Nachbarn sind sauer wegen Lärm und Geruchsbelästigung, es gab mehrere Polizeieinsätze und Hausverbot in der Cucina. Starköchin Poletto räumt Fehler ein, das „Restrisiko Gast“ bleibe aber.

Hamburg. Wolfgang Obermeyer hat penibel Buch geführt. Alle Verfehlungen sind in einem Protokoll vermerkt. Und es sind Einträge wie der vom vergangenen Wochenende, die seinen Unmut erklären sollen: „Chaotische Zustände im Kochstudio von Cornelia Poletto. Es wird gegrölt, getanzt und Livemusik gespielt. Polizei kam das erste Mal um 23.45 Uhr. An Schlaf ist nicht zu denken.“ Seit einem halben Jahr gebe es nun schon diese Differenzen mit seiner prominenten Nachbarin. Dabei gehe es eigentlich jedes Mal um Lärm- und Geruchsbelästigungen.

Der ehemalige Kaufmann und seine Lebensgefährtin Ingrid Biß wohnen im gediegenen Eppendorf, im ersten Stock der Goernestraße 7. Im Erdgeschoss hat Starköchin Cornelia Poletto im März ihr Kochstudio Cucina (Küche) eröffnet. Seitdem spucken sich die Nachbarn gegenseitig in die Suppe.

Laut Eigenwerbung werden in der Cucina Gruppenkochkurse angeboten. Für 390 Euro pro Person kann an solchen Abenden der Chefin beim Werden eines Vier-Gänge-Menüs über die Schulter gesehen werden. Dazu gibt es korrespondierende Weine und eine Poletto-Schürze als Erinnerung.

„Das wäre auch gar kein Problem“, sagt Nachbar Obermeyer. „Aber aus dem Kochstudio ist im Lauf der Zeit ein Partyraum geworden.“ Gerade am Wochenende würden nicht selten bis zu 50 Gäste bis spät in die Nacht feiern und den Festradius bis auf den Gehweg ausweiten. Drei Einsätze wegen Ruhestörung kann die Polizei bestätigen. Der letzte datiert vom Sonntag, 2.30 Uhr, als die Ordnungshüter ein zweites Mal anrücken mussten, um die bereits verwarnte Feiergesellschaft aufzulösen.

Für den 68-jährigen Obermeyer und seine Lebensgefährtin zu viel des Guten. „Wir wollen nicht, dass Frau Poletto ihren Laden hier schließt. Aber wir wollen, dass sie sich an die Regeln hält“, sagt Obermeyer. „Das heißt: keine Lärm- und keine Geruchsbelästigung für die Anwohner.“ Mit dem Reformhaus, das jahrelang im Ladengeschäft an der Goernestraße 7 beheimatet war, habe es nie Probleme gegeben.

Es sei tatsächlich nicht alles perfekt gelaufen in der Vergangenheit, lässt das Management von Cornelia Poletto zu den Vorwürfen ausrichten. Es gebe eben das „Restrisiko Gast“. Am Rauchen vor der Tür könne man niemanden hindern. Aber unter gutwilligen Nachbarn sei immer ein Kompromiss möglich. Erst recht, wenn allen klar sei, dass man in der Innenstadt lebt, an einer Straße, an der es drei Restaurants gibt, also ein lebhaftes Kommen und Gehen die Normalität darstelle.

Natürlich habe auch Obermeyer zunächst das Gespräch mit der prominenten Gastronomin gesucht. Doch die dort gemachten Versprechen seien nicht eingehalten worden. Die Fenster blieben danach zwar größtenteils geschlossen und die Geruchsbelästigung habe ebenfalls nachgelassen, aber der Lärm am Wochenende sei nach wie vor unerträglich. Alle Vermittlungsversuche seien gescheitert, Obermeyer hat inzwischen Hausverbot im Kochstudio. Dafür hat er angefangen, Fotos von vermeintlichen Verfehlungen zu schießen.

Im Bezirksamt Nord nennt man diese Fotos „nachvollziehbare Beweise“. Die Vorfälle rund um die Cucina seien bereits bekannt und die Beschwerdelage aus der Nachbarschaft geprüft worden, sagt Klaus-Dieter Marzahn, Leiter des Fachbereichs Verbraucherschutz. Ergebnis: Es habe tatsächlich Verstöße gegen die erteilten Auflagen gegeben. „Die Genehmigungen und die tatsächliche Nutzung des Kochstudios stimmten jedenfalls nicht immer überein“, sagt Marzahn. Deshalb sei ein Anhörungsverfahren eingeleitet worden, in dem Cornelia Poletto aufgefordert wurde, Ideen zur Verbesserung der Situation vorzuschlagen. „Das Verfahren schwebt noch“, sagt Marzahn. „Wir warten auf die Antwort des Anwalts.“

Gleichwohl sei Wolfgang Obermeyer mit seinen Notizen bisweilen über das Ziel hinausgeschossen, sagt Marzahn. „Nicht jede Beschwerde war gerechtfertigt.“ Im Grundsatz pflichte das Bezirksamt aber den Nachbarn des Kochstudios bei. Die Betreiberin müsse sich etwas einfallen lassen.

Cornelia Poletto bedauerte gegenüber dem Abendblatt die festgefahrene Situation, denn „ein gutes Verhältnis zu allen Nachbarn ist mir genauso wichtig wie die Zufriedenheit meiner Gäste.“ Leider würden Fehler passieren, wo Menschen arbeiten. „Diese Fehler versuche ich umgehend abzustellen.“ Damit ihre Nachbarn nicht über das übliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, werde sie ihre Gäste nun verstärkt um Rücksichtnahme bitten – und ihre Geschäftsbedingungen ändern: „In den Buchungsvereinbarungen der Cucina haben wir jetzt entsprechende Regelungen aufgenommen.“