Sozialprojekt schafft es mit seinen Produkten sogar ins Alsterhaus. Designerin Sibilla Pavenstedt startete die Initiative bereits vor fünf Jahren.

Hamburg. Im Atelier von Sibilla Pavenstedt, 48, hängen Kleider-Kostbarkeiten an den Bügeln, Stars wie Susann Atwell oder Barbara Auer verlassen sich auf den Geschmack der Hamburger Designerin. Neben den Abendroben, die auf ihren Auftritt bei Galas oder Bällen warten, präsentiert Pavenstedt hier auch Schals und umhäkelte Weihnachtskugeln. Die handgemachten Unikate setzt Pavenstedt auf den Fensterbänken des Ateliers in St. Georg mit seinen Holzböden und weißen Wänden eigens mit Strahlern in Szene. Schließlich erzählen diese Produkte eine ganz besondere Erfolgsgeschichte, die zunächst einmal nichts mit der Glamourwelt der Designerin zu tun hat: Diese Geschichte führt über die Elbe auf die Veddel.

Sibilla Pavenstedt ist auf dem besten Weg, die Integrationsidee „Made auf Veddel“ zu einem wirtschaftlichen Erfolg zu führen. Vor fünf Jahren hat sie mit Freunden das Sozialprojekt gegründet, bei dem Frauen mit Migrationshintergrund, die auf der Veddel wohnen, gemeinsam häkeln, stricken und nähen. So können sie spielend nebenbei die deutsche Sprache lernen und Eigenständigkeit gewinnen. Inzwischen hat die Gruppe aus Türkinnen, Afghaninnen und Frauen aus dem Iran nicht nur bereits 5000 Produkte hergestellt, sondern arbeitet fast wie ein professionelles Textilunternehmen. Sibilla Pavenstedt steht kurz davor, die Arbeit in einer gemeinnützigen GmbH zu bündeln, um damit den Verein „Made auf Veddel“ zu finanzieren.

Das Projekt verbessert dabei nicht nur das Leben der Frauen in einem Stadtteil, in dem 70 Prozent der Menschen einen Migrationshintergrund haben. Es gelingt auch der Sprung zurück in die Hamburger City: Das Alsterhaus verkauft in diesem Jahr erstmals umhäkelte Weihnachtskugeln aus dem Veddeler Projekt. Die Kugeln haben es sogar schon in die Style-Seiten von „Gala“ und anderen Zeitschriften geschafft. Im „Salon“ in Eppendorf gibt es die Strickjacken aus dem Projekt, bei „Decoration“ finden Kunden gehäkelte Kissen und Decken. Auch Stegmann und oSchätzchen in der City gehören zu den Geschäften, welche die handgearbeiteten Produkte von der Veddel anbieten.

„In der heimischen Kultur der Frauen hat Handarbeit einen hohen Stellenwert“, sagt Pavenstedt. Dieses Talent, der Stolz ganzer Familien, nutzt „Made auf Veddel“, um den Frauen ein Stück Freiheit zu geben: Das Atelier an der Veddeler Brückenstraße führen die Mitarbeiterinnen quasi allein, die Frauen haben einen Schlüssel für die Räume. „Wir vom Verein sind dort nur zu Gast“, sagt Pavenstedt bescheiden.

Zugleich bietet die Designerin ihnen die professionelle Anleitung, die Strickmuster und achtet auf gleichbleibende Qualität. Und das alles ehrenamtlich. Auf diese Weise lernen die Frauen, ihre Arbeit zu professionalisieren und verdienen je nach Einsatz zugleich 200 bis 800 Euro im Monat: Anstatt nur für daheim Tischdecken zu häkeln, schaffen die Mitarbeiterinnen Produkte, die einen Markt haben und sich verkaufen lassen. Anfangs finanzierte sich das Veddeler Atelier ausschließlich über Events wie die Modenschauen „walk auf Veddel“, die etwa bei der Kupferhütte Aurubis stattgefunden haben. Inzwischen aber entwickeln sich die Produkte zum Selbstläufer. Und auch weitere Textilfirmen geben den Näherinnen Aufträge.

Das Geheimnis des Erfolges: Pavenstedt gibt ihren renommierten Namen und ihren Anspruch an beste Materialen und ausgefallenes Design in das Projekt. Dazu kommen bezahlbare „Löhne“ der Frauen. Zwar kostet ein Schal schnell mal mehr als 200 Euro. Dafür bekommen die Kundinnen aber auch Handarbeit aus Deutschland und edle Seide oder Mohair. An jedem Stück hängt außerdem ein Schildchen mit dem Namen der Mitarbeiterin. Auf der Homepage kann sich die Kundin dann auch noch ein Bild machen von „ihrer“ Näherin. „So geben wir den Stücken einen individuellen Charakter und die Frauen können sich noch intensiver mit ihrem Produkt identifizieren“, freut sich die Modeschöpferin, deren Kleider sogar im Hamburgischen Museum für Kunst und Gewerbe ausgestellt werden.

Die Designerin kann den Stolz auf ihre Mitarbeiterinnen nicht verhehlen: Selbst die Kleider für mehrere Tausend Euro, mit denen sich ihre prominenten Kundinnen auf dem roten Teppich gerne den Fotografen zeigen, tragen heute oft ein Stück Veddel in sich. Die Frau mit deutsch-italienischen Wurzeln zeigt auf eine elegante schwarze Abendrobe: Hier bildet eine Verzierung einen besonderen Blickfang. Der Rückenteil ist gehäkelt, auf der Veddel.