Hamburg. Mit seinem Engagement hat Frank Engelbrecht Gemeinde und Umfeld geprägt – auch im Städtebau. Wo er sich jetzt einsetzen wird.

„Ich bin hier noch längst nicht fertig“, sagt Frank Engelbrecht, seit 20 Jahren Gemeindepastor an St. Katharinen. „Aber wenn ich noch mal etwas Neues anfangen und bewirken will, muss ich das jetzt tun.“ Und so verlässt der 58-Jährige die HamburgerHauptkirche vis-à-vis der Speicherstadt zum 1. Oktober – und wird Pastor in Blankenese.

Seine Handschrift hat die Gemeinde und das Umfeld der um 1250 erbauten Katharinenkirche geprägt und wird auch weiterhin sichtbar sein. Denn der in Winterhude aufgewachsene Arztsohn, der in London und Kopenhagen studiert hat und nach seiner ersten Stelle an der Bugenhagenschule in Alsterdorf zunächst in die dänische Hauptstadt zurückkehrte, hat sich von Anfang an viel in die Stadtentwicklung eingebracht.

Kirche Hamburg: Beliebter Pastor verlässt St. Katharinen – nach 20 Jahren

Und die nahm damals in seinem neuen Wirkungsbereich, in dessen Zentrum St. Katharinen und auch die Flussschifferkirche lagen, gewaltig an Fahrt auf. „Das war toll“, schwärmt er. „Denn da war viel im Wandel: der Sprung über die Elbe, der Bau der HafenCity und die Internationale Bauausstellung IBA auf den Elbinseln – und wir als Kirche am und im Wasser mittendrin.“

Die Hauptkirche St. Katharinen liegt am Zollkanal und gegenüber der Speicherstadt. Zu ihrem Einzugsgebiet gehört auch die HafenCity.
Die Hauptkirche St. Katharinen liegt am Zollkanal und gegenüber der Speicherstadt. Zu ihrem Einzugsgebiet gehört auch die HafenCity. © Thorsten Ahlf

Es sei ihm immer ein Bestreben gewesen, die Bürgerinnen und Bürger „zu motivieren, sich an der Stadt und ihrer Entwicklung zu beteiligen“. Er habe in St. Katharinen über seine Projekte Brücken gebaut und konnte dadurch neue Gemeindemitglieder gewinnen – auch viele junge, so Engelbrecht.

Engelbrecht: „Mein Wirken und Tun hat manche in Kirche und Stadt herausgefordert“

Der Abschied fällt ihm schwer. Doch ist es zuletzt nicht immer einfach gewesen, mit seiner Art eckte er bisweilen auch an. „Mein Wirken und Tun als bewusster Grenzgänger mit Willen zur Veränderung hat manche in Kirche und Stadt herausgefordert und provoziert“, sagt der umtriebige Pastor. „Und doch: welch ein Geschenk, 20 Jahre diesen Ort mitgestaltet zu haben!“

Bereits kurz nach seinem Amtsantritt erfand Engelbrecht unter dem Motto „Quo Vadis St. Katharina?“ die „Kreuzwege“: Stadtteilspaziergänge, auf denen Kunst im öffentlichen Raum – beziehungsweise in Kirche, Altstadt und Speicherstadt – präsentiert wurde.

Flussschifferkirche gehörte von 2003 bis 2007 zu St. Katharinen

Wenig später erteilte er – in Kooperation mit der HafenCity GmbH und der Körber-Stiftung – Studenten den Auftrag, einen sozialen Masterplan für den neuen Stadtteil zu entwerfen. „Wir wollten uns als Kirche um die neue Nachbarschaft kümmern“, sagt der Pastor, der sich unlängst auch gegen den Elbtower aussprach.

Doch auch die „alten“ Gemeindemitglieder waren ihm wichtig. Etwa die Binnenschiffer, für deren Seelsorge seit 1961 die Flussschifferkirche zuständig ist, die von 2003 bis 2007 zu St. Katharinen gehörte. Engelbrecht setzte sich dafür ein, dass der umgebaute historische Frachtkahn von Rothenburgsort in den Binnenhafen und damit in die unmittelbare Nachbarschaft der Katharinenkirche verlegt wurde.

Frank Engelbrecht wird auch künftig an Bord der Flussschifferkirche predigen

Die „Flusi“ aus St. Katharinen auszugliedern sei im Nachhinein die richtige Entscheidung gewesen, sagt Engelbrecht. „Die Strukturen passten nicht. Die Kirchenvorstände etwa kamen aus zwei ganz unterschiedlichen Milieus.“ Er ist der schwimmenden Kirche mit dem Ankerkreuz auf dem Dach dennoch stets treu geblieben – und will auch künftig an Bord bei Hochzeiten, Taufen, zu Weihnachten und am Altjahresabend predigen.

Der ultimative Einstieg in die Stadtentwicklung folgte 2008, als Hochtief die Katharinenschule abreißen und dort das Katharinenquartier bauen wollte. „Da war ich Gast im Wettbewerb, hatte noch keine Kompetenz, aber den Eindruck, dass die Bebauung viel zu massiv wird“, erinnert sich der Pastor.

Hamburgs Oberbaudirektor lobte Engagement der IG Katharinenquartier

Also gründete er die IG Katharinenquartier, erwirkte mit seinen Mitstreitern eine Architektur, die zu Kirche und Altstadt passt – und vor allem, dass die Grundschule bis zur Fertigstellung des Neubaus in der HafenCity stehen blieb. Das Engagement kam gut an. Beim Richtfest gab es für die IG ein Lob des damaligen Oberbaudirektors Jörn Walter.

Mit der IG Katharinenquartier konnte Pastor Frank Engelbrecht erreichen, dass die Architektur des Viertels zur Füßen der Kirche St. Katharinen weniger massiv wurde als ursprünglich geplant.
Mit der IG Katharinenquartier konnte Pastor Frank Engelbrecht erreichen, dass die Architektur des Viertels zur Füßen der Kirche St. Katharinen weniger massiv wurde als ursprünglich geplant. © Michael Rauhe

Aus der Idee zu einem Fußballturnier, das er während der Fußball-WM 2010 entwickelte, entstand erst ein temporärer und dann ein fester Bolzplatz mit Kunstrasen und echten Toren in der HafenCity – bis heute einer der lebendigsten Orte des Quartiers. 60.000 Euro habe er dafür von verschiedenen Akteuren einsammeln können, sagt der engagierte Pastor stolz.

St. Katharinen: „Wer hier am Rad dreht, dreht am Rad der ganze Stadt“

Tatsächlich habe er immer das Gefühl gehabt, dass das Engagement rund um St. Katharinen eine besondere Rolle für das „Stadtgefühl“ spiele, so Engelbrecht. „Wer hier am Rad dreht, dreht am Rad der ganzen Stadt.“

Um dieses Gefühl mitzuteilen und sichtbar zu machen, rief er zusammen mit anderen den „Katharinenweg“ ins Leben: Exkursionen, meist mit dem Fahrrad, vom Rathaus zur Katharinenkirche und dann weiter über die Elbe. „Wir haben von verschiedenen Stellen auf St. Katharinen geblickt und die Verbindung der Kirche zu diesen Orten durch den Sprung über die Elbe sichtbar gemacht.“

Willy-Brandt-Straße wurde 2016 für „Nacht der Kirchen“ gesperrt

Mit der Patriotischen Gesellschaft und der Evangelischen Akademie gründete er die Initiative „Altstadt für Alle“, setzte sich für eine Untertunnelung der Willy-Brandt-Straße ein – die er 2016 für die „Nacht der Kirchen“ temporär sperren ließ – und für eine Fußgängerzone im Rathausquartier.

Mit Stadtentwicklungsexperte Rolf Kellner (r.) setzte sich Pastor Frank Engelbrecht im September 2016 auf die Willy-Brandt-Straße. Kurz darauf wurde sie auf seine Initiative hin für die „Nacht der Kirchen“ gesperrt, um den Menschen das Tanzen auf der Straße zu ermöglichen.
Mit Stadtentwicklungsexperte Rolf Kellner (r.) setzte sich Pastor Frank Engelbrecht im September 2016 auf die Willy-Brandt-Straße. Kurz darauf wurde sie auf seine Initiative hin für die „Nacht der Kirchen“ gesperrt, um den Menschen das Tanzen auf der Straße zu ermöglichen. © Roland Magunia

„Damals gab es einigen Widerstand, heute setzt das BID Rathausquartier unsere Idee um“, so Engelbrecht. Und der „Katharinenweg“ ist heute ein stehender Begriff in der Stadtentwicklung für den schönsten und kürzesten barrierefreien Fußweg vom Rathaus in die HafenCity.

Initiative „Altstadtküste“ setzt sich für ruhiges, grünes Katharinenquartier ein

Der von ihm mitinitiierte Vorschlag, das innerstädtische Parkhaus gleich neben St. Katharinen für genossenschaftliches Wohnen zu nutzen, wird derzeit von der Genossenschaft Gröninger Hof umgesetzt, die allerdings – anders als geplant – das gleichnamige Parkhaus nicht umbauen kann, sondern wegen der schlechten Bausubstanz weitgehend abreißen muss.

Mit der Initiative „Altstadtküste“ setzt sich Engelbrecht für eine Verkehrsberuhigung und Begrünung des Katharinenquartiers ein. Im Fokus steht dabei die Umgestaltung des Straßenzugs Zippelhaus / Alte Mühren. Er springt auf und holt eine Visualisierung. Darauf ist zu sehen: eine wenig befahrene Straße mit Gastronomie-Außenflächen und Hochwasserstufen zum Zollkanal hin, auf denen Menschen sitzen.

Auch in Blankenese findet neben dem Pastorat der Wochenmarkt statt

Durch die Verkehrsberuhigung würde eine Verbindung des Katharinenkirchhofs, an dem auch das Pastorat liegt, mit dem Wasser geschaffen. Das würde auch dem Wochenmarkt zugutekommen, der von Engelbrecht initiiert wurde und jeden Mittwoch auf dem Kirchplatz stattfindet.

Auch das Pastorat in Blankenese, in das Engelbrecht mit seiner Frau Sunniva, einer promovierten Psychologin, sowie den Kindern Tali (19) und Moritz (15) einziehen wird (die 21-jährige Muriel ist schon aus dem Haus), liegt direkt am Marktplatz.

Kirche Hamburg: Abschiedswochenende mit Kunst und Gottesdienst

Einen Wochenmarkt muss er dort nicht mehr ins Leben rufen. Doch es gibt vieles anderes, das er dort anschieben und umsetzen kann. Das erste große Projekt, das ihn in der Kirchengemeinde Blankenese erwarte, sei, „darüber nachzudenken, wie die Kirchengemeinde in Zusammenarbeit mit den Quartieren klimaneutral werden kann“.

Von der Stadtentwicklung zur Bewahrung der Schöpfung – das sei für ihn eine interessante Weiterentwicklung. Schon vor sieben Jahren hatte die Gemeinde Blankenese ihn angefragt – damals war es noch keine Option. Doch jetzt scheint ein Neuanfang genau das Richtige für ihn zu sein: „Ich habe Lust, mich da einzubringen.“ Und es hört sich an, als könne er es kaum erwarten.

Vorher wird aber noch Abschied gefeiert. Mit der Installation „umwo(r)ben“, für die der Künstler Arne Lösekann 500 Meter weißen Stoff verarbeitet hat (Eröffnung Freitag, 8. September, mit einer Performance um 19 Uhr und einer Podiumsdiskussion ab 20 Uhr) – und natürlich mit einem großen Abschiedsgottesdienst mit Bluessängerin Jessy Martens (Sonntag, 10. September, 11 Uhr).