Hamburg. Unfallchirurgin der Asklepios Klinik St. Georg sieht täglich Verletzte in der Notaufnahme. Wer am häufigsten eingeliefert wird.

Sie gehören fest zum Straßenbild – und mittlerweile auch zu einer traurigen Statistik: Die Zahl der Unfälle mit E-Scootern hat sich in Hamburginnerhalb von zwei Jahren nahezu vervierfacht. Waren im Jahr 2020 noch 222 dieser elektrisch angetriebenen Tretroller in einen Unfall verwickelt, so registrierte die Polizei im vergangenen Jahr 858 Roller.

Verkehr Hamburg: E-Scooter-Unfälle vervierfacht – Paris verbietet schon

Andere europäische Städte, in denen die Unfallstatistik ähnlich ausfällt, reagieren bereits: Paris verbietet den Verleih von E-Scootern, die mit bis zu Tempo 20 durch die Stadt sausen, ab September. Die überwiegende Mehrheit der Bürger hatte für die Abschaffung der Roller, die zudem oft tagelang am Straßenrand herumliegen, votiert.

In Hamburg zählten die Mediziner der Asklepios Klinik St. Georg 2019 zu den bundesweit ersten Ärzten, die auch medial vor den Gefahren der E-Scooter im Hamburger Verkehr warnten. Dr. Julia Ehrlich, Assistenzärztin in der Abteilung für Unfallchirurgie, Orthopädie und Sportorthopädie, berichtet nun, dass sich diese Befürchtungen bestätigt haben: „Tagtäglich sehen wir in der Notaufnahme, welche teils schweren Verletzungen bei Unfällen mit diesen E-Scootern verursacht werden.“

Knochenbrüche dürfen nach E-Scooter-Unfällen nicht unterschätzt werden

Neben Patienten, die mit Schürfwunden und Prellungen kämen, würden viele Unfallopfer mit Knochenbrüchen eingeliefert. „Wird ein Bruch, auch ein komplizierter, schnell und gut versorgt, bleibt in der Regel nichts nach. Aber natürlich steigert jeder Bruch im Gelenkbereich das Risiko einer Arthrose im Alter, ist also auch nicht zu unterschätzen“, sagt die Medizinerin, die in Freiburg studiert hat.

Am gefährlichsten seien aber natürlich schwere Kopfverletzungen und/oder Hirnblutungen – und diese Verletzungsmuster seien leider nicht so selten, weil die Fahrer in der Regel ja ohne Helm auf den E-Scootern unterwegs seien, sagt die Unfallchirurgin „Aktuelle Studien zeigen auf, dass jeder Zweite, der nach einem Scooter-Unfall in die Notaufnahme gebracht wird, am Kopf verletzt ist. 14 Prozent der eingelieferten Patienten weisen sogar schwere Kopfverletzungen auf.“

Bei jedem fünften E-Scooter-Unfall ist Alkohol im Spiel

Das Statistische Bundesamt habe ausgewertet, dass bei jedem fünften Unfall Alkohol im Spiel ist. „Das deckt sich mit unserer Schätzung, zumal sich die Unfälle oft nachts und am Wochenende ereignen, also auf dem Heimweg vom Feiern.“ Die meisten Patienten seien jünger als 25, fast die Hälfte männlich.

„Dass die Patienten in der Regel so jung sind, ist insofern medizinisch besonders problematisch, weil das Gehirn in jüngeren Jahren noch nicht so viel Platz zum Anschwellen hat“, sagt die Expertin. „Kommt es also zu einem schweren Schädelhirntrauma, dann ist die Wahrscheinlichkeit für bleibende neurologische Schäden deutlich erhöht.“

Selbst ein leichtes Unfalltrauma, so veröffentlichte das Ärzteblatt kürzlich, erhöhe das Risiko, später unter Angstzuständen oder an Depressionen zu leiden.

E-Scooter: Zwischen Mai und September steigt Zahl der Unfälle in Hamburg

Bei gutem Wetter, also zwischen Mai und September, steige die Zahl der Unfälle, sagt Dr. Julia Ehrlich. „Unsere Klinik liegt sehr zentral, da sehen wir natürlich viele Pendler, die sich am Hauptbahnhof einen Scooter mieten, damit zum Büro fahren wollen und dann womöglich in einen Unfall verwickelt werden.“

Doch auch Unfälle mit Motorrädern häuften sich im Frühjahr und Sommer. „Leider jedes Jahr. Wenn man an einem sonnigen Wochenende Dienst hat, weiß man schon vorher: Es wird mindestens ein Motorradfahrer eingeliefert werden. Die Kombination aus sehr hoher Geschwindigkeit und relativ wenig Schutz, die ist leider fatal.“

Verkehr Hamburg: E-Bikes unfallträchtig – gerade Ältere betroffen

Auch auf dem Fahrrad oder E-Scooter helfe ein Helm unbedingt, „das Schlimmste“ zu verhindern. „Das Gesicht kann immer noch verletzt werden, aber der Kopf ist geschützt.“ In Unfälle mit E-Bikes seien vor allem Ältere verwickelt. „Das hat vermutlich damit zu tun, dass diese Räder ein doch recht hohes Eigengewicht haben und es älteren Menschen schwerer fällt, beim Auf- und Absteigen das Gleichgewicht zu halten.“

Sie selbst habe auch einmal einen E-Scooter ausprobiert, sagt die junge Ärztin. „Ehrlich gesagt: Seit ich gesehen habe, was damit passieren kann, lasse ich es.“