Hamburg. Frederik Landwehr führt Mädchen und Jungen der Grundschule Fünfhausen-Warwisch durch ein Revier. Warum die Kinder begeistert sind.

Naturpädagoge Frederik Landwehr von der Loki Schmidt Stiftung bildet seit nunmehr zehn Jahren alle Schülerinnen und Schüler der Grundschule Fünfhausen-Warwisch zu kleinen Biberexperten aus. Fasziniert und wissbegierig stellen die Neun- und Zehnjährigen der Klasse 4b von Lehrer Andre Kägeler während der Exkursion zu den Biberburgen auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Neuengamme ihre Fragen. „Warum nagt er eigentlich die Bäume ab und fällt sie?“, fragte Amelie am Fuße eines gefällten Apfelbaums, um den viele Holzspäne mit deutlichen Bissspuren liegen.

Landwehr gab die Frage in die Runde weiter, die Antworten der Kids: Damit baut der Biber seine Burg, damit polstert er das Nest für die Jungen. „Und er möchte als Vegetarier die jungen Zweige und Triebe fressen, die leckersten sind die jungen Triebe oben am Baum. Anders kommt er nicht dran, denn er ist kein guter Kletterer“, ergänzt der Naturpädagoge. Immerhin wiegt ein ausgewachsener Biber bei einer Länge von 1,30 Meter etwa 35 Kilogramm.

Auf den Spuren der Biber: Schüler werden zu Nager-Experten

Auf dem Gelände der Gedenkstätte lebt eine Familie von etwa vier bis sechs Tieren, die regelmäßig von den beiden Wildkameras aufgezeichnet werden. Diese Videos schauen sich die Schüler im Anschluss in der Schule gemeinsam an, denn Landwehr wechselte nicht nur die Batterien der Kameras, sondern auch deren Speicherkarten.

Dabei berichtet er von einer gefilmten und recht ungewöhnlichen Begegnung zwischen Nutria und Biber in der vergangenen Woche, denn beide haben friedlich nebeneinander gefressen. Aber auch Marderhunde, Dachse und Waschbären waren auf den Videos schon zu sehen.

Die neunjährigen Schülerinnen Luisa und Amelia untersuchen die Bissspuren des Bibers.
Die neunjährigen Schülerinnen Luisa und Amelia untersuchen die Bissspuren des Bibers. © Gabriele Kasdorff | Gabriele Kasdorff

„Wir haben elf feste Biber-Reviere im Umkreis, unter anderem am Sandbrack, in der Hälfte leben Familien mit vier bis sechs Tieren, in der anderen Hälfte der Reviere etwa zwei bis drei Tiere. Genau weiß man es nie, da sich die Tiere auf den Videos nur schwer unterscheiden lassen“, berichtet Landwehr.

Die Zähne der Biber haben keine Wurzeln und wachsen immer nach

Besondere Aufmerksamkeit bei den Schülern erreicht Landwehr, als er plötzlich einen präparierten Biberschädel mit vier langen, gelben Zähnen in Händen hält. Staunend hören die Kinder, dass die Zähne des Bibers keine Wurzeln haben und immer nachwachsen. Da sich auf den Außenseiten der Zähne Eisen ablagert, bleiben sie immer scharf.

Zur besseren Anschauung zieht Landwehr einen langen gebogenen Zahn aus dem Schädel, den die Kinder in die Hand nehmen dürfen. Vorsichtig betasten sie das Exemplar. Da die Biber in ganz Europa unter Naturschutz stehen, ist der Schädel von einem Totfund.

Frederik Landwehr erläutert am echten Biberschädel die langen Zähne.
Frederik Landwehr erläutert am echten Biberschädel die langen Zähne. © Gabriele Kasdorff | Gabriele Kasdorff

Während die Gruppe entlang des Seitenarms der Elbe ging, entdecken sie am gegenüberliegenden Ufer eine große Biberburg und zwei weitere kleinere. Selbstverständlich ist es notwendig, diese Burgen genauer zu betrachten und sowohl Lehrer Kägeler als auch der Naturpädagoge fordern absolute Ruhe, um die Tiere nicht zu stören. „Gehört haben die Biber uns sowieso schon, aber wir möchten sie nicht zu sehr stören, damit sie nicht das Revier hier verlassen“, erläutert Landwehr.

Wenn ein Biber einen Baum fällt, sollte dieser nicht sofort weggeräumt werden

Mucksmäuschenstill dürfen die Kinder in kleinen Gruppen sich der Burg nähern, die abgenagten Stämme betasten und sich einen Eindruck verschaffen, der mit Sicherheit nachhaltiger und spannender ist als jede Unterrichtsstunde mit Lehrbuch. „Wie toll sich das anfühlt“, staunten auch Luisa und Amelie, immer wieder betasten und untersuchen sie die Bissspuren.

Frederik Landwehr spricht von einer großen Akzeptanz der Anwohner, die mitunter auch Biber im eigenen Garten beobachten können, während diese sich an den Pflanzen satt fraßen. „Mein Tipp: Wenn der Biber einen Baum gefällt hat, diesen nicht sofort wegräumen, sondern erst, wenn er die Rinde abgenagt hat. Sonst nimmt er sich gleich den nächsten Baum vor“, erklärt Landwehr.

Frederik Landwehr zeigt den Schülern die große Burg der Biberfamilie am gegenüberliegenden Ufer.
Frederik Landwehr zeigt den Schülern die große Burg der Biberfamilie am gegenüberliegenden Ufer. © Gabriele Kasdorff | Gabriele Kasdorff

Der Biber geht eine monogame Dauerehe ein, verbleibt mit seiner Familie stets im gleichen Revier und bekommt einmal pro Jahr ein bis drei Jungtiere, von denen jedoch meist nur etwa die Hälfte überlebt. Bis zu zwei Generationen an Jungtieren leben zusammen mit den Eltern, dann jedoch müssen sich die älteren eine „eigene Bude“ suchen, berichtet Frederik Landwehr.

Ein weiteres Highlight der Exkursion war ein kleiner Becher, in dem der Pädagoge echte Biberexkremente zeigt. Die Schüler erstaunt: „Die riecht ja gar nicht und sieht aus wie Kork.“

Stiftung Lebensraum Elbe übernimmt Kosten für Exkursionen

Die Viertklässler sind gut informiert über die Lebensweise der Biber, denn bereits von der Vorschule an dürfen sie zwei- bis dreimal pro Schuljahr gemeinsam mit Naturpädagoge Landwehr das Leben der Biber erkunden. „Dass dies möglich ist, verdanken wir der Stiftung Lebensraum Elbe, die die Kosten für Exkursionen wie die Kanutour in der dritten Klasse übernimmt“, weiß Landwehr zu schätzen.

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„Wir planen mithilfe einer Studentin DNA-Untersuchungen der Tiere, um festzustellen, ob es Familienbande in den verschiedenen Revieren gibt und weitere Erkenntnisse über das Leben der Biber zu erlangen“, berichtet Frederik Landwehr mit Blick in die Zukunft. Der Naturpädagoge, der seit 15 Jahren für die Loki Schmidt Stiftung im Natur- und Artenschutz arbeitet, hält unter anderem Onlinevorträge, bietet Kanutouren an. Näheres dazu unter www.loki-schmidt-stiftung.de und www.moin-biber.de.