Kirchwerder. Am Wrauster Bogen 44 muss in diesen Tagen ein historisches Hofensemble weichen. Nicht das einzige Denkmal im Landgebiet, das verfällt.

Etwa zu der Zeit, als Shakespeare in England seine heute weltbekannten Stücke schrieb, wurde es gebaut. Unweit der Elbe überstand das Bauernhaus am Wrauster Bogen beide Weltkriege und auch die schwere Sturmflut von 1962. In diesen Tagen endet die mehr als 400 Jahre lange Geschichte des Hauses. Denn die historische Hofanlage mit der Hausnummer 44 wird nun dem Erdboden gleichgemacht.

In der Denkmalliste der Kulturbehörde ist der Bau des Wohnwirtschaftsgebäudes auf um 1600 datiert, etwa 50 Jahre später soll die benachbarte Scheune errichtet worden sein. Das Ensemble war denkmalgeschützt, doch sowohl Dachstuhl als auch Außenwände waren bereits zusammengebrochen, ebenso die Scheune. Das Denkmalschutzamt stufte das Ensemble als „nicht mehr erhaltensfähig“ ein und gab dem Abbruchantrag vor zwei Jahren statt. Jetzt läuft der Abriss auf Hochtouren.

Verfall historischer Bauernhäuser erhitzt die Gemüter

Vor einem Jahr wurden direkt vor dem Haus bereits drei Kastanien gefällt, was Anwohner ebenso geärgert hatte wie der fortschreitende Verfall des historischen Hauses. Doch ebenso wie das Gebäude sollen die Bäume nicht mehr zu retten gewesen sein. Eine Fällung war gemäß dem baumbiologischen Gutachten des Instituts für Baumpflege unverzüglich angeraten, hieß es damals aus dem Bergedorfer Bezirksamt, das die Fällung der Kastanien genehmigt hatte. Nach Informationen unserer Zeitung soll auf dem Grundstück ein Neubau mit etwa zehn Wohnungen entstehen.

Trauriger Anblick: Der hintere Gebäudeteil des mehr als 400 Jahre alten Gebäudes war – wie auf dieser Aufnahme von März 2021 – bereits völlig in sich zusammengefallen.
Trauriger Anblick: Der hintere Gebäudeteil des mehr als 400 Jahre alten Gebäudes war – wie auf dieser Aufnahme von März 2021 – bereits völlig in sich zusammengefallen. © Walter Storbeck

Der Verfall historischer Gebäude, die die Kulturlandschaft der Vier- und Marschlande maßgeblich prägen, erhitzt schon seit Jahrzehnten die Gemüter der Bewohnerinnen und Bewohnern des Landgebiets und der Lokalpolitik. Die CDU-Fraktion der Bergedorfer Bezirksversammlung stellte in den vergangenen Jahren mehrere Auskunftsersuchen an die Kulturbehörde um zu erfahren, was die Stadt zum Erhalt historischer denkmalgeschützter Bauernhäuser in den Vier- und Marschlanden unternimmt.

Denn neben dem Hofensemble am Wrauster Bogen ist es insbesondere auch um die Bauernhäuser am Hower Hauptdeich 133 und am Kraueler Hauptdeich 193 schlecht bestellt. Allerdings sind die rechtlichen Mittel des Denkmalschutzamtes begrenzt. Wenn ein Eigentümer sein Haus vernachlässige, fordere das Denkmalschutzamt schriftlich dazu auf, das Gebäude zu sichern, erläuterte Dr. Anna Joss, Leiterin des Denkmalschutzamtes, vor zwei Jahren im Regionalausschuss. Erst wenn nach mehrmaliger Aufforderung dem nicht nachgekommen werde, könne die Behörde die gebotenen Maßnahmen selbst durchführen oder durchführen lassen. Die Kosten müsse dann der Eigentümer tragen.