Hamburg. Ein gespendetes Klavier macht es möglich. Der einstige Besitzer hatte eine bunte, musikalische Vergangenheit. Was nun geplant ist.

Es ist 200 Kilogramm schwer, 122 Jahre alt und seine Beine glänzen in edlem Schwarz unter der Schutzfolie hervor. Noch ein paar Stufen, dann hat das Klavier sein neues Zuhause gefunden. Nachdem er das Instrument der Traditionsmarke Ibach in der Bergedorfer Mühle abgesetzt hat, löst Möbelpacker Damian vorsichtig den Tragegurt und greift in die Tasten. Nicht umsonst hat sich Damian auf den Transport von Klavieren spezialisiert. Er liebt die Musik.

Genauso wie der einstige Besitzer des Ibach, Hans-Jürgen Hedemann. „Mein Vater war ein Bergedorfer Swing-Boy“, erklärt Maj Sumfleth. In den 30er- und 40er-Jahren schlenderten die Swing-Kids mit ihren dunkelblauen Zweireihern und langen Mänteln durch Hamburgs Straßen, tanzten zu amerikanischer Musik und waren den Freunden des Gleichschritts ein Dorn im Auge. In Sumfleths Elternhaus im Bergedorfer Villenviertel wurde schon zu dieser Zeit Klavier gespielt. 1972 zog das Ehepaar Hedemann mit drei Kindern und dem Ibach nach Glinde. Zuletzt hatte Tochter Maj Sumfleth das Klavier, doch: „Es wäre einfach zu schade, das Klavier als stummes Möbelstück bei uns herumstehen zu lassen.“

Neue Konzertreihe in der Bergedorfer Mühle dank gespendetem Klavier

Über eine Freundin entstand im vergangenen Jahr der Kontakt zum Vereinsvorstand der Bergedorfer Mühle. Für Maj Sumfleth ist es wie ein Happy End: „Mein Vater hat hier um die Ecke gelebt. Jetzt steht sein altes Klavier in einem denkmalgeschützten Gebäude und wird doch genutzt und bespielt. Was will man mehr?“ Mit dieser Lösung waren auch alle Enkelkinder des ursprünglichen Ibach-Besitzers einverstanden. Zuvor wollte sich niemand von dem Familienstück trennen.

Maj Sumfleth, Andreas Güldner, Transporteure und Kristian Sumfleth freuen sich, als das Klavier endlich in der Mühle ist.
Maj Sumfleth, Andreas Güldner, Transporteure und Kristian Sumfleth freuen sich, als das Klavier endlich in der Mühle ist. © Martina Kalweit | Martina Kalweit

Sehen und hören können die Sumfleths ihr Klavier sicher noch oft. Zum Beispiel bei der Premiere der neuen Konzertreihe „Adas Wohnzimmer“. In diesem Rahmen wird die Bergedorfer Jazzmusikerin Ada Brodie jeden dritten Sonnabend im Monat mit wechselnden Gastmusikern in der Bergedorfer Mühle auftreten. Brodies Idee zu den Wohnzimmerkonzerten hat die Vereinsmitglieder schnell überzeugt. Mit der Klavierspende aus Glinde ist der organisatorische Rahmen nun perfekt.

Stellvertretend für die Musikbegeisterten des Vereins freut sich der erste Vorsitzende Andreas Güldner über die großzügige Spende. Die Optik sei dabei nicht ausschlaggebend gewesen. „Wir bekommen ein Klavier gespendet, da ist mir doch egal, ob das nussbaum oder schwarz oder grün ist“, erinnert er sich an die spontane Zusage. Kurz nach dem ersten Telefonat war er mit Musikerin Ada Brodie bei den Sumfleths zu Gast. Sie spielte ein paar Takte und sagte dann: „Wenn nicht das, was dann?“

„Adas Wohnzimmer“: Vorerst sind drei Konzerte im Frühjahr geplant

Der Steinboden der Bergedorfer Mühle an der Chrysanderstraße 52.
Der Steinboden der Bergedorfer Mühle an der Chrysanderstraße 52. © Verein Bergedorfer Mühle | Verein Bergedorfer Mühle

Drei Konzerte sind im Frühjahr unter dem Dach von „Adas Wohnzimmer“ geplant. Die Abende werden je nach den musikalischen Gästen sehr unterschiedlich ausfallen. Der erste mit Markus Strothmann und Alex Florin (20. Januar) eher vom Irish Modern Jazz inspiriert, der zweite mit WIM (17. Februar) von filigraner Deutschpop-Poesie. Pianistin und Sängerin Ada Brodie wird die Abende mit ihren Interpretationen von Standards und modernen Songs am Klavier eröffnen.

Andreas Güldner hofft, dass der Klang wie immer überzeugt. „Bisher wollten alle, die in der Bergedorfer Mühle gastierten, wiederkommen. Wir können hier zwar keine Acht-Mann-Combo reinklemmen, die uns die Balken wegpustet“, so Güldner, „aber alles andere klingt wunderbar warm.“

In der Bergedorfer Mühle finden bei Konzerten bis zu 70 Gäste Platz

Die Bergedorfer Mühle hat außer der Windkraft noch zwei weitere Antriebe: den Dieselmotor von 1926 und den E-Motor von 1942.
Die Bergedorfer Mühle hat außer der Windkraft noch zwei weitere Antriebe: den Dieselmotor von 1926 und den E-Motor von 1942. © Verein Bergedorfer Mühle | Verein Bergedorfer Mühle

Die Bergedorfer Mühle fasst offiziell knapp 70 Gäste. Bei Konzerten kommen die Tische raus und eine kleine Bühne rein. Hinterm Tresen kümmern sich Vereinsmitglieder der ersten Stunde um den Ausschank. Zusammen mit einem jungen Publikum, das unter anderem über Social-Media von den Mühlenkonzerten erfährt, ergibt das ein schönes Durcheinander.

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Bei jedem Konzert geht der Hut herum, die Einnahmen werden komplett an die Künstler weitergereicht. „Wenn wir Eintritt nehmen würden, kämen wir ins Gewerbliche, das wollen wir gar nicht“, sagt Güldner. So wie es ist, fügt sich die Bergedorfer Mühle als Veranstaltungsort geschmeidig in die Nachbarschaft ein. Alle sind froh, dass nach Leerstand und Corona wieder Leben und Musik an der Chrysanderstraße 52a einkehren. Jetzt auch auf der Tastatur eines altehrwürdigen Instruments.

Das Programm findet sich auf der Webseite des Mühlenvereins: bergedorfer-muehle.de.