düngers nachgewiesen. Die Pellets werden "als rein ökologisches Markenprodukt aus dem Naturschutzgebiet Lüneburger Heide" vermarktet.

So wird die einst ungeliebte Schnuckenwolle zum Rohstoff einer ganzen Reihe neuer Produkte aus der Region - einmal im Jahr müssen die Schafe der Heide dafür ihre Haare lassen.

www.verein-naturschutzpark.de