CDU, Grüne und FDP kritisieren Jana Schiedek nach Ausbruch eines Untersuchungshäftlings: „Peinlich und gefährlich“. Schiedek parierte die Vorwürfe im Parlament souverän und sachlich.

Altstadt . Ein filmreifer Ausbruch, Misshandlungen eines Gefangenen, Brandbriefe von Richtern und Staatsanwälten – die Hamburger Justiz hat in den vergangenen Wochen nichts ausgelassen. Und so war es nur folgerichtig, dass sich die Bürgerschaft in der ersten Sitzungswoche nach den Sommerferien in ihrer Aktuellen Stunde mit den Vorgängen befasste.

CDU-Justizexperte André Trepoll hielt sich denn auch gar nicht mit einer Vorrede auf und eröffnete als erster Redner ohne Umschweife das Trommelfeuer auf Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD): „Was ist bloß los in Hamburgs Justizlandschaft?“ Da fliehe ein Häftling „in Hollywoodmanier“ aus der Untersuchungshaftanstalt (UHA), so Trepoll, ein Gefangener der Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder werde zweimal brutal von Mithäftlingen verprügelt, Staatsanwälte, Richter und Rechtsanwälte lehnten sich gegen Sparmaßnahmen am Justizpersonal auf. „Und was macht die Justizsenatorin? Sie redet die Probleme schön und verharmlost sie“, sagte Trepoll.

„Der richtige Hammer“ sei aber, dass ein Mitarbeiter der UHA die Anstaltsleitung vor den Sicherheitslücken gewarnt habe, etwa vor dem fehlenden Stacheldraht auf einem Teil der Mauer. „Diese E-Mail liest sich wie eine Ausbruchanleitung“, schimpfte Trepoll und kritisierte, dass Schiedek von dieser Mail erst nach dem Ausbruch erfahren hatte. „Ist das Absicht, dass Sie sich nicht informieren lassen, damit Sie hinterher behaupten können, Sie hätten nichts gewusst?“, fragte er die Senatorin, die der Debatte konzentriert folgte. Farid Müller (Grüne) schlug in die gleiche Kerbe: Schiedeks Behörde habe die Gitterkontrollen in der Untersuchungshaftanstalt wegen der Personalnot herunterfahren lassen und dadurch den Ausbruch des Sexualstraftäters möglicherweise erst möglich gemacht, aber nach dem Ausbruch behaupte die Senatorin, sie habe von der Maßnahme nichts gewusst und ordne an, sie wieder täglich durchzuführen. Er habe Zweifel, ob die Justizsenatorin ihren Aufgabenbereich überhaupt noch im Griff hat, sagte Müller und sprach von einer „Justizkrise“.

Anna von Treuenfels (FDP) scherte aus der insgesamt sehr ernsthaft geführten Debatte aus und bemühte stattdessen Parallelen zum Film. Während Häftlinge in Gefängnisfilmen wie „Papillon“ oder „Alcatraz“ ihren Ausbruch jahrelang vorbereiten müssten, sei das in der Hansestadt viel schlichter: „In Hamburg genügen Messer, Gabel und Besenstil“, man könne „locker über die Gefängnismauer klettern“ – eine Anspielung auf Thomas S. (25), der Mitte Juli mittels der beschriebenen Utensilien die Mauer aufgestemmt, sich abgeseilt und schließlich dank einer herumliegenden Palette und des fehlenden Drahts über die Mauer entweichen konnte. „Das ist peinlich und gefährlich“, schimpfte von Treuenfels.

Im Gegensatz zu ihrem Auftritt im Justizausschuss Anfang August, als sie sich dünnhäutig und gereizt gezeigt hatte, parierte Schiedek die Vorwürfe im Parlament souverän und sachlich. Die Opposition zeichne ein falsches Bild vom Hamburger Strafvollzug, ihre 5000 Mitarbeiter leisteten gute Arbeit. „Aber wo Menschen arbeiten, geschehen auch Fehler“, sagte Schiedek.

Ihr gehe es nun um Aufklärung, sie wolle nicht einfach nur „die üblichen Verdächtigen“ verhaften, sagte die Senatorin. Das wurde als Hinweis darauf verstanden, dass die Absetzung der Leiterin der Untersuchungshaftanstalt, der sie im Ausschuss noch die Verantwortung für den Ausbruch zugeschrieben hatte, zumindest vorerst vom Tisch ist. Im Übrigen sei die Zelle des Ausbrechers noch am Tag zuvor kontrolliert worden – irgendwelche Anordnungen der Justizbehörde hätten die Flucht also nicht begünstigt, so Schiedek, die von ihrer Fraktion mit donnerndem Applaus unterstützt wurde.

„Es ist etwas schiefgelaufen, das wollen wir gar nicht wegdiskutieren“, sagte SPD-Justizexperte Urs Tabbert. „Aber wir wollen uns an die Spitze der Aufklärung stellen.“ Im Übrigen seien die Gefängnisse unter Schiedeks Verantwortung als Justizsenatorin sicherer geworden. Habe es vor zehn Jahren noch 55 Ausbrüche gegeben, seien es im vergangenen Jahr nur vier gewesen.

Zur Seite sprang der SPD Christiane Schneider von der Linkspartei. Sie sei dagegen, die ernsten Vorgänge zu skandalisieren: „Ich teile die aufgeblasene Aufregung von Herrn Trepoll nicht.“ Stattdessen müssten die Vorwürfe sachlich aufgeklärt werden.

Diese Chance wolle man der Senatorin geben, hieß es am Rande der Sitzung auch aus anderen Oppositionsfraktionen. Daher sei auch noch nicht ihr Rücktritt gefordert worden. Eine Eskalationsstufe bleibt also noch.