Hamburg. Umweltbehörde wollte eigentlich Gutachten abwarten, bevor Maßnahmen ergriffen werden. Warum sie jetzt doch schon entschieden hat.

Nun also doch: Die Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (Bukea) gibt die sich sprunghaft im Landgebiet ausbreitenden Nutrias zum Abschuss frei. Damit folgt sie nun relativ überraschend dem mehrfach ausgedrückten Willen der Lokalpolitik, den Bestand der invasiven Art zu regulieren. Ursprünglich wollte die zuständige Behörde Ende Juli 2023 zunächst ein Gutachten zur Population der Nutrias präsentieren, um dann „mögliche Maßnahmen für ein Management“ zu eruieren.

Auf Nachfrage der Bergedorfer SPD-Chefin Katja Kramer im Umweltausschuss am Mittwoch zum Nutria-Thema kam Grünchef Wolfgang Charles aus der Reserve und kündigte die Rückkehr der sogenannten Schwanzprämie „mindestens bis zum Jahresende 2023“ an. Es sei davon auszugehen, dass die ab sofort geltende Prämie ähnlich wie die bis zum Jahr 2020 angewandt werde. Demnach werden Tierkadaver von ausschließlich Jungtieren in einem Container eingesammelt und das Behältnis viertel- bis halbjährlich von Mitarbeitern der Bukea abgeholt. Wie hoch die Schwanzprämie sei, ist noch unklar, da die Höhe der Finanzierung noch ausstehe.

Gefährliche Plage: Nutrias auch in der City gesichtet

Nach Informationen unserer Redaktion soll die Bergedorfer Verwaltung Druck auf die Umweltbehörde gemacht haben, dass unbedingt noch vor Juli 2023 etwas gegen die Nutria-Plage unternommen werden müsse. Dort soll sich nun explizit ein Mitarbeiter gezielt um die Bekämpfung der invasiven Art kümmern. Die Stelle war offenbar jahrelang nicht besetzt.

Als Nutria-Hotspots im Landgebiet gelten etwa der Bereich hinter dem Neubau der Stadtteilschule am Marschbahndamm in östlicher Richtung wie auch das Gelände des Gemüsebaubetriebs Heinz Wulff in Neuengamme, zudem die Kirchwerder Wiesen. Ebenfalls haben sich die Tiere mit den scharfen Krallen und Schneidezähnen in den Stadtteilen Neuallermöhe, Nettelnburg, Boberg sowie entlang des Brookdeichs „eingelebt“. Wie Wolfgang Charles im Umweltausschuss weiter verriet, sollen auch erste Tiere im Bergedorfer Schlosspark wie auch in der Bille in Richtung Schleswig-Holstein gesichtet worden sein.

CDU-Politiker zeigte sich schockiert von den Schäden

Wie viele Nagetiere tatsächlich im Landgebiet heimisch geworden sind, das genau wollte die Bukea zunächst mit ihrem Gutachten im Sommer quantitativ erfassen, um daraus eine weitere Strategie zu entwickeln. Denn bisher gibt es lediglich die subjektive Erkenntnis von Anwohnern, dass sich die Tieranzahl „massiv“ vermehrt habe. So ist auch die Wahrnehmung des Hegeringleiters Vier- und Marschlande, Gerald Eggers. Er ist eine von zwei befugten Personen, die Jagd auf Nutrias machen dürften.

Als die Schwanzprämie für Nutrias Ende 2020 endete und 1200 Tiere entfernt wurden, „hatten wir die Situation mal im Griff“, so Eggers. Mittlerweile sei aber von mindestens drei- bis viermal so vielen Nutrias auszugehen. Eggers schaute sich zuletzt unter anderem mit CDU-Mann Jörg Froh beispielsweise die Situation am Marschbahndamm an. Der Politroutinier: „Ich war schockiert, wie viele Höhlen die Nutrias haben, wo sie überall rauskamen und welche Schäden angerichtet wurden.“

Bisher seien die Behörden trotz der Ankündigung von Wolfgang Charles noch nicht an die Jäger herangetreten. „Das wäre genau die Umsetzung unseres Vorschlags, wir sind gegen die Entwicklung tatsächlich machtlos und handlungsunfähig“, klagt Gerald Eggers. Das müsse sich nun äußerst zeitnah ändern, Eggers wünscht sich außerdem, dass die Regulierung der Bestände an Nutrias ins Jagdrecht aufgenommen werden müsse, um diesbezüglich Rechtssicherheit zu haben.

Bukea will alle entstandenen Schäden aufnehmen

Für die Bergedorfer CDU ist die Wiedereinführung der Schwanzprämie eine Entscheidung der Bukea, die längst überfällig war: „Alle Achtung für diese Sofortmaßnahme. Wer sich ernsthaft mit den Schäden beschäftigt hat, die die Nutrias in den Vier- und Marschlanden anrichten, muss diesen Vorstoß begrüßen“, urteilt Jörg Froh. Er sagt weiter: „Eine Bestandsreduzierung an einzelnen, besonders betroffenen Stellen ist bereits jetzt erforderlich. Wir können nicht tatenlos zusehen, wie Böschungen unterhöhlt, Kanäle versanden und Ernteflächen abgegrast werden.“

Frohs Parteikollegin geht noch weiter: Die zuständige Behörde habe die vergangenen zwei Jahre weggesehen. „und die problematische Entwicklung in den Vier- und Marschlanden ignoriert“, findet Erika Garbers. „Wäre eher auf die örtliche Politik gehört worden, läge das geforderte Gutachten schon lange vor. Es würden eventuell mildere Maßnahmen zur Bestandsreduzierung eingeleitet werden können.“

Im Kontext mit der Schwanzprämie will die Hamburger Umweltbehörde anbieten, alle durch Nutrias entstandenen Schäden aufzunehmen. Eine Mail an die Adresse invasive-arten@bukea.hamburg.de soll dazu genügen. Wer eventuell für die Schäden aufkommt, auch diese Frage könnte das später im Jahr folgende Nutria-Gutachten beantworten.