Hamburg. Seit 30 Jahren ist Michael Holst (65) ein Teil der Freiwilligen Wehr – auch wenn er selbst nie ein Retter sein konnte.

Michael „Michi“ Holst ist so etwas wie die gute Seele der Freiwilligen Feuerwehr Neuengamme. Der 65-Jährige ist häufig bei den Treffen der Retter aus Neuengamme im Feuerwehrhaus, schaut auf einen Klönschnack vorbei, schüttelt Hände und genießt eine Limonade. Aktiv dabei sein kann er nicht. Denn Feuerwehr-Fan Holst lebt mit einem schweren Handicap, ist geistig stark eingeschränkt.

Als Baby war er an einer Hirnhautentzündung erkrankt, die damals im Krankenhaus nicht erkannt worden war. Eine Erkrankung, die zu schweren Hirnschädigungen bis hin zu einer geistigen Behinderung führen kann. Der 65-Jährige lebt betreut auf dem Erdlandschen Hof in Neuengamme, arbeitet in einer Werkstatt für Menschen mit Handicap am Südring in Hamburg. Für die Neuengammer Feuerwehrleute ist er „ein Freund und Ober-Edel-Feuerwehr-Fan“, wie Wehrführer Björn Beeken es formuliert: Holst ist seit rund 30 Jahren ein besonderer Teil des Teams. Dafür überreichte ihm Wehrführer-Vertreter Tino Brandl nun eine Ehrenurkunde zum 65. Geburtstag.

Feuerwehr Neuengamme: Ehrenurkunde für Fan mit Behinderung

„Als unsere Eltern noch lebten, hat Michael gerne Zeit mit ihnen in ihrem Garten verbracht. Er ist auch gerne mit ihnen verreist“, sagt Holsts Zwillingsbruder Norbert und fügt hinzu: „Reisen mag Michael auch heute noch, mit der Einrichtung oder der Werkstatt.“ In jüngeren Jahren habe sein Bruder auch gerne auf einem Bauernhof am Neuengammer Hinterdeich mitgeholfen.

Regelmäßig wird der 65-Jährige zum Sport gefahren: In einer Inklusionsgruppe der TSG Bergedorf macht er Gymnastik und weitere Sportarten. „Er ist auch gerne mit dem Fahrrad unterwegs, freut sich über einen Klönschnack mit Nachbarn und den Menschen in Neuengamme, die ihn praktisch alle kennen“, sagt Norbert Holst.

Michael Holst hat nicht nur einen guten Draht zur Feuerwehr

Norbert Holst, der gerade in den Ruhestand gewechselt ist, wohnt mit seiner Frau ebenfalls in Neuengamme, im Elternhaus der Zwillingsbrüder an der Feldstegel. „Natürlich ist mein Bruder bei uns häufig zu Besuch. Aber meist nur für eine halbe Stunde, denn dann muss er sich schon wieder auf sein Rad schwingen und jemand anderen im Stadtteil besuchen.“ Denn Michael Holst habe nicht nur einen guten Draht zur Feuerwehr.

Auch im Autohaus Timmann am Curslacker Deich sei er ein gern gesehener Gast, weiß der Bruder. „Dort darf er dann auch mal mit den Betreibern des Hauses nach Feierabend eine Flasche Bier trinken. Die meinen es sowieso gut mit ihm, laden ihn auch zu privaten Feiern ein.“ Die ganze Ecke dort sei „sehr um Integration bemüht“, betont Norbert Holst: „Die Geschäftsleute, darunter auch ein Steuerberater, kommen gut mit meiner Bruder aus.“

Wehrführer Beeken kennt den Fan seit vielen Jahren

Wehrführer Beeken engagiert sich seit mehr als 30 Jahren in der FF Neuengamme, kennt Michael Holst seit dessen ersten Besuchen im Feuerwehrhaus. Der Freund der Wehr ist oft dabei, wenn sich die drei sogenannten Putzgruppen zur Pflege der Fahrzeuge und der Geräte sowie des Hauses treffen.

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Michael Holst ist aber auch als „Beobachter“, wie sein Bruder es nennt, bei der Wehr, wenn mindestens einmal im Monat Übungs- oder Ausbildungsdienste geleistet werden. „Er kommt in der Regel mit dem Fahrrad vorbei“, sagt der Wehrführer. Vom Erdlandschen Hof am Neuengammer Hausdeich 127 bis zur 1,6 Kilometer entfernten Wehr braucht Holst nur wenige Minuten mit seinem Drahtesel. Woher er wisse, wann sich die Feuerwehrleute treffen, zumal es nicht feste Abende in der Woche sind? „Mein Bruder fährt vorbei und schaut, ob Kameraden da sind“, sagt Norbert Holst. „Oder er hat früher am Tag einen Feuerwehrmann getroffen, der ihn daran erinnert hat.“

Michael Holst ist offizielles, zahlendes Mitglied des Fördervereins der Wehr, berichtet sein Bruder. „Er war schon immer von der Feuerwehr fasziniert. Wenn früher die Sirenen heulten, ist mein Bruder zum Feuerwehrhaus gefahren, um zu schauen, wie die Fahrzeuge ausrücken.“ Auch wenn der 65-Jährige sich nicht mehr so häufig bei den Kameraden blicken lasse wie in jüngeren Jahren, sei er stets willkommen, betont Beeken. „Schließlich sind wir seine Lieblings-Wehr, seine Freunde.“